Meterhoch türmt sich der wichtigste Grundstoff für die Produkte von Agrobs in einer der Lagerhallen am Westrand Degerndorfs - und riecht selbst für den Menschen verführerisch. Die in Pelletform gepressten oder unterschiedlich stark zerkleinerten Wiesencobs verströmen das angenehm-frische Aroma geschnittenen Frühsommergrases. Das ist die zentrale Basis der Futtermischungen für Pferde, Heimkleintiere oder Schildkröten, mit denen das Familienunternehmen Agrobs erfolgreich ist. Vom Trend "zurück zur Natur", wie Simon Berger sich ausdrückt - er ist neben seinem Bruder Florian der zweite Geschäftsführer im Betrieb - profitiert Agrobs. "Die Leute wollen wissen, was im Futter drin ist."
Genauso wie für den Menschen wird es nämlich auch für Tiere problematisch, wenn sie sich ungesund ernähren. Bekommen Pferde zu viel nährstoffreiches Getreide, setzen sie schnell einmal Gewicht zu. Das erhöht das Risiko für Wohlstandskrankheiten oder Verdauungsbeschwerden. "Pferde können sogar Magengeschwüre entwickeln", sagt Prokurist Thomas Berger - und dritter der Brüder im Betrieb. Insofern versteht sich der Futtermittelhersteller als Problemlöser für die Tiergesundheit. Von 53 Produktmischungen für Pferde im Agrobs-Angebotskatalog spricht Thomas Berger. Zu finden ist Spezialfutter für zu dünne oder ältere, zahnlose, reine Freizeit- oder Sportpferde. "Es geht darum, die Tiere möglichst lange gesund zu halten", sagt Thomas Berger.
Das gilt insbesondere für den Leistungssport. Seit Jahren hatten die Dressur-Doppelolympiasiegerin Jessica von Bredow Werndl und ihr Bruder Benjamin Werndl für ihren Stall in Aubenhausen im Chiemgau auf Agrobs-Produkte zurückgegriffen. Daraus ist nun eine exklusive Partnerschaft für Futtermittel geworden. "Für Agrobs bietet die langfristige Kooperation die Chance, verstärkt Kunden im Pferdesport zu erreichen," sagt Thomas Berger.
Als die Eltern Jakob und Traudl Berger in den 1980er-Jahren begannen, ihr zu Wiesencobs getrocknetes Gras Pferdehaltern anzubieten, war diese Erfolgsgeschichte kaum abzusehen. Simon und Thomas Berger berichten, dass anfangs viele skeptisch gewesen seien. Was er mit seinen Cobs wolle, sei ihr Vater oft gefragt worden. Damals seien Pferde üblicherweise mit viel Getreide gefüttert worden. Das kommt daher, dass die Tiere früher für schwere Landwirtschaftsarbeit gebraucht wurden. Zur Energiezufuhr war ein kohlenhydrat- wie energiereiches Futter notwendig - mit den für die heute vor allem zu Freizeitzwecken gehaltenen Pferde bekannten weiter oben beschriebenen negativen Folgen.
Damit die Tiere ein möglichst naturnahes faserreiches Futter bekommen, arbeitet Agrobs inzwischen mit hunderten Vertragslandwirten im bayerischen Alpenvorlandgürtel zusammen. Auf insgesamt um die 4700 Hektar Land wächst das für das Degerndorfer Unternehmen reservierte Gras. Die Bauern ernten erstmals im Jahr zwischen Ende Mai und Ende Juni. Dann ist das Gras reifer, hat einen höheren Rohfasergehalt und ist weniger energie- und eiweißreich als jüngeres. Ein zweiter Wiesenschnitt folgt im August. Zu hoch dürfen die Pflanzen aber nicht wachsen, sonst würden sie verfilzen und verholzen, zudem würden sich ungesunde Pilz-Hefen entwickeln. Die Vertragslandwirte säen auch Gräser- und Kräutermischungen aus und düngen, allerdings nur in geringem Maße, damit das Gras nicht zu fett wird.
Kurz nachdem es gemäht worden ist, wird das Gras in Anlagen von Futtertrocknungsgenossenschaften wie der nahe der Garmischer Autobahn A 95 bei Degerndorf zu Pellets verarbeitet. Dafür wird es gehäckselt und mit Warmluft schonend getrocknet. "Alle Inhaltsstoffe bleiben dann frisch konserviert", schildert Simon Berger, der bei Agrobs für den Kontakt zu den Landwirten verantwortlich ist. Er erinnert sich noch gut, wie er als Kind mit seinem Brüdern dem Vater half, die Futtermittelsäcke auf Paletten zu wuchten. Heute erledigen das moderne Anlagen, welche die Cobs mittels Förderbändern von Halle zu Halle transportieren, Verunreinigungen und Staub filtern, die Futtermischungen in Papiersäcke abfüllen, etikettieren und auf Paletten packen.
Agrobs veredelt das von den Landwirten angebaute Gras, mischt etwa Gemüse wie Karotten oder Rote Beete, Obst, Sonnenblumenkerne oder Leinsamen unter. Ganz nach den Bedürfnissen der Tiere. Auch an neuen Produkten wird getüftelt. Bis die entwickelt sind, kann es laut Thomas Berger aber schon einmal mehrere Jahre dauern. Zu prüfen ist, ob sich die Zutaten überhaupt gut in der Anlage verarbeiten lassen und wie sie die Tiere später vertragen. Ein Team von drei Tierärztinnen und vier Agrarwissenschaftlerinnen berät die Kunden. Allein im vergangenen Jahr hatte das Team 3000 Termine. Zudem betreibt das Familienunternehmen Agrobs einen Online-Shop, über den es auch Produkte anderer Hersteller verkauft.
Agrobs wird im kommenden Jahr 30 Jahre alt. Mittlerweile sind 98 Mitarbeiter für das von Jakob und Traudl Berger aufgebaute Unternehmen tätig. Sohn Florian Berger folgte während der 2000er-Jahre und begann den Betrieb zu leiten. Simon Berger stieg Ende 2007 ein. Er hat in Weihenstephan ein landwirtschaftliches Studium abgeschlossen. Der dritte Bruder Thomas Berger stieß 2017 dazu, ist seitdem für die Produktentwicklung, das Marketing und den Online-Shop zuständig. Als Prokurist - verantwortlich für die Buchhaltung und das Controlling - arbeitet zudem noch Cousin Klaus Berger für Agrobs.
Etwas anderes als ins Unternehmen einzutreten, kam für Simon Berger nie infrage. Unter Brüdern könne zwar schon einmal sehr klar und deutlich kommuniziert werden, sagt er. "Aber wo anders habe ich denn schon die Möglichkeit, selbst etwas zu formen und umzusetzen?"