Süddeutsche Zeitung

Ärzte im Porträt:Gutes Händchen

Eva-Maria Baur und Gaby Fromberg sind renommierte Chirurginnen. Am Penzberger Krankenhaus reparieren sie kaputte Fingerknochen und eingeklemmte Nerven - und sie leisten humanitäre Hilfe in Indien

Von Alexandra Vecchiato

Die Hand - sie ist viel mehr als ein bloßes Werkzeug. Sie ist wie das Gesicht ein Kommunikationsorgan, das tastet, fühlt, liebkost oder uns gestenreich mit anderen Menschen kommunizieren lässt. Dem Philosophen Immanuel Kant wird der Satz zugeschrieben: "Die Hand ist der sichtbare Teil des Gehirns." Doch als exponiertes Organ ist die Hand auch besonders gefährdet. Der Wiederherstellung von Funktion und Form von Händen haben sich Eva-Maria Baur und Gaby Fromberg verschrieben. Die beiden sind Chefärztinnen der Abteilung Plastische und Handchirurgie am Klinikum Penzberg.

Ursprünglich wollte Gaby Fromberg, Jahrgang 1959, Kunst studieren, entschied sich dann aber doch für Medizin. Diese habe sie mehr fasziniert, erzählt sie. Im Laufe ihres Studiums wächst in ihr die Begeisterung für die Chirurgie. Sie entscheidet sich letztlich, sich als Fachärztin für Plastische und Ästhetische sowie Handchirurgie zu spezialisieren. "Wie bei keinem anderen Fachgebiet ist da vom Säugling bis zum alten Menschen alles vertreten - das gesamte Spektrum", sagt Fromberg über ihre Patienten.

So arg unterscheide sich ihr Tun nicht von dem eines Bildhauers, sagt sie. Wie der Künstler eine Plastik erschafft, so sei es ihr Streben, das filigrane Organ Hand nicht nur in seiner Funktion, sondern auch in seinem Äußeren wiederherzustellen. Das ist ein diffiziler Job, bei dem sie mikrochirurgische Techniken reizen. "Bei der Hand ist auf kleinstem Raum so viel Uhrwerk verbaut", sagt Fromberg. Zudem würden Hände in jedem Job gebraucht. Daher seien im Sprechzimmer ihrer Praxis in Murnau alle Berufsgruppen vertreten - mit den unterschiedlichsten Ansprüchen an ihre Hände: Da ist der feingliedrige Musiker, dort der Arbeiter, bei dem es auf die Kraft ankommt.

Doch nicht allein die Behandlung von erkrankten, verletzten oder missgebildeten Händen zählt zum Leistungsspektrum der Gemeinschaftspraxis in Murnau, die Fromberg seit 2006 zusammen mit ihrer Kollegin Eva-Maria Baur betreibt. Beide sind Spezialistinnen für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Dabei geht es nicht nur um durch Operation hergestellte Schönheit, Fettabsaugen oder Brustvergrößerung. Angeborene Fehlbildungen, Tumore und Folgen von Erkrankungen können ebenfalls den Wunsch nach einem rekonstruierenden Eingriff auslösen. Narbenbehandlungen, Nervenrekonstruktionen oder die Behandlung chronischer Wunden wie offene Beine gehören auch zum Job der beiden Ärztinnen. Was Schönheits-OPs betreffe, mache sie nicht alles, was vom Patienten gewünscht werde, sagt Fromberg. "Diese Freiheit schätze ich." Da sei sie sich mit ihrer Kollegin einig.

Für Eva-Maria Baur, Jahrgang 1963, besteht der Reiz ihres Fachgebiets im großen Spektrum. "Funktion, Form und Schönheit spielen zusammen." Die Ästhetik allein dürfe allerdings nie der treibende Faktor sein. Baur ist eine international renommierte Fachärztin. Seit 2010 leitet sie zusammen mit Fromberg die Hauptfachabteilung für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Klinikum Penzberg, wo beide ambulant und stationär operieren. Arthrose, eingeklemmte Nerven, Druckgeschwüre - all dies würde dort behandelt, so Baur.

Überwiegend zählen ältere Menschen zu den Patienten. Wenn auch nicht alle Eingriffe, so könne doch vieles im kleinen Penzberger Krankenhaus geleistet werden. Baur engagiert sich nicht allein im Operationssaal. Sie hat verschiedene Ämter und Funktionen inne. Im kommenden Jahr wird sie zur Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie ernannt. Jedes Jahr fliegt sie nach Hongkong, um dort andere Ärzte auszubilden. Atroskopische Operationen (Gelenkspiegelungen) gehören zu ihrem Spezialgebiet.

Familie, Praxis, OP, Kongresse und Fachtagungen rund um den Globus - als ob dies nicht schon genug Zeit in Anspruch nehmen würde, sind Fromberg und Baur seit vielen Jahren bei humanitären Einsätzen mit von der Partie. Beide engagieren sich für die Hilfsorganisation Interplast Germany. Der Verein organisiert die Einsätze von Operationsteams in Entwicklungsländern, die sich über Spenden finanzieren. 1993 begleitete Gaby Fromberg ihren damaligen Chef zu einem Einsatz nach Indien. Diese Reise ließ sie nicht mehr los. Immer wieder kehrt sie nach Indien zurück, ans Mela-Hospital im Pilgerort Haridwar. Baur ist seit 1994 aktiv bei Interplast. Ihre Einsätze führten sie nach Indien, Afghanistan, Sri Lanka und Nepal. Alles im Jahresurlaub. Weil die Praxis in Murnau weiterlaufen muss, teilen sich beide Frauen das Jahr auf: Fromberg ist im Herbst humanitär unterwegs, Baur im Frühjahr.

In Indien muss Fromberg mit einfachsten Bedingungen zurechtkommen. Das Mela-Hospital ist nicht mit hiesigen Einrichtungen zu vergleichen. Zu ihren Patienten gehören dort Menschen mit Fehlbildungen, Unfallverletzungen und Verbrennungen. Oft sind Kinder betroffen oder Frauen, die Opfer von Säureattacken wurden. Bei vielen Patienten könnten sie und ihr Team nicht nur die Schmerzen lindern, sondern obendrein die Lebensqualität verbessern. "Für den Einzelnen ändert sich oft seine ganze Zukunft", so Fromberg.

Die Art der Verletzungen sei oftmals gravierend. Die Tiefe der Verbrennungen etwa, das sei eine "ganz andere Nummer", sagt Baur. Auf dem Old Market in Delhi lägen Stromleitungen offen rum, kreuz und quer. Knochen seien nach Stromschlägen wie weggeschmolzen. Es sei ein Wunder, dass die Menschen dies überlebten, betont Fromberg. "Die Saris sind aus Polyester. Das brennt sich rein", ergänzt Baur.

Während in Deutschland bürokratische Hürden und die hohen Ansprüche mancher Patienten das Praxisleben belasteten, könnte man bei den Interplast-Einsätzen hautnah erfahren, wie die Menschen aus weniger als nichts das Beste zu machen versuchten. Das erde einen, sagt Fromberg. In Indien sei die Schere zwischen Arm und Reich sehr groß. "Es stellt sich eine gewisse Gewöhnung ein", sagt Baur. "Bei meinem ersten Indien-Aufenthalt war ich allerdings ziemlich schockiert." Und auch, wenn man von solchen Einsätzen müde nach Hause zurückkomme, sagt sie, man fühle sich doch deutlich zufriedener.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2019
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