Am Freitag ging's los:Aufbruch in die digitale Lesewelt

Im Bücherei-Verbund Leo-Süd bietet auch Wolfratshausen jetzt eine E-Book-Ausleihe per Mausklick. Per "Onleihe" können Nutzer aus rund 6000 elektronischen Medien auswählen.

Kathleen Hildebrand und Stefan Mühleisen

Am Freitag ging's los: Das Team der Stadtbücherei präsentiert das E-Book: Silke Vogel, Kathrin Mockenhaupt, Andrea Poloczek (von links).

Das Team der Stadtbücherei präsentiert das E-Book: Silke Vogel, Kathrin Mockenhaupt, Andrea Poloczek (von links).

(Foto: Hartmut Pöstges)

Noch vor wenigen Jahren fiel eine Entscheidung vor dem Urlaub nicht leicht: Wie viel Platz schaffen im Koffer für welche Bücher? Seit kurzem ist das obsolet geworden. Der Trend geht dazu, eine halbe Bibliothek mit an den Strand zu nehmen. Die passt auf E-Book-Lesegerät, Smartphone oder Tabletcomputer. Auch die örtlichen Bibliotheken stellen sich jetzt darauf ein, dass ihre Nutzer zu Digital-Usern geworden sind: 15 Büchereien in der Region haben sich am 1. März zum Bibliotheksverbund Leo-Süd ("Lesen Online Südbayern") zusammengeschlossen. Die Nutzer erwartet ein Ausleihe-Angebot von zunächst 6000 elektronischen Medien.

Das regionale Lese-Bündnis kam unter Federführung des Sankt Michaelsbunds zustande, einem katholischen Bücherei-Fachverband, der bayernweit rund 1100 öffentliche Büchereien betreut. In der Leo-Süd-Liga fanden große Stadtbibliotheken (Rosenheim, Dachau, Erding, Holzkirchen, Wolfratshausen) und kleine Ortsbüchereien aus dem gesamten Großraum zusammen. "Die Bibliotheken gewinnen dadurch ganz andere Nutzerschichten", sagt der zuständige Mitarbeiter beim Michaelsbund, Michael Sanetra: "nämlich die jungen, aktiven Dynamiker", aber auch ältere Menschen, denen die vergrößerbare Schrift und die Handlichkeit der E-Book-Reader gefällt. Freimütig räumt er ein, dass öffentliche Büchereien vor allem bei jungen Menschen ein verstaubtes Image genießen. Das liegt auch am begrenzten Budget gerade in den kleinen Kommunen. Sie haben oft kaum Geld, neue Titel anzuschaffen - und für verstaubte Klassiker nehmen Lesewillige kaum noch den Weg an die Ausleihetheke auf sich.

Den können sich Besitzer eines Benutzerausweises in Wolfratshausen jetzt ohnehin sparen: Von der heimischen Couch aus können sie den Online-Katalog ihrer Gemeindebücherei rund um die Uhr nach E-Books, Zeitschriften, Tageszeitungen und Hörbüchern durchstöbern. Das digitale Angebot ist zudem auf dem Portal www.leo-sued.de gebündelt. Allerdings ist die Leihfrist wie auch bei analogen Medien begrenzt. Nach einer gewissen Zeit lässt sich die Datei nicht mehr öffnen. "Wer mit dem Buch noch nicht fertig ist, kann es vormerken lassen. Wenn nicht schon jemand anderer wartet, kann man es erneut herunterladen", sagt Andrea Poloczek von der Stadtbücherei Wolfratshausen. Und sie verrät einen Trick: Weil die Datei nach Ablauf der Leihfrist auf dem Computer bleibt, soll man sie einfach geöffnet lassen. So kann man die letzten Seiten auch nach Fristende fertiglesen.

Die "Onleihe" bedeutet auch das Ende der Säumnisgebühren. Ein E-Book kann man nicht zu spät zurückgeben, es gibt sich selbst zurück. Mit dem künftigen Mangel an Einnahmen durch den Wegfall der Gebühr hat Andrea Poloczek aber kein Problem. "Die Säumnis ist zwar abgeschafft, aber der Verschleiß auch." Ein E-Book kann man nicht zerkratzen oder seine Seiten knicken. Ersatz muss deshalb künftig nicht mehr gekauft werden.

Die Leo-Süd-Akteure teilen sich die Kosten je nach Bevölkerungsanteil der einzelnen Kommune. Allerdings hat das Befüllen der virtuellen Bücherregale seinen Preis: 40 000 Euro hat es nach Angaben von Michael Sanetra gekostet, rund 4000 Lizenzen von den Verlagen für E-Books, digitale Zeitschriften und Zeitungen sowie Hörbücher zu erwerben; 2000 steuerten einzelne Stadtbüchereien aus ihrem bestehenden elektronischen Bestand bei. "Am Anfang ist so ein Verbund teuer. Aber es ist wichtig für die Bibliotheken, um dem Nutzerverhalten gerecht zu werden", sagt Sanetra.

Nach seiner Einschätzung könnte die Zahl der Onleihe-Bibliotheken, bundesweit gibt es etwa 700, in Bayern sind es 80, längst höher sein, wenn die Verlage nicht so restriktive Bedingungen hätten. Denn die Lizenz zum Download bezieht sich immer auf eine einzige Datei für ein Buch; für die Leihdauer darf nur ein Nutzer darauf zugreifen. Dazu hat die öffentliche Hand kaum noch Geld für die Stadt- und Gemeindebibliotheken, was für die Kommunen den Aufbau und die Pflege der Bibliotheksbestände zusätzlich erschwert. "Das kulturelle Leben im ländlichen Raum wird vernachlässigt", ärgert sich Michael Sanetra.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: