Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Ein Blick fürs Spektakuläre

Fotograf Wolfgang Volz dokumentierte über Jahrzehnte das flüchtige Werk von Christo und Jeanne-Claude. Eine Ausstellung in Ottobeuren erzählt von dieser langjährigen Beziehung. Christos letzte große Verhüllungsarbeit wird in wenigen Tagen in Paris sichtbar.

Von Sabine Reithmaier, Ottobeuren

Das "Museum für zeitgenössische Kunst - Diether Kunerth" ist ein beeindruckender Bau, mitten im Ortskern von Ottobeuren. Der sanft geschwungene Kubus mit seiner bronze- und messingfarbenen Fassade und seiner zurückhaltenden Betonwelt auf mehreren Ebenen im Inneren eignet sich hervorragend für zeitgenössische Kunst. Nicht nur für die Bilder Dieter Kunerths, des einheimischen Malers, dessen Namen das Museum trägt, sondern auch für viele andere. Jetzt zum Beispiel gehört das ganze Haus dem Fotografen Wolfgang Volz.

Seit Beginn der 1970er Jahre arbeitete Volz mit Christo und Jeanne-Claude zusammen, erst nur als Fotograf des berühmten Valley-Curtain-Projekts. Später fotografierte er nicht nur exklusiv für sie, dokumentierte jeden Arbeitsschritt der einzelnen Vorhaben, sondern koordinierte und organisierte auch zahlreiche Projekte. Unschwer sich vorzustellen, wie mühselig die Vorbereitung der Aktionen war, wie zäh der Umgang mit Behörden. Im Museum sind in den meisten Fällen nur die fertiggestellten Projekte zu sehen. Wunderbare großformatige Aufnahmen der spektakulären, stets selbst finanzierten, nie käuflichen Kunstaktionen, mit denen dieses ganz besondere Paar den Blick auf Gebäude und Landschaften verändert und geschärft hat.

Weltberühmt sind der verhüllte Berliner Reichstag (1995), die "Surrounded Islands" (1983), die tausende parallel in Japan und den USA installierten "Umbrellas" (1991) oder die "Floating Peers" im Iseo-See in Oberitalien (2016). Die ermöglichten Millionen Menschen, über Wasser zu gehen. Volz hat sich nie mit der Rolle des Hausfotografen begnügt, sondern seine Fotos - das stellt man beim Rundgang schnell fest - immer fabelhaft inszeniert. Seine spektakulären Arbeiten sind zweifellos ein wesentlicher Bestandteil des vergänglichen Werks des Paars, dem es wichtig war, dass nach der Aktion zumindest vor Ort nichts mehr an das Projekt erinnerte. Volz verantwortet auch die aktuelle, letzte große Verhüllungs-Arbeit von Christo am Arc de Triomphe, die offiziell vom 18. September an zu sehen sein wird.

Beeindruckend war auch die Aktion "Running Fence", ein Zaun aus 200 000 Quadratmetern schwerem weißen Nylongewebe, das von einem Stahlkabel herabhing. 5,5 Meter hoch und fast 40 Kilometer lang erstreckte er sich 1976 vom Norden San Franziscos bis hin zur Bodega-Bucht im Pazifischen Ozean. Dass es Christo und Jean Claude schafften, mit 59 Ranchern klarzukommen, über deren Gebiet der Zaun lief, nötigt Museumsleiter Markus Albrecht hohen Respekt ab. "Wenn ich mir das hier mit Allgäuer Bauern vorstelle..."

Sieht ganz so aus, als würde das Ottobeurer Museum nach schwierigen Anfangsjahren inzwischen passabel laufen. Albrecht, der zweite Bürgermeister und Kulturreferent des Ortes, der sich erst nur als Interimsmanager um Finanzen und Organisation kümmern sollte, hat sich als Chef gut eingearbeitet. 2015 hat er die Leitung des Hauses übernommen, nachdem vier Vorgänger das Handtuch geworfen hatten. Er hat durchgesetzt, dass im Haus auch Ausstellungen stattfinden dürfen, in denen kein einziges Kunerth-Gemälde in dem nach ihm benannten Haus hängt. Den Besucherzahlen hat diese Entscheidung jedenfalls gutgetan.

Wolfgang Volz - Das Auge von Christo und Jeanne-Claude , bis 24.10., Museum für zeitgenössische Kunst - Dieter Kunerth, Ottobeuren

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