"Ein Schildbürgerstreich":Vertreibung aus dem Ammerlander Paradies

"Ein Schildbürgerstreich": Mit Durchblick: Der Badeplatz bietet nach der Ausholzaktion keine geschützten Stellen mehr.

Mit Durchblick: Der Badeplatz bietet nach der Ausholzaktion keine geschützten Stellen mehr.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Nacktbadende sind nicht erwünscht. Naturwart Thomas Wendler versucht sie mit Ausholzen zu vergrämen

Von Benjamin Engel

Als Geheimtipp gilt das Ostufer des Starnberger Sees wahrscheinlich bei fast niemandem mehr. Was dort passiert, bleibt daher kaum lange unauffällig. Peter Maier hatte sich beim Spazierengehen gewundert, warum im Ammerlander Freibadestrand so massiv ausgeholzt worden ist. Der Anwohner und frühere Münsinger Gemeinderat fing an zu recherchieren - mit überraschendem Ergebnis.

Denn offensichtlich ist das Ostufer in Ammerland für eine Gruppe wohl doch so etwas wie ein Geheimtipp. Verdeckt vom Unterholz haben dort dem Vernehmen nach nackte Badegäste ihr FKK-Refugium gefunden. Das ist an dem öffentlichen Badeplatz zwar verboten, aber nur schwer zu kontrollieren. Um "die Nackerten" zu vergrämen, wurde nun ausgeholzt. Denn ohne Sichtschutz, so die Logik, werden die Nudisten weiterziehen.

Diese Maßnahme findet Anwohner Maier lächerlich. Doch Thomas Wendler ist es ernst damit. Er ist für die Wasserwacht Ammerland und die untere Naturschutzbehörde im Tölzer Landratsamt ehrenamtlich tätig und hatte die Idee zum Abholzen. "Die Nackerten sind alleweil mehra gwordn", sagt er. Mittlerweile kämen ganze "Blasen" und machten sich zwischen den anderen Badegästen mit Familien breit. Um sie loszuwerden, habe er nun vor der Vogelbrutzeit das ökologisch weniger wertvolle Unterholz ausgeschnitten. Gespräche hätten nichts genützt. Insgeheim freut sich Wendler über seinen "Schildbürgerstreich", wie er die Aktion bezeichnet. Er hoffe, dass die Familien am Badeplatz nun ihre Ruhe vor Nacktbadenden hätten. Außerdem hätten Wanderer nun von der Seestraße einen ungehinderten Blick aufs Wasser. Das sei doch gut für den Tourismus, findet Wendler.

So kernig-bairisch und offen wie er mag manch anderer über die Freikörperkultur am See kaum reden. Der Badeplatz ist in Privatbesitz. Die Familie von Schrenck-Notzing hat das Areal der Kommune als öffentlichen Badeplatz überlassen. Zu den "Nackerten" schweigt Alexander von Schrenck-Notzing anfangs. Diese Gruppe sei nicht der primäre Anlass für das Ausholzen gewesen, sagt er. "Das Grundstück ist die letzten Jahre sehr zugewachsen. Das sah nicht schön aus." Deswegen sei das Unterholz ausgeschnitten worden. Außerdem bestehe eine Verkehrssicherungspflicht, um Badegäste auf dem Gelände vor herabfallenden Ästen zu schützen.

Auf explizite Nachfrage räumt Schrenck-Notzing dann doch ein, dass Nacktbadende problematisch seien. Denn der Platz solle für Familien sein und ausdrücklich nicht für FKK-ler. Aber er könne ja nicht jedes Mal an das Seeufer hinuntergehen, wenn er einen "Nackerten" sehe. Und auch die Kommune könne nicht dauernd kontrollieren. Immerhin habe die Gemeindeverwaltung Schilder aufgestellt, auf denen das Nacktbaden verboten werde.

Sorgen bereitet Schrenck-Notzing und Maier allerdings, dass das umgeschnittene Unterholz immer noch auf dem Gelände liegt. Beide fürchten, dass damit Badegäste Lagerfeuer entzünden und damit ganz leicht bei Wind und Funkenflug einen Brand entfachen könnten. "Der Wald geht direkt dahinter los", sagt Schrenck-Notzing.

Das macht dagegen Thomas Wendler keine Angst. Die abgeschnittenen Äste habe er ganz bewusst liegen lassen, sagt er. Denn immerhin liege der Badeplatz im Landschaftsschutzgebiet. Insekten und Käfer fänden unter dem Ast- und Buschholz Lebensraum. Außerdem könnten sich so seltene Wildblumen wieder ansiedeln.

"Lagerfeuer sind kein Problem", sagt Wendler. Wenn jemand beobachte, dass eine Person ein Feuer entzünde, solle er es sofort melden. Seiner Ansicht nach lasse sich in der Regel mit den Lagerfeuermachern wesentlich besser reden als mit den "Nackerten".

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