Süddeutsche Zeitung

Abriss vorerst vom Tisch:Historisches Gebäude bleibt stehen

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Der Eigentümer des Hauses an der Alpenstraße 14 hat seinen Abriss-Antrag bei der Stadt Wolfratshausen zurückgezogen. Der Historische Verein, der gegen die Pläne protestiert hatte, ist erleichtert und hofft, dass das Ensemble aus der NS-Zeit erhalten bleibt.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Gebäude an der Alpenstraße 14 in Wolfratshausen, für dessen Erhalt sich der Historische Verein mit Protestaktionen eingesetzt hat, soll nun offenbar nicht abgerissen werden. Der Eigentümer, der beim Landratsamt bereits die Abrissgenehmigung erwirkt hatte, hat laut Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) seinen Antrag auf Vorbescheid bei der Stadt zurückgezogen.

Die Neuigkeit hatte der Bürgermeister am Donnerstag bei einer Veranstaltung über historische Architektur verkündet, zu der der Historische Verein zusammen mit dem Verein "Lebendige Altstadt Wolfratshausen" und dem Werbekreis eingeladen hatte. "Das war die beste Nachricht des Tages", sagt die Vorsitzende des Historischen Vereins, Sybille Krafft. "Wir würden uns natürlich riesig freuen, wenn dieses wichtige Ensemble in seiner geschlossenen Form erhalten bleibt."

"So nationalsozialistisch das auch ist, ist es eben doch ein Zeitzeuge."

Das Haus gehört zu der historisch bedeutenden Siedlung, die in den Jahren 1936 bis 1939 nach dem Entwurf von Theo Lechner in der Alpen- und Schießstättstraße entstand. Gebaut wurden die im ländlichen Stil gehaltenen Häuser der Siedlung "Isarleiten" für höhere Angestellte der Geretsrieder Rüstungsbetriebe. Wie die Architekturhistorikerin Kaija Voss vom Historischen Verein sagt, handelt es sich um eines der wenigen komplett erhaltenen Ensembles im ideologisch geprägten Stil der NS-Zeit. "So nationalsozialistisch das auch ist", sagt sie, "ist es eben doch ein Zeitzeuge". Als die Abrisspläne für das Haus Nummer 14 in der Alpenstraße bekannt wurden, schrillten beim Historischen Verein die Alarmglocken. Die Mitglieder protestierten und sammelten Unterschriften. "Sobald man ein Haus abreißt und ein neues errichtet, zerbricht die ganze Siedlung von der Architektur", erklärt Voss. "Das ist nicht wiedergutzumachen."

Bedroht wird der Fortbestand des Ensembles als Ganzes durch einen für die Denkmalschützer unglücklichen Umstand. Denn dass das Landratsamt den Abriss vor etwa einem Jahr genehmigt hat, war nur durch eine Gesetzeslücke möglich: Inzwischen ist es in Bayern nicht mehr erlaubt, einzelne Gebäude eines geschützten Ensembles abreißen zu lassen. "Die Regierung hat eingesehen, dass es ein Fehler war", sagt Krafft - und verweist auf den einstimmigen Beschluss des bayerischen Landtags, mit dem die Lücke im Denkmalgesetz vergangenes Jahr geschlossen wurde. Von Schuldzuweisungen an die Behörden wegen Versäumnissen im Wolfratshauser Fall sieht sie aber ab. "Wir wollen da nicht nachtarocken, sondern nach vorne blicken", sagt die Vorsitzende des Historischen Vereins. "Wichtig ist, dass das Ensemble gerettet wird."

Ob das Haus jedoch tatsächlich gerettet ist, ist derzeit noch unklar. Man wisse nicht, wie es weitergeht, hat Heilinglechner erklärt. Der Stadt seien in der Sache die Hände gebunden.

Der Historische Verein hofft indes, dass seine öffentlichkeitswirksamen Aktionen für den Erhalt des Gebäudes im vergangenen Jahr auch den Eigentümer überzeugt haben. "Wenn unser Protest, unsere Gespräche, Briefe und Unterschriften zu einem positiven Ergebnis führen, freut uns das sehr", sagt Krafft. "Und es bestärkt uns in unserem Einsatz für historische Gebäude." Die Vereinsvorsitzende verweist auf zahlreiche positive Beispiele in der Siedlung: "Viele Nachbarn haben ja gezeigt, dass es geht, diese Häuser sehr gut zu sanieren und ein lebenswertes Umfeld zu schaffen", sagt sie. "Wir hoffen, dass sich der Eigentümer daran ein Beispiel nimmt", ergänzt Kaija Voss. Sollte es so sein, sagt Krafft, "beglückwünschen wir den Hausbesitzer zu dieser Entscheidung und würden gerne mit ihm anstoßen".

Die Siedlung gehört historisch zu dem Rathaus in Geretsried, das einst das Verwaltungsgebäude der Dynamit AG war, sowie zu den Häusern im heutigen Wolfratshauser Ortsteil Waldram, die einst für einfache Arbeiter der Geretsrieder Sprengstoffwerke errichtet und nach dem Krieg zum Lager Föhrenwald wurden. Dort hat Krafft zusammen mit ihrem Verein gerade das ehemalige Badehaus saniert. Die neue Dokumentations- und Begegnungsstätte soll noch in diesem Jahr eingeweiht werden. Weil die Baukosten um zirka fünf Prozent höher sind als geplant, hat nun auch der Kreistag einen Zuschuss von 31 000 Euro in Aussicht gestellt. "Das Erinnerungsprojekt hat wahrlich überregionale Bedeutung", sagt Krafft. Deshalb sei es gut, dass es nach Stadt, Freistaat, Bund und EU nun auch vom Landkreis gefördert werde. "Es ist ganz wunderbar, dass der Kreis jetzt geschlossen ist."

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SZ vom 31.01.2018
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