Alte Tugenden neu leben:Die Verantwortung jedes Einzelnen

Notker Wolf OSB

Der Benediktinermönch Notker Wolf war von 2000 bis 2016 Abtprimas. Nun sprach er auf dem Reutberg über Werte für eine bessere Zukunft.

(Foto: Manfred Neubauer)

Der ehemalige oberste Repräsentant der Benediktiner, Notker Wolf, spricht auf dem Reutberg über Herausforderungen

Von Lucie Strauhal, Sachsenkam

Mehr Mut, mehr Maß, mehr Dialog und eine ökosoziale Marktwirtschaft: Mit klaren Worten fordert der ehemalige Abtprimas Notker Wolf einen neuen Fokus auf derlei Tugenden in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Das wurde deutlich am Freitag, als der Benediktiner auf dem Reutberg über die "politischen und wirtschaftlichen Probleme der Gegenwart" sprach. Vor zahlreichem Publikum: Über 80 Vertreter aus Politik und Wirtschaft waren zur zehnten Auflage der "Reutberger Gespräche" gekommen.

Wolf war 23 Jahre als Erzabt in Sankt Ottilien mitunter für die Klöster seines Ordens in aller Welt zuständig. Er hatte zudem 16 Jahre das Amt des Abtprimas inne. "Ich glaube, wir müssen wieder anfangen zu denken, miteinander zu reden und zu diskutieren", erklärte Wolf eingangs. Gang und gäbe sei ihm zufolge heute die Manipulation der öffentlichen Meinung. "Wir brauchen den Widerstand", sagte er und betonte, dass man sich nicht von schlichten Parolen mitreißen lassen solle. Die Wirklichkeit sei komplex und darauf gebe es nun mal keine einfachen Antworten. Zum Thema Migration betonte er, dass es diese immer schon gegeben habe, auch früher. "Augen zu und abschotten kann da keine Lösung sein", sagte Wolf. "Was wir wieder brauchen, ist die Diskussion, der Dialog."

"Der Abt soll bei allem, was er tut, das rechte Maß bewahren", zitierte er eine benediktinische Tugend. Das rechte Maß gelte sowohl für die Gerechtigkeit als auch für den Mut. "Das ist diese Ausgewogenheit, die wir wieder brauchen." Bei jeder Krise werde der Ruf nach neuen Gesetzen laut. Da der Mensch selber nicht mehr verantwortlich sein wolle, gebe er die Verantwortung an die Politik ab und jammere dann über die Regulierungswut des Staates. Es brauche zwar einen ordnungspolitischen Rahmen, doch keine gelenkte Wirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft solle aufrechterhalten werden. Insbesondere plädierte Wolf für eine ökosoziale Marktwirtschaft.

"Tue nichts ohne Rat, dann brauchst du hinterher nichts zu bereuen", zitierte Wolf den Heiligen Benedikt, und forderte zudem: "Wir brauchen überall das gemischte Publikum." Die Politik brauche junge Leute, denn diese förderten die Veränderungsbereitschaft in der Gesellschaft. Junge Menschen hätten mehr Mut und eine höhere Risikobereitschaft. "Der Mut zum Risiko gehört zu unserem Leben", sagte Wolf. Auch dem föderativen Gedanken sowie die Subsidiarität kommt laut Wolf eine große Bedeutung zu. "Weil man vor lauter Autonomie auch zugrunde gehen kann, ist es gut, sich mit anderen zusammenzuschließen." Somit sei aus seiner Sicht auch ein starkes, aber kein zentralisiertes Europa nötig.

Die Globalisierung sprach Wolf ebenfalls an. "Ich bin ein europäischer und globaler Abt", sagte er. "Mich interessieren nicht die Zahlen, sondern die Menschen." Die Menschen brauchten auch in der Globalisierung den Wert der Nationen. Alle Nationen sollten auf Augenhöhe miteinander reden können und benötigten das Gespür, dass alle gleich auf gleich sind. "Nur so sehe ich eine friedliche Zukunft." Abschließend wünschte er sich die Kirche wieder als "Ort der Hoffnung, der Verteidigung des Lebens und einem Garanten der Menschenwürde".

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