Energiewende:Verheizt im Landkreis

Energiewende: Rauchende Kamine in Wolfratshausen: Die neuen Regeln zum Heizungseinbau könnten viele Kunden finanziell überfordern, fürchten Handwerksbetriebe im Landkreis.

Rauchende Kamine in Wolfratshausen: Die neuen Regeln zum Heizungseinbau könnten viele Kunden finanziell überfordern, fürchten Handwerksbetriebe im Landkreis.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die neuen Regelungen der Bundesregierung zum Einbau von Wärmgeräten sind für Handwerksbetriebe aus dem Landkreis praxisfern. Für Aufträge stoßen diese an Kapazitätsgrenzen und haben mit großen Lieferengpässen zu kämpfen.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Einbauverbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 soll die zum Klimaschutz notwendige Energiewende sicherstellen und scheint doch die Verbraucher mehr zu verunsichern. Beispielhaft gefragte Heizungsbauer im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen berichten von ratlosen Anrufern. Gleichzeitig ist die neue gesetzliche Vorstoß der Ampelkoalition für die Handwerksmeister zu kurzfristig und praxisfern gedacht. "Es ist schwer, den Kunden einen vernünftigen Rat geben zu können", sagt etwa Andreas Spohn von der familieneigenen GmbH für Heizungs- und Sanitärinstallation in Wolfratshausen. Durch eine alternative Wärmepumpe lasse sich nicht jedes Bestandsgebäude energieeffektiv und bezahlbar nachrüsten. "Für mich geht es in die falsche Richtung und kann so nicht funktionieren."

In diesem Tenor äußern sich auch Handwerks-Kollegen aus Kochel am See und Benediktbeuern. Die Betriebsleiter sprechen von Kapazitätsgrenzen für Aufträge, langen Lieferzeiten insbesondere von Luft-Wärme-Pumpen sowie hohen Kosten für alternative Energieträger im Vergleich zu Öl- und Gasheizungen. Die Regierungsparteien im Bund haben vorgegeben, dass neue Geräte vom kommenden Jahr an mindestens 65 Prozent regenerative Energien nutzen müssen. Zu erfahren ist aber, dass manche von Umrüstungspreisen aufgeschreckte Kunden nun lieber noch schnell ihre alte fossil betriebene Heizung erneuern wollten. "Ich verstehe nicht, was unsere Regierung treibt", kritisiert Florian Hammerl. "Die Industrie kommt nicht nach." Der Benediktbeurer Heizungsbaumeister berichtet von einem Jahr Lieferzeit für eine Wärmepumpe. Neue, insbesondere größere Aufträge könne er für heuer gar nicht mehr annehmen. "Ich bin normalerweise für dieses Jahr voll."

Energiewende: Die Politik sollte endlich ein klares Konzept auf den Tisch legen, fordert Martin Waldmann, Obermeister der Innung für Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik und Spengler Miesbach/Bad Tölz-Wolfratshausen.

Die Politik sollte endlich ein klares Konzept auf den Tisch legen, fordert Martin Waldmann, Obermeister der Innung für Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik und Spengler Miesbach/Bad Tölz-Wolfratshausen.

(Foto: privat/oh)

Hat die Ampelkoalition im Bund aus SPD, Grünen und FDP also mit ihrer neuen Regelung alles falsch gemacht? Aus Sicht der örtlichen Heizungsbauer zumindest ziemlich viel. Für Florian Hammerl etwa ist klar, dass die Gesellschaft von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas wegkommen muss. Nur funktioniere dies nicht mit der Brechstange, sagt er. Es brauche viel längere Übergangszeiten. Der Benediktbeurer Betriebsleiter spricht sogar von 25, 30 Jahren. Eine Wärmepumpe sei beispielsweise gar nicht für jedes alte, noch mit Heizkörpern ausgestattete Gebäude geeignet. Denn diese Form der Heizungsgeräte funktioniere am effektivsten und damit kostengünstigsten je niedriger die Vorlauftemperatur sei. Das funktioniere am besten mit einer Fußbodenheizung. Um alte Heizkörper warm zu bekommen, müsse die Vorlauftemperatur wesentlich höher sein, was die Energiekosten in die Höhe treibe.

Die Konsequenz? Entweder das Haus umfassend sanieren oder womöglich eine Hybridheizung mit erneuerbaren Energieträgern kombiniert mit Öl oder Gas. Kostenpunkt für die zweite Möglichkeit laut Hammerl: 55 000 bis 60 000 Euro. Eine Investition, die viele Kunden trotz Förderzusagen zögern lasse, so Hammerl. "Das geht ans Eingemachte." Der Heizungsbaumeister berichtet von einem um die 70 Jahre alten Ehepaar, das in einem während der 1970er-Jahre errichteten Haus mit 30 Jahre alter Heizung wohne. Mit Wärmepumpe allein zu heizen, gehe nicht, so Hammerl. Dafür müsste der Besitzer sein Haus für Hunderttausende Euro umfassend sanieren. Die Kinder wollten nicht mitinvestieren, weil sie im Erbfall sowieso verkaufen müssten. Was also tun? "Ich kann bloß raten, abzuwarten", so Hammerl.

Erst einmal den Energiebedarf senken

Eine gangbare Lösung? Für den Wolfratshauser Heizungsbaumeister Spohn sind die Regelungen für neue Geräte ab 2024 generell der falsche Ansatz. "Man müsste den Leuten besser schmackhaft machen, erst einmal den Energiebedarf zu senken", sagt er. Was das für ihn bedeutet? Etwa Anreize setzen, damit Immobilienbesitzer bessere Fenster einbauten oder das Dach effektiver dämmten. "Erst wenn ich den Bedarf an Energie gesenkt habe, kann ich auch den Heizungstausch angehen", so Spohn. "Das ist meine persönliche Meinung." Wenn eine Wärmepumpe mit alten Heizkörpern kombiniert werde, könne sich der Kostenfaktor für Energie im Vergleich mit der alten Öl- und Gasheizung vermehrfachen. Der gewünschte Effekt, mit regenerativer Energie Geld zu sparen, könne so leicht "nach hinten" losgehen.

Energiewende: Wärmepumpen eignen sich aus Sicht der Heizungsbauer für Etagenwohnungen in bestehenden Mehrfamilienhäusern nicht.

Wärmepumpen eignen sich aus Sicht der Heizungsbauer für Etagenwohnungen in bestehenden Mehrfamilienhäusern nicht.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Schnelle Lösungen wird es für die Kunden ohnehin nicht geben. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich die Lieferzeiten für Komponenten und Geräte laut Spohn stark verlängert. Und daran werde sich so schnell nichts ändern, rechnet er. Wer aktuell eine neue Heizungsanlage beauftragen wolle, müsse bis Oktober auf einen Termin warten, vorausgesetzt die dafür benötigte Ware sei überhaupt bis dahin verfügbar. Eine hohe Nachfrage treffe auf eine begrenze Zahl von Heizungsbaubetrieben. Zudem fehle es den Firmen an Fachpersonal, so Spohn. Sein Team von vier Mitarbeitern würde er gerne jederzeit verstärken. "Ich habe gerade erst für drei Monate eine Social-Media-Kampagne geschaltet", schildert er. Doch eine ausgelernte Fachkraft habe er damit nicht gefunden.

Wie schwierig es ist, neues, fachlich qualifiziertes Personal zu gewinnen, zählt zu den Kernklagen unter den Leitern von Handwerksbetrieben. Das sei immer ein Problem, sagt Tobias Stieler von der gleichnamigen Heizung-Sanitär GmbH aus Kochel am See. Vor allem Mitarbeiter für den Kundendienst seien rar. Genug zu tun gibt es in Stielers Betrieb jedenfalls. "Wir sind jetzt noch dabei, Aufträge aus dem letzten Jahr abzuarbeiten", sagt er. Eingebaut hat er mit seinem Handwerksbetrieb in jüngster Zeit viele Stückgutheizungen, mit von Hand nachgelegter Holzbefeuerung, Pellets und Hackschnitzeln. Das sei für seine ländliche Region mit vielen Bauernhöfen typisch. Manche errichteten auch für zwei, drei Häuser eine Heizzentrale. Zudem gebe es Kunden, die jetzt lieber noch schnell ihre alte Ölheizung erneuern wollten. "Die sagen sich, dann habe ich 30 Jahre wieder meine Ruhe", so Stieler.

Probleme mit dem Nachwuchs

Warum es so mühevoll ist, junge Leute für einen Handwerksberuf zu begeistern? "Man muss körperlich und viel arbeiten", beschreibt Florian Hammerl aus Benediktbeuern. Ein Studium aufzunehmen, stehe dagegen in vielen Elternhäusern für sozialen Aufstieg und erscheine darum attraktiver. Doch im Heizungsbaugewerbe brauche er keine Mitarbeiter für Handlanger- oder Helfertätigkeiten, sondern hochprofessionell geschultes Personal, so Hammerl. Momentan habe er einen Auszubildenden. Doch bei zehn Bewerbern seien vielleicht ein oder zwei geeignete darunter.

Für die neuen Regelungen zum Heizungseinbau sieht Hammerl denkbar schlechte Voraussetzungen. "Wir verlassen eine Sache und stürzen uns in das nächste Problem", findet er. Insbesondere, woher der ganze Strom für all die neuen Wärmepumpen und Mobilitätsformen herkommen solle, fragt er sich. Das Netz habe doch dafür gar nicht die nötigen Kapazitäten. "Wenn ich in meiner Straße alle sieben Firmenautos elektrisch aufladen wollen würde, gingen die Lichter aus."

Knapp 100 Mitgliedsbetriebe hat die Innung für Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik und Spengler in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, darunter allerdings viele Ein- oder Zwei-Mann-Firmen. Ihr Obermeister Martin Waldmann aus Dietramszell kritisiert, dass die neuen Gesetzesvorschläge der Ampelkoalition zum Heizungseinbau noch viel zu uneindeutig seien. "Ich würde erwarten, dass die Politik ganz klare Ansagen macht", antwortet er auf Nachfrage. "Die Leute sind sehr verunsichert." Dass alle etwas für den Umweltschutz tun müssten, sei klar. Problematisch sei aber die Zeitspanne. Kunden bräuchten längere Übergangsfristen. Weder könne die Industrie dafür die nötige Ware so schnell liefern noch das Handwerk die Geräte so rasch einbauen. Für Etagenwohnungen in Mehrfamilienhäusern seien Wärmepumpen ungeeignet. Zudem spricht Waldmann von vielen Kunden, die sich einen Umbau gar nicht leisten könnten. Es werde zwar von Förderzuschüssen gesprochen. Eine Gasheizung koste 15000 bis 20 000 Euro koste und eine Wärmepumpe 50 000 bis 60 000 Euro. "Zahlt die Differenz dann der Staat", fragt Waldmann.

Bislang öffentlich geworden ist etwa, dass es nach 2024 möglich sein soll,, für eine kaputte Heizung doch kurzfristig einen Öl- oder Gaskessel einbauen zu dürfen. Innerhalb von drei Jahren muss so nachgerüstet werden, dass die Vorgabe erfüllt wird, 65 Prozent mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Wer als Hausbesitzer mehr als 80 Jahre alt ist, soll von der Pflicht ausgenommen werden. Sinnvoller fände Waldmann, wenn der Staat den Umbau bei dieser Altersgruppe besonders fördere. "Das ist alles nicht ausgegoren, das Ganze. Das ist meine persönlich Meinung", so Waldmann. Er vermisse ein stimmiges Konzept der Ampelkoalition. Den weltweiten Klimaschutz würden Maßnahmen in wirklich großen Ländern wie China, Indien oder auf dem amerikanischen Kontinent viel mehr voranbringen. So riskiere Deutschland, dass die Industrie abwandere.

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