Versammlung in Icking:"5 G ist ein Brandbeschleuniger"

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Etwa 200 Interessierte folgen einer Einladung zu einem Informationsabend über Mobilfunk ins Dorfener Vereineheim. Am Ende der dramatischen Warnungen eines Mediziners wollen Isartaler eine Bürgerinitiave gründen.

Von Claudia Koestler, Icking

Wie sehr ein Thema bewegt, lässt sich manchmal an ganz banalen Dingen bemerken: "Da draußen tobt der Mob wegen Parkplätzen", konstatierte am Dienstagabend ein Besucher vor dem Dorfener Vereineheim. Denn der Andrang war riesig, als einige Bürger und Mediziner aus dem Isartal zu einer Informationsveranstaltung "5 G" einluden, dem neuen Mobilfunkstandard, der derzeit flächendeckend ausgebaut werden soll. Am Ende des Abends waren sich die etwa 200 Anwesenden einig: Auf allen Ebenen wollen sie Widerstand gegen den Ausbau leisten, denn sie eint die Sorge um die Auswirkungen, die diese Strahlung mit sich bringen wird. Die Bedenken reichen von gesundheitlichen Folgen und Klimaerwärmung über Bienensterben und Ressourcenausbeutung bis hin zur totalen Überwachung.

Dramatische Szenarien, die der Referent und Mediziner Wolf Bergmann dem Publikum eindrücklich nahezubringen versuchte. Seine Thesen allerdings waren nicht neu: Die dargelegten Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung - überwiegend biologische Fehlinformationen im Körper, die durch die technischen Informationen ausgelöst würden - werden bereits seit Jahren von Kritikern über die früheren Mobilfunkstandards Bluetooth, UMTS, LTE, 3g, 4G, Wlan und andere genannt. Nach Angaben von Bergmann greifen alle diese Strahlungen tief in die Lebenssteuerung ein und zwingen den Körper zu Reaktionen. Seine These: "Mobilfunk macht nicht nichts, Mobilfunk macht krank." Und diese Krankheiten reichen ihm zufolge von oxydativem und nitrosativem Stress und der Erschöpfung der Zellenergie über Brüche in der Erbsubstanz, der Bildung von freien Radikalen, der Schädigung der Zellmechanismen bis hin zu Krebs. Zudem werde die sogenannte Blut-Hirn-Schranke geöffnet, womit Eiweiße und schädliche Substanzen im Blut wie etwa Schwermetalle in das empfindliche Gehirn gelangen könnten.

Grenzwerte könnten hier nicht schützen, denn diese beachten laut Bergmann lediglich die thermische Auswirkung eines Geräts, nicht aber die biologische. Und dass bislang keine belegten Krebsanstiegsraten vermeldet werden, liegt ihm zufolge daran, dass Deutschland kein Krebsregister habe. Weltweit aber, sagte er, gehe er davon aus, dass die Krebsrate bis zum Jahr 2034 um 70 Prozent steigen werde. Argumente mithin, die viele unter den Zuhörern bereits seit Jahren, teils Jahrzehnten gekannt haben dürften, weil sie bereits vor den Einführungen früherer Mobilfunkstandards genannt wurden. Allerdings waren im Dorfener Vereineheim auch zahlreiche junge Menschen vertreten - und fast durch die Bank lagen vor ihnen Smartphones auf dem Tisch.

Die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5 G allerdings wird laut Bergmann alles bisherige in den Schatten stellen. Denn ihm zufolge soll dann flächendeckend alle 100 bis 150 Meter eine Sendestation eingerichtet werden, damit auch jedes Funkloch geschlossen wird, plus Tausende von Satellitenantennen. Und diese Sendestationen kämen zu den bisherigen hinzu. Nötig sei diese lückenlose Dichte für die ungeheuren Datenmengen, die in Zukunft verschickt würden, etwa für das sogenannte autonome Fahren (selbstfahrende Autos) und die kompletten Vernetzung mit smarten, internetfähigen Geräten im Haushalt, das sogenannte Internet der Dinge. Zu den gesundheitlichen Risiken speziell von 5 G merkte eine Veterinärmedizinerin an, dass in China, wo der Mobilfunkstandard bereits laufe, werdenden Müttern per Gesetz ein Bauchschutz verordnet werde.

5 G sei zudem ein "Brandbeschleuniger für den Klimawandel", sagte Bergmann, denn die dann überall verbauten, funkenden Endgeräte heizten die Umgebungsluft auf, seien Energiefresser und verbrauchten zudem Unmengen sogenannter Seltener Erden.

"5 G bedeutet zudem die Perfektion der totalen Überwachung", so der Referent. In einer Broschüre der Bundesregierung mit dem Titel "Smart City Charta" sei von einer "Post-Voting-Society" die Rede, sagte er. In einer solchen "Nach-Wahlen-Gesellschaft" könnten verhaltensbezogene Daten, die von den Bürgern quasi lückenlos und permanent erfasst werden, die bisherige Demokratie als gesellschaftliches Feedbacksystem ersetzen. Der Mensch werde so lesbar gemacht, dass er auch steuerbar, vorhersehbar, kontrollierbar werde, so Bergmanns Befürchtung. Er frage sich, ob das nun "Fortschritt oder fortschreitende Verantwortungslosigkeit" sei. Sein Fazit deshalb: "Keine Einführung von 5 G ohne vorherige Abklärung der Risiken."

Vor der anschließenden Diskussion kündigte Nina Pszolla an, eine regionale Bürgerinitiative (BI) zu dem Thema gründen zu wollen, eventuell für das gesamte Isartal. Allerdings hatten zu diesem Zeitpunkt einige Anwesende den Saal bereits verlasen. Der Wolfratshauser Grünen-Stadtrat Hans Schmidt - seit Jahren bereits seit in einer BI Mobilfunk aktiv - rief dazu auf, in jeder Kommune eine Bürgerversammlung zu dem Thema einzuberufen. Eine Vertreterin der bereits aktiven BI Huglfing forderte, dass auf jeden Fall die jeweiligen Gemeinderäte mit ins Boot zu holen und zu informieren seien. Die Bürger und die Bürgerinitiativen sollten sich zudem vernetzen - analog natürlich. Und Pszolla schloss mit dem Vorsatz: "Wir machen auf allen Ebenen weiter."

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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