Ehrenkreuz für Künstler Wolfgang Flatz„Erst haben sie mich ins Irrenhaus gesteckt, jetzt verleihen sie mir einen Orden“

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Professor Wolfgang Flatz erhält in der Österreichischen Residenz zum Ehrenkreuz auch eine Urkunde durch Generalkonsulin Eva Maria Ziegler.
Professor Wolfgang Flatz erhält in der Österreichischen Residenz zum Ehrenkreuz auch eine Urkunde durch Generalkonsulin Eva Maria Ziegler. (Foto: Felix Hörhager)

Wolfgang Flatz besaß einen Hund namens Hitler und hat auch sonst nie die Provokation gescheut. Jetzt erhält der Münchner Aktionskünstler die höchste Auszeichnung seiner alten Heimat.

Von Susanne Hermanski

Wolfgang Flatz hat es sich und anderen nie leicht gemacht. Der Künstler ließ sich wie ein Glockenschwengel kopfüber und nackt so lange zwischen zwei Stahlplatten hin und her schlagen, bis er bewusstlos war. Er ließ Dartpfeile auf sich werfen, bis er blutete, und zuletzt, in der Pinakothek der Moderne, seine Haut zur Versteigerung anbieten. Dass in diesem Mann ein Schmerz wohnt, der nach außen drängt, ist sein Leben, seine Kunst.

Wie viel das mit seiner Kindheit zu tun hat, weiß jeder, der Flatz schon einmal über seinen Vater hat erzählen hören. Wie der ihn immer wieder mit dem Kochlöffel grün und blau schlug. Bis der junge Wolfgang dem Herrn Vater eines Tages, als dieser ihn wieder einmal in die Küche geschickt hatte, um selbst sein Marterinstrument zu holen, statt des Holzlöffels etwas anderes brachte: ein Messer. Der Vater nahm es, aber er schlug nie wieder zu.

Bald fünf Jahrzehnte später, an diesem sonnengeküssten Abend in der Münchner Residenz der Österreichischen Generalkonsulin in Bogenhausen, erhält Wolfgang Flatz einen Orden: das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, die höchste Auszeichnung, die sein Vaterland zu vergeben hat, „an Personen, die sich durch besonders hochstehende schöpferische Leistungen allgemeine Anerkennung und einen hervorragenden Namen erworben haben“. So steht es in den Regularien.

„Erst haben sie mich ins Irrenhaus gesteckt, jetzt verleihen sie mir einen Orden“, sagt Flatz beim Empfang und erklärt in seiner Dankesrede, wie es damals zu der Einweisung kam. Er hatte sich, mit einer Schautafel in der Hand, an den Rand einer Landstraße gestellt, auf der er drei Jahre zuvor einen schweren Autounfall verursacht hatte. „Es war eine Schweige-Performance“, erzählt er. Als Polizisten kamen, um ihn davon abzubringen, schwieg er weiter. Sie ließen ihn in die Psychiatrie einweisen, wo man ihn zusammen mit 36 anderen in einem Saal an Händen und Füßen fixierte.

Tags darauf sei ein junger Assistenzarzt gekommen, um mit ihm zu sprechen, „der ein Grundverständnis von der Kunst hatte“, erzählt Flatz. Dem habe er zu verdanken, dass er dem Klinikchef vorgeführt wurde, der ihn wütend und mit der Drohung entließ, würde Flatz noch einmal eingewiesen, käme er mindestens sechs Jahre nicht mehr raus.

„Da wusste ich: Ich muss Österreich verlassen und bin nach München gegangen.“ Als er dem Vater sagte, er wolle Künstler werden, entgegnete der, das seien  „alles Asoziale“, und so werde er „auch enden“.

Flatz ist in Dornbirn, wo er 1952 geboren wurde, mittlerweile ein eigenes Museum gewidmet. Er hat Kunstpreise erhalten, Wissenschaftler haben über sein Werk geschrieben. Und dass er nun diesen, seinen bislang einzigen Orden erhalten hat, dafür dankt er Eva Ziegler. Die Österreichische Generalkonsulin hat das angeregt. Sie ist selbst nicht nur erfahren mit den Grausamkeiten der Welt. Sie ist eine kunstsinnige Frau und besitzt eine Ausbildung als klassische Sängerin. Sie wird München bald wieder verlassen, um die letzten zwei Jahre ihrer Karriere in der alten Heimat im Ministerium für einen Bereich der Welt zuständig sein, den sie gut kennt: den Nahen Osten und Nordafrika.

Flatz hat sie erst vor gut einem Jahr kennengelernt, hier in München, wo er aufs Konsulat gekommen ist, um seinen österreichischen Pass verlängern zu lassen. Denn den hat er trotz seines Aufbruchs nach Deutschland, zum Studium, nie zurückgegeben. Woher man kommt, das kann man schwerlich abstreifen. Und Flatz, so sagt er zum Ende seiner Rede an diesem festlichen Abend, der ganz allein ihm gilt: „Ich bedauere, dass mein Vater hier und heute nicht mehr dabei sein kann. Ich hätte ihm das Kreuz gern gezeigt. Vielleicht hätte ich es ihm sogar geschenkt.“

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