Süddeutsche Zeitung

Erinnerungen an Wolfgang Petersen:"Ich habe nicht selten ihn gespielt - auch in der Rolle des Alten im Boot"

Jürgen Prochnow, Nastassja Kinski, Matthias Schweighöfer, Günter Rohrbach und viele andere Freunde und Bewunderer erinnern sich an den großen deutschen Filmemacher Wolfgang Petersen.

Protokolle von Susanne Hermanski

Jürgen Prochnow, Schauspieler

Ich bin in einem Schockzustand. Erst zu meinem Geburtstag vor zwei Monaten haben wir zusammen telefoniert, wir waren in etwa gleich alt. Wir sind über die Arbeit Freunde geworden. Das war die beste Erfahrung in meinem langen Theater- und Filmleben. Ich habe zum ersten Mal in seinem "Tatort" gespielt - vor 50 Jahren. Bis dahin war ich ganz auf Theater eingestellt, und war bei Zadek in Bochum an der Schaubühne. Wolfgang hat mich eingeführt in das Arbeiten für den Film. Er hat mir klargemacht, was es heißt, in einer Großaufnahme zu sehen zu sein. Er hat mir beigebracht, Freude an diesem Beruf zu gewinnen - die vorher so gar nicht dagewesen ist. Die Art wie er ein Team führen konnte, war einzigartig, ganz natürlich, nie aufgesetzt. Er stand als Regisseur immer dicht neben der Kamera, damals gab es diese Monitore noch nicht. Man hat als Schauspieler ja nur diese Kamera, in die man hineinspielt. Ich hatte das Gefühl, ich habe in den Rollen einen Teil seiner selbst wiedergegeben. Ich habe nicht selten ihn gespielt - auch in der Rolle des Alten im "Boot", ihn mit seiner Genauigkeit und künstlerischen Ernsthaftigkeit. Ich habe so viele Erinnerungen an all die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, auch an die schweren Momente, durch die er mir geholfen hat.

Günter Rohrbach, Produzent

Er war ein unerschütterlicher Optimist, als Haltung zum Leben war das immer schon amerikanisch. Der Tod war da keine Option. Die Entdeckung seiner Krankheit, ausgelöst durch einen Zufall, feierte er, ihrer Früherkennung wegen, als Erfolg. Das sollte sich freilich wenige Wochen später als schrecklicher Irrtum erweisen. Aber auch da behielt er den Kopf hoch, absolvierte er die Chemo mit Bravour und ohne Nebenwirkungen. Selbst die deprimierende Erkenntnis einer Nachuntersuchung verformte sich aus seinem Mund zu einer Harmlosigkeit. Drei Wochen vor seinem Tod hatten wir unser letztes Telefonat. Er liebte diese Gespräche, die sich oft über Stunden ausdehnten, es war die Form, in der wir zuletzt unsere Freundschaft lebten. Er konnte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ohne Sauerstoffgerät sein. Aber er ließ nicht zu, dass das jetzt eine Rolle spielte, wir plauderten wie immer, wir lachten wie immer, und als er spürte, dass er es nicht weiter schaffte, nahmen wir Abschied wie immer. So war er, so gelang ihm dieses grandiose, von vielen Erfolgen geprägte Leben, das er so liebte und in dem er sehr viel Liebe verströmen konnte. In den frühen Morgenstunden des 12. August brach dieser große Regisseur, dieser wunderbare Mensch, liebevoll geleitet von seiner Frau Maria, auf zu seinem letzten Set.

Nastassja Kinski, Schauspielerin

Wolfgang Petersen hat mir in meinem Leben eine große Chance gegeben. Als ich noch sehr jung war, ein Teenager, 15 Jahre alt, durfte ich einen meiner ersten Filme mit ihm drehen. Das war ein "Tatort", für die ARD. Es war mir anfangs nicht bewusst, wie wichtig diese Art Filme sein können. Wie so etwas auch helfen kann voranzubringen, was mir seit langer Zeit ein wichtiges Anliegen ist: Kinder besser vor Gewalt zu schützen. Wolfgang sah das wie ich. Schon immer hat er den Kampf für Mut und Gerechtigkeit in seine Filme integriert. Heute Nacht sah ich die Nachrichten, und ich werde ihn für immer vermissen.

Roland Emmerich, Regisseur

Er war ein großartiger Filmemacher, einer der ganz Großen. Dabei war Wolfgang der liebste Mensch. Warm und herzlich. I really miss him a lot.

Katja Eichinger, Autorin

Im Making-of von "Die unendliche Geschichte" wird gezeigt, wie das Pferd Artax in den Sümpfen der Traurigkeit versinkt und Atreju vergeblich versucht, seinen Freund zu retten. Dabei ist auch immer wieder Wolfgang Petersen zu sehen, und wie er mit seinen Darstellern leidet. In seinem Gesicht spiegeln sich die ganze Verzweiflung und der Schmerz der Szene. Laut Bernd war es diese Fähigkeit zur Empathie mit seinen Figuren, seinen Schauspielern und damit eben auch mit seinem Publikum, gepaart mit einer unvergleichlichen Hartnäckigkeit, den bestmöglichen Film zu drehen, die Wolfgang zu einem solchen Ausnahmeregisseur gemacht haben. "Das Boot" ist der "Citizen Kane" aller U-Boot- und modernen Hochsee-Filme. Wolfgang Petersen hat nachhaltig die Bildsprache des modernen Kinos mitgestaltet, und dazu war er noch ein wunderbar liebenswürdiger Mensch.

Martin Moszkowicz, Produzent

Die Filmbranche verliert einen der großen Filmemacher. Wolfgang Petersen hat Filmhistorie geschrieben. Klassiker wie "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" sind Teil der gemeinsam Geschichte von Wolfgang Petersen und der Constantin Film. Wir trauern mit Angehörigen, Freunden und Kollegen um einen außergewöhnlichen Filmemacher.

Olaf Scholz, Bundeskanzler

Die unendliche Geschichte von Wolfgang Petersen ist zu Ende gegangen. "Das Boot" und viele andere seiner Filme leben weiter - und zwar weit über Deutschland hinaus. Das besondere Verdienst eines besonderen Erzählers (schrieb der Kanzler auf Twitter).

Claudia Roth, Kulturstaatsministerin

Mit Wolfgang Petersen verlieren wir einen großartigen Regisseur, der seit den Siebzigerjahren mit seinen Arbeiten für Fernsehen und Kino Maßstäbe für gleichermaßen packendes wie ambitioniertes Erzählen gesetzt hat. Seine mehrfach für den Oscar nominierte Romanadaption von Lothar-Günther Buchheims "Das Boot" gilt nach wie vor als Meilenstein in der deutschen Filmgeschichte. Mit seinen vielen internationalen Erfolgen wie "Das Boot", "Die unendliche Geschichte", "In The Line of Fire" oder "Air Force One" begeisterte er weltweit ein Millionenpublikum. Ein Remake seiner Komödie "Vier gegen die Bank" führte ihn 2016 nach Deutschland zurück. Sein Publikum wird ihn sehr vermissen.

Matthias Schweighöfer, Schauspieler

"Lieber Wolfgang. Danke für alles. Danke für Hollywood. Danke für deine Menschlichkeit. Danke für deinen Pathos. Wir werden dich vermissen. Gute Reise" (schrieb der Schauspieler und Produzent auf Instagram).

Diana Iljine, Leiterin Filmfest München

Wolfgang Petersen hat mich schon als Studierende begeistert. "Das Boot" mit seinem detailgetreuen Nachbau - das war Innovation, Kreativität, Wagnis und zugleich sein Durchbruch. 2013 zeigte das Filmfest München die restaurierte Fassung von "Die unendliche Geschichte" in einem Special Screening. Fiktion im besten aller Sinne! Seine folgende Hollywood-Karriere ist tief beeindruckend für mich: Mit seinem Enthusiasmus, seiner Eigensinnigkeit und seinem Blick nach vorn konnte er sich auch dort behaupten, was so ja nun wirklich nur wenigen gelingt. 2019 sah ich ihn noch auf dem Empfang zum 100. Geburtstag der Bavaria Film, der während des Filmfests in München stattfand. Nun ist dieser großartige Regisseur von uns gegangen, doch sein Boot wird immer fahren!

Bettina Reitz, Präsidentin der HFF

Wer den Namen Petersen trägt, kann kaum ein gebürtiger Bayer sein. Trotzdem verortete ich als Wahl-Münchnerin die großen deutschen Erfolge mit Ausnahme-Talent Wolfgang Petersen immer in Bayern. Ob sein beachtlicher internationaler Erfolg auch ohne die Bavaria, Günter Rohrbach sowie Bernd Eichinger und die Constantin möglich gewesen wären, lässt sich im Nachhinein nicht mehr eindeutig belegen. Aber in jedem Fall wissen wir, dass seine internationale Karriere durch die Zusammenarbeit mit diesen beiden Personen bei "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" untrennbar verbunden ist. Seine frühen Tatorte wie "Kurzschluss" oder "Reifezeugnis" hatten bereits bei mir persönlich tiefe einschneidende Seh-Erlebnisse hinterlassen, die ich sonst nur von Kinobesuchen kannte. Und dass sein Film "Die Konsequenz" seinerzeit beim BR zu einer Abschaltung während der Ausstrahlung geführt hatte, erinnert bis heute an vorausschauende visionäre Kraft und unbeirrbares Durchsetzungsvermögen. Schade für uns nur, dass er nicht an der HFF München sondern an der DFFB in Berlin studiert hat, denn die DFFB startete mit ihrem Lehrbetrieb etwas schneller. Und schon damals wollte Wolfgang Petersen ganz vorne sein. Er ist es als filmischer Visionär sein Leben lang geblieben.

Christian Franckenstein, CEO Bavaria Film

Mit großer Trauer haben wir von Wolfgang Petersens Tod erfahren. Insbesondere durch den filmischen Meilenstein "Das Boot" ist sein Name untrennbar mit der Bavaria Film verbunden. Wolfgang Petersen wird als einer der größten Filmemacher aus Deutschland in Erinnerung bleiben. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, Angehörigen sowie Freundinnen und Freunden.

Judith Gerlach, Bayerns Digitalministerin

Mit Wolfgang Petersen geht ein Regisseur von uns, der nicht nur deutsche, sondern internationale Filmgeschichte geschrieben hat. Sein großer Durchbruch auf der Weltbühne gelang in München mit "Das Boot", das in den Bavaria Filmstudios gedreht worden ist, und für das er 1981 den Bayerischen Filmpreis erhalten hat.

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