Abschied aus dem Ickinger Gemeinderat:Von Meilensteinen und Zerreißproben

Abschied aus dem Ickinger Gemeinderat: Alfred Vogel, Sohn des Gründers des Ickinger Gymnasiums, ist in der Gemeinde aufgewachsen und hat die Kommune jahrzehntelang politisch geprägt.

Alfred Vogel, Sohn des Gründers des Ickinger Gymnasiums, ist in der Gemeinde aufgewachsen und hat die Kommune jahrzehntelang politisch geprägt.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Alfred Vogel hat es nicht wieder in den Ickinger Gemeinderat geschafft - ein Abschied nach 30 Jahren politischer Arbeit

Von Susanne Hauck, Icking

Wie, Alfred Vogel nicht mehr im Gemeinderat? Viele Bürger konnten es kaum glauben, dass Vogel trotz einem scheinbar sicheren Listenplatz zwei bei der Ickinger Initiative nicht mehr wiedergewählt worden war. Mit seinen schlohweißen Haaren und seinem besonnenen Auftreten ist der 78-Jährige so etwas wie der Grandseigneur der Ickinger Lokalpolitik. Dreißig Jahre lang saß er getreulich an der Seite von Vigdis Nipperdey, ebenfalls Ickinger Initiative, und sprang ihr mit wohlüberlegten Wortmeldungen bei, wenn im Gremium mal wieder alle aneinandergerieten. Vor sechs Jahren wurde aus dem eingespielten Duo mit Otto Güllich dann ein Trio.

Dass Güllich von Platz drei nach vorne gehäufelt wurde und an ihm vorbeizog, gönnt Vogel dem Vertreter der jungen Generation von Herzen. Schmerzlicher ist die Enttäuschung darüber, dass die Ickinger Initiative nun nur noch mit zwei Räten vertreten ist. Das lag daran, dass seine Wählergruppierung keinen Bürgermeisterkandidaten stellte, glaubt Vogel. Und vor allem hätten die machtvoll in den Gemeinderat drängenden Grünen dafür gesorgt, dass den anderen Parteien nun die Sitze fehlen. Vogel lässt durchblicken, dass er den frischen Wind begrüßt, der jetzt durch das Rathaus bläst. Er sorgt sich nur darum, dass die Anfangs-Euphorie der Neulinge bald wieder verweht sein könnte: "Das Durchhaltevermögen der Beteiligten muss sich erst erweisen."

An den Beginn seiner Amtszeit kann sich Vogel gut erinnern. Die Machtverhältnisse waren noch ganz anders, als er 1990 zum ersten Mal kandidierte. In den Achtzigerjahren hatten CSU und die Parteifreie Wählergemeinschaft (PWG) von Altbürgermeister Ludwig Stocker das Sagen gehabt, eine gewisse politische Ermüdung hatte eingesetzt. Als Stocker in den Ruhestand ging, stiegen viele neue Gruppierungen in den Wahlkampf ein, darunter die Unabhängige Bürgerinitiative (UBI) mit dem späteren Bürgermeister Hubert Guggenmos. Auch die frühere CSU-Gemeinderätin Vigdis Nipperdey ließ sich mit ihrer frisch gegründeten Ickinger Initiative nicht die Butter vom Brot nehmen und musste ihren Bekannten nicht lang zum Mitmachen überreden. "Als gebürtiger Ickinger war ich unheimlich interessiert, was im Ort politisch und gesellschaftlich los ist", erzählt Vogel. Der Sohn des Gründers des Ickinger Gymnasiums ist in der Gemeinde aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mit seiner Frau Ingrid, der "Seele" der Ickinger Nachbarschaftshilfe, lebt er in Walchstadt, die drei Kinder sind längst groß und haben ihnen drei Enkel beschert. Wenn Vogel die Jahrzehnte Revue passieren lässt, fällt sein Blick auf die Entwicklung der Gemeinde überwiegend wohlwollend aus, abgesehen von dem unaufhörlichen Zuzug, der die Grundstückspreise in astronomische Höhen treibt. Als größten Meilenstein in den vergangenen 30 Jahren nennt er den Glasfaserausbau, bei dem die Kommune sämtliche Ortsteile mit schnellem Internet versorgte. Auch für die grundsolide Haushaltsführung von Kämmerer Stefan Fischer findet er warme Worte.

Trotzdem war nicht alles eitel Sonnenschein in der beschaulichen Isartalgemeinde mit ihren 3500 Einwohnern. Immer wieder erlebte er, dass die Gemeinde vor Zerreißproben stand. Stets waren es Bauvorhaben, die die Ickinger so spalteten, dass es zum Bürgerbegehren kam. Was in den Neunzigerjahren der Streit um den Standort für den Sportplatz war, der eigentlich beim Gymnasium errichtet werden sollte und dann wegen Anwohnerprotesten nach Spatzenloh verlegt wurde, war in den Zehnerjahren die Huberwiese. Um den Erhalt der letzten noch freien Wiese innerhalb der Ortschaft wurde lang und erbittert gestritten. Auch jetzt noch kann Vogel den leisen Groll in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken, wenn er darüber spricht, wie sie die UBI überrumpelt hätte mit ihrem Plan, die als Grünfläche ausgewiesene Wiese in Bauland zu verwandeln. "Alles, was wir früher im Flächennutzungsplan beschlossen hatten, war plötzlich vom Tisch gewischt." Diese "unverständliche Aktion" hätten zu guter Letzt die Bürger mit ihrem Veto verhindert.

Die Bebauung des ehemaligen Reithallengeländes mit Hilfe eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans sieht Vogel als nächste düstere Wolke über Icking heraufziehen. "Die Gemeinde ist im Begriff, einen großen Fehler zu machen", hält er das Risiko für unverantwortlich, die Planung dem Grundstückseigentümer zu überlassen. "Denn der letzte, der etwas von den Plänen etwas zu sehen bekommt, ist der Gemeinderat." Aber da werde er nicht mehr aktiv mitwirken, sagt Vogel, der jetzt, wie er sagt, "zufrieden in den politischen Ruhestand" geht.

Auch wenn er die Wochenenden vor der jeweiligen Ickinger Gemeinderatssitzung nun nicht mehr durchackern muss, heißt das nicht, dass er in Zukunft die Hände in den Schoß legen wird. Nach wie vor fährt der promovierte Ingenieur täglich in sein Büro nach Martinsried, wo er Kunden aus der Computerbranche betreut. Und sollte er hier eines Tages kürzertreten, wartet neben diversen Reisezielen auch noch jede Menge Gartenarbeit auf ihn.

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