Abschied mit Kunst:Eine Ausstellung, die mit dem Abriss endet

shelter in transition

Wandmalerei, Objekte, Projektionen: Helmut Zunhammer, Wolf Jaenecke, Peter Fischer und Jörn Pfennig (v. l.) stellen Hausgeschichte aus.

(Foto: Manfred Neubauer)

Familie Zunhammer verschmilzt mit "Shelter in Transition" Kunst und Sinneseindrücke mit der Lebensgeschichte der Bewohner eines Hauses am Höhenbergweg in Bad Tölz.

Von Susanne Hauck

Vor dem Abriss hat das Haus einen letzten großen Auftritt. Mit dem Kunstprojekt auf Zeit "Shelter in Transition" nimmt die Familie Zunhammer Abschied von ihrem Heim am Tölzer Höhenbergweg. Es ist eine Reise, die der Geschichte ihrer Bewohner nachspürt und Räume voller Rätsel präsentiert, die es zu entschlüsseln gilt. "Und es ist eine Verneigung vor dem Erbauer, Gebhard Zieher", sagt Helmut Zunhammer. Sein Schwiegervater war Goldschmied und Kirchenrestaurator und besaß bis in die Neunziger Jahre das Geschäft "Juwelier Mayer" in der Marktstraße.

Als Zunhammer vergangenen Sommer durch die leeren Räume der Einliegerwohnung im hippen Maisonette-Haus aus den Sechzigern ging, wusste er, dass er dort als Lebewohl nicht nur etwas veranstalten, sondern dabei die herkömmlichen Grenzen einer Ausstellung sprengen wollte. "Weil es ein Geschenk war, in diesem Haus zu leben", sagt der pensionierte Kunstlehrer, der lange am Weilheimer Gymnasium unterrichtete. Mit zwei kunstaffinen Freunden - dem Architekten und Produktdesigner Peter Fischer und dem malenden Ingenieur Wolf Jaenecke - entwickelte er Ideen. Die drei stellten etwas sehr Cooles auf die Beine: ein Kaleidoskop der verschiedensten Sinneseindrücke, das Kunst mit Sinnsuche verknüpft.

Beim Eintreten lässt man die Welt draußen abrupt hinter sich. Nichts, aber auch gar nichts erinnert mehr an die Wohnung, in der die Ziehers bis zu ihrem Tod in den Neunzigerjahren lebten. Ein abgedunkelter Raum, nein, eine Höhle empfängt den Besucher: an den Wänden archaische Reliefs und Felsbilder wie von Steinzeitmenschen gezeichnet, dazu malen Lichtprojektionen fließende Schatten an die Decke und umfangen sphärische Klänge den staunenden Betrachter. Ein paar Schritte weiter wartet ein vom Boden bis zur Decke mit Symbolen und Zeichen wie Iglus und Indianerwigwams bemalter Raum. "Die elementare Funktion des Wohnens als Schutzraum vor Naturgewalten oder als Rückzugsort ist ja längst aus den Köpfen verschwunden", sagt Peter Fischer. "Deshalb haben wir uns hier mit dem Sinn und Zweck menschlicher Behausung im Wandel der Zeit künstlerisch auseinandergesetzt." Und immer wieder skurrile Einfälle wie dieser: Vertrocknete Apfelbutzen, die zierlich an Fäden hängen - der Baum der Erkenntnis? Oder doch der Lebensbaum?

Ganz unten, im Herzen des Hauses, befinden sich noch drei weitere "Lebens"-Räume der Bewohner: Einer ist dem Goldschmied Gebhard Zieher gewidmet, eine altertümliche Drahtziehmaschine, mit der feine Silber- und Goldfäden gesponnen wurden, steht im Mittelpunkt. Eine mechanische Triumph-Schreibmaschine ist das Zentrum im tonnenförmig mit Papier ausgekleideten Zimmer nebenan. Auf dem eingespannten Bogen ist aus Hunderten Ziffern in verschiedenen Grauwerten das Porträt der Mutter getippt - die Erinnerung daran, dass sie einst das Büro erledigte. Das Endlospapier zieht sich bis an die Decke, verbindet sich mit den Silberdrähten des Vaters und endet bei dem gemeinsamen Porträt des Ehepaares: Keiner konnte ohne den anderen. Knallrot ist der letzte Raum mit einem Haufen neuer, zerknüllter Architektenpläne: Abschied vom Bestehenden, aber auch Symbol für den Aufbruch. Denn das alte Haus ist renovierungsbedürftig, der Garten zu groß. Das übersteigt die Kräfte der Zunhammers, die auf die 70 zugehen und sich schweren Herzens entschieden haben, einen Teil ihres Grundstücks zu verkaufen und mit dem Geld ein neues, altersgerechtes Häuschen zu bauen.

"Shelter in Transition", Höhenbergweg 27. Vernissage Samstag, 21. April, 19 Uhr, "Midissage" 5. Mai, Finissage 26. Mai. Öffnungszeiten jeden Sonntag 19 bis 20 Uhr (außer Feiertage), sowie nach Vereinbarung. Ende der Ausstellung wird mit dem Abriss des Hauses im Juni

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