Aktion in der Innenstadt:Hinlegen für die Menschenwürde

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Auf der Tölzer Marktstraße findet am 70. Jahrestag des Grundgesetzes ein Flashmob statt.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Reihenweise liegen Leute flach auf dem Kopfsteinpflaster der Tölzer Marktstraße. Einer steht plötzlich auf, richtet den Menschen neben ihm auf, schaut ihm in die Augen und sagt: "Ich sehe dich, ich respektiere dich, ich helfe dir." Dies setzt sich dann auf ein Signal mit Trillerpfeifen dominosteinartig fort, vom Marienbrunnen in der unteren Fußgängerzone bis hinauf zum Winzerer-Denkmal. Ein solcher Flashmob zum Thema Menschenwürde soll am Donnerstag, 23. Mai, im Herzen der Kurstadt stattfinden - genau am 70. Jahrestag des Grundgesetzes, in dem gleich im ersten Satz des Artikels 1 zu lesen steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Die Idee zu der Aktion hatte Brigitte Bürkel. Die Tölzer Heilpraktikerin hatte das Buch "Würde" von Gerald Hüther gelesen. Um den Autor und Neurobiologen herum fanden sich ehrenamtliche Kräfte in der Initiative "Würdekompass" zusammen, die den Flashmob - also einen spontanen Menschenauflauf - am Geburtstag der Grundgesetzes in verschiedenen deutschen Städten veranstaltet. In Bad Tölz sind außer Bürkel die Theatergruppe Komische Gesellschaft mit Vorsitzender Verena Peck und der Kulturverein Lust mit Vorsitzender Jeanette Stahlberg mit von der Partie, unterstützt von der Evangelischen Jugend im Dekanat.

Die Tölzer Fußgängerzone ist nicht wegen ihrer fotogenen Bürgerhausfassaden der Schauplatz dieser Performance. Die SS trieb am 26. April 1945 die Häftlinge des KZ Dachau auf einen Todesmarsch ins Oberland, der eben auch durch die Marktstraße führte. An das Bild dieses Elendszugs habe man mit der Geste des Hinlegens und Aufhelfens angedockt, sagt Bürkel. Wenn man sich das Grundgesetz zu Herzen nehme, dann dürfe "so etwas Entwürdigendes nie mehr passieren", sagt Verena Peck. Das Ziel des Flashmobs sei es, in positivem Sinne zu stören. "Es soll auch ein wenig befremdlich sein."

Nach der Aktion, die um 17 Uhr beginnt, pilgern alle Teilnehmer in die obere Fußgängerzone, wo Nils Dinslage den Song "Heal the World" von Michael Jackson singt. Der Schüler des Tölzer Gymnasiums hatte mit diesem Lied an dem TV-Wettbewerb "The Voice Kids" teilgenommen. Würde bedeute für ihn, dass man sich nicht streitet, sagt der Elfjährige. "Dass man nicht gemobbt wird, weil man kein Handy hat oder irgendwelche Sachen, die man nicht haben muss."

Unklar ist noch, ob die Tölzer Stadträte im Kur- und Tourismusausschuss ihre Sitzung am 23. Mai unterbrechen und zum Flashmob in die Marktstraße kommen. Verena Peck hat angefragt und nach eigenem Bekunden "sehr unterschiedliche Reaktionen" erhalten. Ein Stadtrat sei nun mal der Gemeindeordnung unterworfen und dürfe eine Sitzung nur aus gewichtigen Gründen auf solche Weise unterbrechen, weiß die Vorsitzende der Komischen Gesellschaft. "Dennoch würde ich mir wünschen, dass ein Zeichen gesetzt wird." Und wenn es regnet? Die Geburtstagsparty fürs Grundgesetz soll dann nicht gleich ins Wasser fallen, sagt Peck. Die Teilnehmer müssten sich in diesem Fall zwar nicht aufs nasse Pflaster legen, sie könnten sich aber an den Händen fassen und einander zum Beispiel sagen: "Du bist wertvoll."

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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