All that Jazz:Wassermusik

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Klaus Doldinger spielt mit dem Orchester der Kammeroper München und Mitgliedern von "Passport" das legendäre "Tatort"-Thema und andere Filmmusiken. (Foto: Jim Rakete)

Die Konzertreihe schickt Klaus Doldinger und Konstantin Wecker auf Rundfahrt über das Gewässer und holt in sieben weiteren Konzerten Klassik, Rock und Weltmusik mit ins Boot

Von Gerhard Summer, Starnberg

Zwei Altmeister wagen sich aufs Wasser. Auftritte von Klaus Doldinger und Konstantin Wecker auf dem Dampfer MS Starnberg gehören zu den Höhepunkten der von Manfred Frei und Irina Frühwirt etablierten Konzertreihe "All that Jazz", die nächstes Jahr so viele Konzerte bietet wie noch nie und Klassik, Pop und Weltmusik mit ins Boot holt.

Zu den verpflichteten Gruppen gehört beispielsweise die Formation Einshoch6, die deutschen Rap und symphonische Klänge miteinander verbindet. Mit den Gitarristen Wolfgang Muthspiel und Max Frankl aus Starnberg werden Lehrer und einstiger Schüler nacheinander auf der Bühne stehen. Beide leuchten den Grenzbereich zwischen Jazz, Pop und Rock aus. Und der Pianist Leonid Chizhik und der Saxofonist Florian Trübsbach treten an, Chopins Préludes und Nocturnes mit Blue Notes zu färben. Chizhik sei im Übrigen der erste Jazzer Russlands, der in großen Sälen spielte und von der Regierung anerkannt wurde, so seine Tochter Frühwirt in einer Pressekonferenz mit Doldinger.

Natürlich, Crossover ist so neu nicht. Schon in den Sechziger- und Siebzigerjahren hatten Bands wie Procul Harum, Deep Purple, The Moody Blues, Emerson, Lake & Palmer oder Uriah Heep mit Orchestern gearbeitet oder Modest Mussorgsky auf Krawall gebürstet. Die Beatles ließen sich auch von indischer Musik inspirieren. Paul McCartney schrieb Oratorien, Elvis Costello spielte mit dem Brodsky Quartet die "Julia Letters" ein. Und Flamencogitarrist Paco de Lucia interpretierte auch Manuel de Falla. Wenn es aber nach Frei geht, dann ist es der Jazz, der für solche Experimente berufen ist. Denn es sei diese Musikrichtung, die "unsere Zeit belebt und noch wahnsinnige Reserven hat ". Jazz sei die "Musik der globalisierten Welt", meinte Frei. "Und da wollen wir mitmischen, in aller Bescheidenheit." Dass Improvisation und strenge Klassik durchaus zusammenpassen, versucht Klaus Doldinger bei seinem Gastspiel auf dem Ausflugsdampfer zu beweisen. Er finde es schön, dass Schiffskonzerte heute wieder aufleben, sagte der 80-jährige Ickinger, der seinen runden Geburtstag im Mai auf dem Starnberger Katamaran gefeiert und in Neu-Düsseldorf oft auf Rhein-Dampfern gejammt hatte. Und er halte er es für wichtig, Jazzer und klassische Musiker zusammenzubringen, die in ihrem Fach nicht einfach der Eingebung des Moments folgen können.

Doldinger surft ohnehin schon länger auf der Klassikwelle: Er hat mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz 2011 die CD "Symphonic Projekt" herausgebracht, nächstes Jahr soll eine DVD folgen. Und auf dem Starnberger See spielt er am 7. Mai mit dem Orchester der Kammeroper München und Mitgliedern von Passport das legendäre "Tatort"-Thema und Filmmusiken für "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte". Einziger Haken, genauso wie bei dem Gastspiel des Liedermachers Konstantin Wecker am 29. September: Karten für die Wassermusik sind mit 120 Euro inklusive Essen teuer. Laut Frei ließ sich das nicht anders machen. Das Schiff zu chartern, gehe nämlich ins Geld.

Neun Konzerte gibt es 2017 in der Reihe "All that Jazz", in den Vorjahren waren es noch vier und sechs gewesen. Und die meisten Künstler kombinieren verschiedene Stile, seien es der Posaunist Nils Wogram und der vor allem in Frankreich bekannte Pianist Bojan Z (19. Januar, Schlossberghalle) oder das Austrian String Trio, das Barockmusik von Bach in die Moderne führt. Der Formation gehören zwei aus der Klassik kommende Instrumentalisten, nämlich der Geiger Benjamin Schmid und der Cellist Florian Eggner an, sowie der Jazzgitarrist und Komponist Wolfgang Muthspiel (18. Mai).

Cembalist Paul Gulda, Sohn von Friedrich Gulda, nimmt sich mit seinem Trio Tannur ebenfalls Werke von Bach, Scarlatti und Couperin vor, spannt in den Eigenkompositionen aber den Bogen zur klassisch-arabischen Musik. Der Kammermusiker und Solist tritt mit dem Oud-Spieler und Sänger Marwan Abado aus Beirut und dem Percussionisten Peter Rossmanith an (14. Dezember).

Max Frankl, Gewinner des "Echo Jazz" 2012, und seine Bandmitglieder Reto Suhner (Altsaxophon und Altklarinette) und Lionel Friedli (Drums) sind die Rocker unter den in der Schlossberghalle zu hörenden Musikern: Das Trio Cargo verbindet Anklänge an die Musik von Radiohead und Led Zeppelin mit elektronische Effekten, Offbeats und Cool Jazz (18. Oktober).

Was junge Gruppen betrifft, die gerade auf dem Sprung sind, hat sich "All that Jazz Starnberg" für die Formation Ticho um den Berliner Pianisten Marc Schmolling und für ein Trio entschieden, das aus der Harfenistin Kathrin Pechlof, dem Saxofonisten Christian Weidner und dem Kontrabassisten Robert Landfermann besteht. Die zwei Bands treten hintereinander in einem Konzert an (30. November). Wie Frei in der Pressekonferenz erklärte, sei seine Konzertreihe bislang vom Kulturfonds Bayern mit "erstaunlich viel Geld" unterstützt worden. Nach zwei Jahren sei die Förderung nun ausgelaufen. Er und Frühwirt stünden nun vor einem Neuanfang - "wir müssen Sponsoren finden". Da kam die frohe Botschaft der Starnberger Kulturamtsleiterin Annette Kienzle gerade recht: Die Stadt habe den Zuschuss für "All that Jazz Starnberg" verdoppelt, sagte sie.

Alle Informationen zum Festival unter http://all-that-jazz-starnberg.de/

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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