Abriss des Verstärkeramtes in Kochel:Affront gegen den Denkmalschutz

Experten äußern harsche Kritik daran, dass das historische Gebäude einem neuen Bauhof und Wohnungen weichen soll

Von Petra Schneider, Kochel am See

Der Gemeinderat hat kürzlich beschlossen, am Bebauungsplan und dem Abriss des denkmalgeschützten Verstärkeramts festzuhalten. Für den Weilheimer Architekten Heiko Folkerts ist dieser Beschluss "sehr unverständlich". Dass sich der Gemeinderat über die Entscheidung des Landesamts für Denkmalpflege hinwegsetzt, hält er für einen "Affront". "Wenn das Verstärkeramt zum Abriss freigeben wird, kann man das bayerische Landesamt für Denkmalpflege gleich begraben", schimpft der Architekt.

Kochel könne zu einem Präzedenzfall für ganz Bayern werden. Denn die Zukunft des Verstärkeramts sei nicht nur eine Landkreisfrage. In Kochel werde sich zeigen, "inwieweit die Koalition aus CSU und Freien Wählern hinter dem Denkmalschutzgedanken steht". Folkerts, Mitglied beim "Denkmalnetz Bayern", hatte Ende Juni eine Petition beim Landtag eingereicht, als die Abrisspläne der Gemeinde bekannt wurden. Im August stufte das Landesamt für Denkmalpflege das Kochler Verstärkeramt als Baudenkmal ein - der Bebauungsplan der Gemeinde, der einen Abriss und Neubau des Bauhofes, neue Wohnungen und Sozialräume vorsieht, war da allerdings schon einen Monat rechtskräftig. Weshalb die Landesbehörde das Gebäude aus dem Jahr 1927 nicht schon früher in die Denkmalliste aufgenommen hat, erklärt sich Folkerts damit, dass ein entsprechender Eintrag inzwischen nur noch sehr eingeschränkt vorgenommen werde. Der politische Druck sei hoch, man wolle Probleme mit Investoren vermeiden. Das Verstärkeramt sei architekturgeschichtlich jedoch von herausragender Bedeutung. "Das erkennt nicht jeder Laie auf den ersten Blick", sagt Folkerts.

Verstärkeramt Kochel

Die Fassade bröckelt, doch eine kleine Sanierungkönnte ausreichen, um das Verstärkeramt bezugsfertig zumachen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Sämtliche Fachleute seien sich darüber aber einig. Ob das Gebäude tatsächlich abgerissen werden darf, entscheidet das Landratsamt; die Abwägung zwischen Denkmalschutz und anderen öffentlichen oder privaten Belangen obliegt der Unteren Denkmalschutzbehörde. Eine Einschätzung sei derzeit noch nicht möglich, sagt Pressesprecherin Sabine Schmid. Die Gemeinde habe bislang keinen Antrag eingereicht. Eine Entscheidung falle nur unter Einbeziehung des Landesamts für Denkmalpflege, betont Schmid.

Für Folkerts ist dies vor allem eine politische Entscheidung, denn eine Empfehlung der Denkmalbehörde könne nur zugunsten des Verstärkeramts ausfallen. Eine Abrissgenehmigung für ein denkmalgeschütztes Gebäude hält der Architekt für "juristisch fragwürdig". Das Verstärkeramt verfüge über eine solide Bausubstanz. Mindestens sechs größere Wohnungen, davon eine bewohnt, befänden sich im Gebäude. Folkerts ist überzeugt, dass diese mit einer "kleinen Sanierung" bezugsfertig gemacht werden könnten. Auch ein Bauhofneubau sei auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Areal möglich, ohne das Verstärkeramt abzureißen. "Ein Platz ließe sich finden", glaubt er. Bedauerlicherweise sei Bürgermeister Thomas Holz (CSU) in diesen Fragen aber "beratungsresistent". Dass man in der Gemeinde bei Planungsbeginn nichts von der "Denkmalverdächtigkeit" des Verstärkeramts gewusst habe, bezweifelt Folkerts. Auch Kaija Voss ist "schockiert" über die Entscheidung. Für die Geretsrieder Architekturhistorikerin und Autorin ist sie ein weiteres Beispiel für den unzulänglichen Umgang mit Baudenkmälern im Landkreis: Voss verweist auf die denkmalgeschützte Max-Villa in Ammerland, die zusehends verfalle, ohne dass das Landratsamt dies verhindern könne. Bedroht sei auch ein Haus in der Wolfratshauser Alpenstraße, das zwar Bestandteil eines Denkmalensembles sei, aber abgerissen werden dürfe, weil es zur Zeit der Genehmigung eine Lücke im Bayerischen Denkmalschutzgesetz gegeben habe.

Verstärkeramt Kochel Innenansicht

Die Gemeinde will es aber abreißen und Wohnungen bauen.

(Foto: oh)

Der Abriss drohe nun auch dem Verstärkeramt, "einem bedeutenden Zeugnis der Bayerischen Postbauschule, die als wichtigste Manifestation des Neuen Bauens in Süddeutschland gilt". In den Beispielen aus Münsing, Wolfratshausen und Kochel gehe es "um den Abriss oder den bewussten Verfall von Kulturgut", sagt Voss. Ihr Eindruck ist, dass im Zweifelsfall gegen das Denkmal und für den Eigentümer entschieden werde.

Die Gemeinde hat das Verstärkeramt-Areal an der Bahnhofstraße von der Telekom gekauft. Insgesamt sollen dort 21 barrierefreie Wohnungen im kommunalen Wohnungsbau entstehen, außerdem der neue Bauhof, Räume für Jugend und Vereine sowie zwölf Obdachlosenunterkünfte. Für Teilabbruch und Neubau wurde bereits 2015 ein Vorbescheid genehmigt; Mittel aus dem Kommunalen Wohnraumförderprogramm sind zugesagt. Ein denkmalgerechter Umbau des Verstärkeramts ist nach Ansicht der Gemeinde weder finanziell noch von den räumlichen Gegebenheiten her machbar.

Für Voss würde Kochel mit dem Abriss eine Chance verschenken: Denn mit dem Verstärkeramt, dem Walchenseekraftwerk und der ehemaligen Verdi-Bildungsstätte aus dem Jahr 1930 könnte sich die Gemeinde als Zentrum für die Wegbereiter der architektonischen Moderne in Bayern überregional präsentieren.

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