Faszination Berg:Wo die Freiheit grenzenlos ist

Faszination Berg: Eigentlich gehört der Blomberg zur Gemeinde Wackersberg. Aber er ist und bleibt nun mal der Hausberg der Tölzer, weshalb er die perfekte Kulisse für das Alpenfilmfestival Bad Tölz bot.

Eigentlich gehört der Blomberg zur Gemeinde Wackersberg. Aber er ist und bleibt nun mal der Hausberg der Tölzer, weshalb er die perfekte Kulisse für das Alpenfilmfestival Bad Tölz bot.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das Alpenfilmfestival auf dem Blomberg präsentiert ausgewählte Filme.

Von Arnold Zimprich

Kalt ist es am Freitag beim Alpenfilmfestival auf dem Hausberg der Tölzer - aber die Besucher am Blomberg sind bestens vorbereitet. Wenn ein Festival Bezug zu den Bergen hat, zieht es das entsprechende Publikum an: Wohin man blickt, Funktionsjacken, Decken, komfortable Klappstühle. Langsam, ganz langsam erscheinen die Sterne am Firmament. "Der Countdown läuft", steht in großen Lettern auf der Leinwand. Alpenfilmfestival-Organisatorin Sandra Freudenberg macht ihrem Nachnamen alle Ehre und freut sich, "dass das zum ersten Mal stattfinden kann, ein Open Air-Bergfilmfestival in Bad Tölz".

Ausdauer-Athletin Caja Schöpf aus Murnau hat, so sagt sie, zusammen mit Bergführer Ludwig Karrasch die sieben höchsten Gipfel der sieben bayerischen Gebirgszüge bestiegen - und mit "Seven Summits of Bavaria" einen Film daraus gemacht. Wobei der Titel mehr als nur in die Irre führt - er ist schlicht falsch. Da mag es in einem vereinten Europa noch so wenige Grenzen geben: Wenn man den eindeutig im Salzburgischen liegenden Hochkönig und die zumindest für Skitourengeher ausschließlich von der Tiroler Seite zugängliche Östliche Karwendelspitze, über deren Gipfel aber immerhin die bayerische Grenze läuft, zu den "Seven Summits of Bavaria" rechnet, ist das mehr als nur ein Lapsus. Da hätte sich Schöpf einen anderen Titel überlegen oder andere Gipfel auswählen sollen, so viel Augenzwinkern sie im Film auch vermittelt. Aber geht es bei einem Bergfilmfestival um derlei Details, die einigen Besuchern gar nicht auffallen dürften? Ist die Freiheit in den Bergen nicht grenzenlos?

Faszination Berg: Festivalleiterin Sandra Freudenberg und Filmemacher Stefan Erdmann.

Festivalleiterin Sandra Freudenberg und Filmemacher Stefan Erdmann.

(Foto: Manfred Neubauer)

Auch Christoph und Philipp Kaar, die den Film "Gerwentil", wie das Karwendel einst genannt wurde, zu verantworten haben, erlaubten sich einen Fauxpas - prompt beginnt der Film mit einem Hinweis, dass man in dem wilden Gebirgszug, dessen größter Teil sich in Tirol befindet, kein Lagerfeuer machen und auch keine Drohnenflüge unternehmen sollte. Immerhin gehört das Karwendel zu den größten Naturschutzgebieten in den Ostalpen. Was die Jungfilmer dann allerdings auf Zelluloid gebannt, pardon, in Pixel und Bytes verwandelt haben, lässt dem geneigten Wintersportfreund die Kinnlade herunterklappen. Derlei spektakuläre, mit mühsamen Aufstiegen erarbeitete Tiefschnee-Abfahrten kannte man aus dem Karwendel bisher nicht. Dass diese dann noch in einem herben, aber anheimelnden Tiroler Idiom kommentiert werden, gibt dem sehenswerten Film eine besondere Würze. "I vasteh sie guat, die mannda do - sie woll'n sie gspürn!"

Kurz erholt man sich von den nicht nur den Tiefschnee aufwühlenden Karwendel-Bildern - und steckt schon mittendrin im nächsten Abenteuer, dieses Mal mit den beiden alpinistischen Vollprofis Roger Schäli aus der Schweiz und Simon Gietl aus Südtirol, deren Sponsorenliste schon mal eine ganze Leinwand, oder besser gesagt, eine ganze Bildschirmseite ausfüllt. Für viele Bergfexe sind die beiden Idole. Die Messnersche Hybris fehlt ihnen dabei oder sie kaschieren sie geschickt, man weiß es nicht so recht, sie wirken jedenfalls sympathisch. Man würde sich sofort mal auf ein Fondue mit Schäli oder zum Törggelen mit Gietl treffen wollen. Die sechs klassischen Nordwände der Alpen haben die beiden gemacht: die "Comici" an der Großen Zinne, die klassische Nordkante am Piz Badile, die Eiger-Nordwand über die Route "Chant du Cygne", die Grandes Jorasses über das "Leichentuch" und die Petit Dru bei miserabelsten Verhältnissen. Namen, die bei Kennern Faszination und Schaudern zugleich auslösen. Wenn dann sogar Gietl sagt, dass er "Probleme hatte reinzukommen", weiß man Bescheid, denn eines wurde noch nicht erwähnt: Die Ausnahmeathleten fuhren mit dem Rennrad von Wand zu Wand. Mehr als 1000 Kilometer mit dem Rad, rund 30.000 Höhenmeter Aufstieg, Gleitschirme waren erlaubt. Noch Fragen?

Faszination Berg: Der sogenannte Blomberg Blitz garantiert Spaß und Nervenkitzel, während sich nebenan die Zuschauer beim Open-Air-Kino amüsieren.

Der sogenannte Blomberg Blitz garantiert Spaß und Nervenkitzel, während sich nebenan die Zuschauer beim Open-Air-Kino amüsieren.

(Foto: Manfred Neubauer)

"Die Kunst, einen Berg zu besteigen", der abschließende Film, widmet sich dem deutschen Ausnahme-Alpinisten Reinhard Karl und der Künstlerin Clara Happ, die sich einer unbekannteren Facette des viel zu früh am Achttausender Cho Oyu Verunglückten annimmt. Sie fertigt Linol- und Holzschnitte nach Karls Fotografien, der Film wechselt hin und her zwischen Karlscher Bergdokumentation und Happschem Kunstschaffen, ein sehenswertes Konglomerat, das zum Nachdenken anregt: Was soll der ganze Berg-Terz? "Den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen", sagte Karl einmal.

Wenn Sandra Freudenberg und ihr Team mit diesem Abend jedoch eines erreicht haben, ist es, die Faszination für den Resonanzraum "Berge" zu wecken, in dem jeder etwas anderes verspürt.

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