Hinter riesigen Zeitungen halb versteckt, sitzen die Vertreter des „Arbeitskreises Geronto“ aus dem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen auf Liegestühlen nahe des Loisachufers. An diesem sonnigen Freitagvormittag auf dem Grünen Markt in Wolfratshausen wollen sie über Demenz und Alzheimer aufklären. Gabi Strauhal von der Alzheimer-Gesellschaft Isar-Loisachtal (ag-il) hat es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht und blinzelt in die Sonne. „Die Hemmschwelle ist hoch, an einen Stand zu kommen und sich beraten zu lassen“, erklärt sie. Deshalb haben sie und ihre Mitstreiter diese auffällige Aktion gestartet. Aus Anlass der Bayerischen Demenzwoche und des Welt-Alzheimertages am 21. September macht die Gruppe jedes Jahr auf die Problematik aufmerksam. „Dieses Jahr wollten wir aber mal etwas ganz anderes machen“, sagt Strauhal.
270 000 Menschen mit Demenz in Bayern
Neben ihr sitzt der kreative Kopf der Aktion: Claudia König-Heinle, die Leiterin der Seniorenhilfe Oberland. Sie dreht den vorbeieilenden Marktbesuchern den Rücken zu. Volle Absicht, denn so bleibt der Blick der Passanten am Text ihrer Zeitung im Posterformat hängen. „Weißt du, warum du das hier liest?“ prangt darauf in großen Lettern. Darunter steht: „270 000 Menschen mit Demenz leben derzeit in Bayern.“ Viele bleiben kurz stehen und lesen die Texte – nur wenige beginnen ein Gespräch. Gabi Strauhal erklärt: „Uns geht es primär um Sensibilisierung. Auch wenn jemand vorbeikommt, keine Fragen stellt, sondern nur liest und sich dann auf dem Heimweg Gedanken macht, haben wir schon viel erreicht.“
Sichtbarkeit schaffen – das ist eines der Ziele der Gruppe an diesem Vormittag. Und Aufklärung über die Beratungs- und Unterstützungsangebote im Landkreis, denn davon gibt es viele. Unter anderem die Fachstellen der Alzheimer-Gesellschaft. Dort erhalten speziell pflegende Angehörige Informationen zum Umgang mit der Erkrankung. Doch auch Polizei, Feuerwehr und Kommunen werden beraten. Jeder Interessierte bekomme Unterstützung, betont Strauhal – „so viel wir halt ehrenamtlich schaffen“, ergänzt sie und lacht.
Wichtig ist es, mit Erkrankten im Gespräch zu bleiben
Das Interesse an der Aktion sei definitiv da, lautet ihr Fazit. Noch während die Gruppe aufgebaut habe, hätten sich die ersten Passanten erkundigt, wie man Demenz verhindern könne. Der Schlüssel sei ein gesunder Lebensstil, sagt Strauhal: Kopf und Körper sollten in Bewegung bleiben. „Use it or lose it“ – zu Deutsch „nutze es oder verliere es“ – das gelte nicht nur für Muskeln, sondern auch für das Gehirn, so die Schriftführerin der Alzheimer-Gesellschaft. Wichtig sei es, nicht nur Kreuzworträtsel zu machen, sondern für Abwechslung zu sorgen. Und besonders: sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Trotzdem könne eine Demenz jeden treffen. Dann sei es wichtig, dass Angehörige mit den Erkrankten weiterhin viel reden, sagt Strauhal. Denn: „Je weniger wir im Gespräch bleiben, desto schneller schreitet die Krankheit voran.“
Im Gespräch bleiben – das ist auch für Angehörige untereinander ein großes Thema. Dazu bietet die ag-il gemeinsam mit dem Sozialverband VdK und dem Hospizverein einen wöchentlichen Pflegestammtisch in Geretsried an. Insbesondere pflegende Angehörige könnten sich dort austauschen und Tipps und Erfahrungen teilen, so Strauhal. Doch Demenz sei nicht nur Vergessen. Für Erkrankte gebe es durchaus auch positive Momente. „Das ist das Schöne an Demenz: Man hat das Gefühl, es geht einem gut. Nur die anderen werden komisch“, sagt sie. „Demenz steht auch für das Leben im Hier und Jetzt, für viel Bauchgefühl, viel Herz, Humor und für Authentizität.“ Einige Demenzerkrankte tanzten regelrecht durchs Leben, so Strauhal.
Der Arbeitskreis plant in den kommenden Tagen noch weitere Aktionen im Rahmen der Bayerischen Demenzwoche. In Geretsried und Bad Tölz finden am Dienstag, 24. September, von 10 Uhr an, und am Mittwoch, 25. September, von 9 Uhr an, weitere Statement-Aktionen statt. Am Mittwoch gibt es zusätzlich zwischen 17 und 18.30 Uhr einen Vortrag zum Thema „Krankheitsbilder und Symptome“ bei der ag-il in Wolfratshausen. Interessierte können sich per E-Mail an info@ag-il.de anmelden.
Und was sollen die Menschen auf dem Markt von der Aktion mitnehmen? „Dass es Organisationen gibt, die sich mit der Krankheit auskennen und Unterstützung und Beratung anbieten“, sagt Claudia König-Heinle von der Seniorenhilfe. Die Gruppe will den Leuten klarmachen: Sie sind nicht allein, wenn es um Alzheimer und Demenz geht.