75-Jahr-Feier in Waldram:Sparsamer Festgast

75-Jahr-Feier in Waldram: Feiern in Corona-Zeiten: Die Rede der Vorsitzenden Sybille Krafft wird im Badehaus per Video ins Erdgeschoss übertragen.

Feiern in Corona-Zeiten: Die Rede der Vorsitzenden Sybille Krafft wird im Badehaus per Video ins Erdgeschoss übertragen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Kultusminister Piazolo sagt Badehausverein nur eine Einmalförderung zu

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Die Ehrenamtlichen des Badehausvereins Waldram werden vorerst nicht auf große staatliche Unterstützung bauen können. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) beschränkte sich beim Festakt zu "75 Jahre DP-Lager Föhrenwald" am Sonntag mit Verweis auf die Haushaltslage auf die vage Zusage einer einmaligen projektbezogenen Förderung. Der Ruf des Badehausvereins nach finanzieller Unterstützung war jüngst immer lauter geworden. Erhört hat ihn bislang nur die Stadt Wolfratshausen.

In seiner Festrede fand der Minister zwar viele schöne Worte für die Tatkraft des Vereins und die Bedeutung des Erinnerungsorts. Doch er zähle sich zu den eher sparsamen Menschen, sagte Piazolo. Er vermute jedoch, dass die Badehaus-Vorsitzende Sibylle Krafft "gute Ideen" habe. "Zusammen können wir überlegen, was wir machen." Er beauftragte Krafft damit, ein Projekt "zu stricken", das er finanziell zu unterstützen versprach, "wenn der Haushalt es zulässt". An Ideen dürfte es der Historikerin nicht mangeln. So verpflichtete Krafft in ihrer Begrüßungsrede den unter den Festgästen weilenden früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber kurzerhand dazu, ihr für die Medienstation des Museums Rede und Antwort zu stehen. "Denn Sie sind ja als echter Waldramer ein echter Zeitzeuge."

Vor 75 Jahren sammelten sich in Föhrenwald, dem späteren Wolfratshauser Ortsteil Waldram, jüdische Holocaust-Überlebende, in der Hoffnung, unter dem Schutz der Amerikaner ein neues Leben zu beginnen. Es war eines der größten und am längsten existierenden Lager für "Displaced Persons" in Europa. Das große Zeitzeugentreffen zum Jubiläum musste wegen der Corona-Pandemie zusammengestrichen werden. Immerhin, unter den rund 100 Eingeladenen war eine Handvoll ehemaliger Föhrenwalder, die sich mit politischen Ehrengästen wie dem Wolfratshauser Bürgermeister Klaus Heilinglechner, Landrat Josef Niedermaier und der israelischen Generalkonsulin Sandra Simovich coronakonform auf drei Etagen verteilten.

Einen spannenden Einblick in ihre ungewöhnliche und schwierige Familiengeschichte mit christlich-jüdischen Eltern gab die Zeitzeugin Esther Alexander-Ihme, die 1955 in Wolfratshausen geboren wurde und ihre ersten zwei Lebensjahre im Lager Föhrenwald verbrachte. Die Mutter stammte aus einem kleinen Bauerndorf bei Landsberg und fand nach dem Krieg eine Anstellung in einem DP-Lager, wo sie ihren zukünftigen Mann kennenlernte, einen Holocaust-Überlebenden. 1952 ging das deutsch-jüdische Ehepaar nach Föhrenwald. Es sei die schönste Zeit ihres Lebens gewesen, habe die Mutter immer berichtet, die als Christin gut in das "Stetl" integriert gewesen sei, Jiddisch sprechen und koscher kochen gelernt habe. Der Vater verdiente als fliegender Wäsche-Händler das nötige Geld. Über seine schlimmen Erinnerungen habe er nie gesprochen.

Vor 40 Jahren hat sich die in Frankfurt lebende Esther Alexander-Ihme mit ihrer Mutter schon einmal auf Spurensuche nach Waldram gemacht. Damals allerdings war es eine enttäuschende Erfahrung, weil sich niemand für die Vergangenheit des Orts interessierte. Eine Hausbewohnerin, mit der sie sich über den Gartenzaun unterhielten, hätte gedankenlos lediglich auf ihre eigene Biografie als Vertriebene verwiesen. "Ich bin unglaublich froh, dass das Interesse jetzt da ist", schloss Alexander-Ihme.

Premiere feierte nicht nur die Ausstellung der Geretsrieder Fotografin Justine Bittner mit Porträts von Zeitzeugen, die sie bei der Museums-Eröffnung vor zwei Jahren gemacht hat. Auch der halbstündige Film "Von Zeit und Hoffnung" war erstmals zu sehen. Junge Mitarbeiter des Badehauses um Sebastian d'Huc haben ehemalige Föhrenwalder, die heute in Israel leben, nach ihren Erinnerungen befragt. Der Film kann in Kürze kostenlos auf der Homepage des Vereins abgerufen werden, ebenso wie ab 1. November der Zusammenschnitt des Festakts.

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