Münchner Wirtschaftsleben:"Das 9-Euro-Ticket war ein Geschenk für die Innenstadt"

Münchner Wirtschaftsleben: Der Kümmerer: Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von City Partner München, vertritt die Interessen der Münchner Unternehmen in der Innenstadt. Er selbst wohnt in der Maxvorstadt.

Der Kümmerer: Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von City Partner München, vertritt die Interessen der Münchner Unternehmen in der Innenstadt. Er selbst wohnt in der Maxvorstadt.

(Foto: Robert Haas)

Wolfgang Fischer ist Geschäftsführer des Vereins "City-Partner." Er kümmert sich darum, dass das Zentrum belebt ist. Und wer wissen will, was in der Stadt gerade läuft, bekommt immer eine Antwort von ihm.

Von Sabine Buchwald, München

Während andere noch hadern, hat Wolfgang Fischer sich oft schon eine Meinung gebildet. Bereits im Frühsommer sprach er sich für das Oktoberfest 2022 aus. Da wägten andere noch die Risiken ab. Die hatte auch Fischer im Kopf, aber er ist ein Optimist. Das Hadern ist nicht seine Sache. "Vor allem weil die Wiesn für das Lebensgefühl der Menschen wichtig ist", sagt Fischer.

Er denkt oft schneller als andere. Wenn er sich in einer Sache auskennt auf jeden Fall. Geht es um München, dann kennt sich Fischer aus. Nicht als Historiker, sondern als ein Mann der Gegenwart, in der es um Business-Themen, Tourismus und Mobilität geht. Man muss Fischer manchmal einbremsen, wenn man mit ihm spricht. Er kennt das, lächelt dann höflich und wiederholt seinen Satz auch gerne ein oder auch zweimal.

Fischer, 61, ist Geschäftsführer von City Partner München e.V. Seit 18 Jahren vertritt er in dieser Position die branchenübergreifende Vereinigung der Unternehmen der Münchner Innenstadt. Er versteht sich als "Citymanager" der Stadt. So steht es in seinem Lebenslauf. Dort liest man freilich nicht seinen Spitznamen "City-Fischer". Wer mit ihm zu tun hat, nennt ihn so insgeheim. Das sind Mitarbeiter der Stadt, Politiker, Vertreter der Firmen, Juristen, Pressesprecher, Journalisten. Sein Handykontakt dürfte einer der meist gespeicherten Münchner Nummern sein. Wer wissen will, was hier gerade läuft und was geplant ist, bekommt immer eine Antwort von ihm.

In einem Hintergrundgespräch vor einigen Jahre prognostizierte Fischer, dass sich die Münchner Innenstadt gravierend verändern werde. Auch bekannte Firmennamen könnten verschwinden. Das Gespräch fand kurz vor der Corona-Zeit statt. Inzwischen gibt es etwa Sport Münzinger, Kaut Bullinger, Karstadt Sports nicht mehr. Gefühlt stehen eine ganze Reihe Läden leer oder werden umgebaut. Entlang der Fußgängerzone seien es derzeit etwa drei bis vier Prozent, bestätigt Fischer.

Der Verein City Partner München wurde Ende 2003 gegründet. Er hat im Moment mehr als 200 Mitglieder. Das erklärte Ziel ist: "Die Attraktivität Münchens zu erhalten und weiter zu stärken." Der Verein werde ausschließlich von den beteiligten Unternehmen getragen und arbeite eng mit der Stadt zusammen, steht auf der Vereinswebseite. Wer sich besonders engagiert: Lorenz Stiftl vom Wirtshaus "Zum Spöckmeier" zum Beispiel ist stellvertretender Vorsitzender an der Seite von Stephan Lindner von Juwelier Fridrich. Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin und Ur-Urenkelin des Gründers der Buchhandelskette, ist Vorsitzende des Vereins. "Die Mitgliedschaft ist freiwillig", betont Fischer.

Er versteht sich und den Verein als "Kümmerer". Während der Corona-Zeit sah er es als eine seiner Aufgaben an, alle Mitglieder "bestmöglich" über die Auflagen auf dem Laufenden zu halten. Mehr als 200000 Mails seien an die Mitglieder geschickt worden. Unzählige Anfragen hätten er und seine Assistentin dazu entgegengenommen.

Manchmal verlaufen die Bemühungen auch eher im Stillen. In puncto Baustellenmanagement zum Beispiel. Wenn man sich rechtzeitig zusammensetze, funktioniere es meist besser für alle Beteiligten, sagt Fischer. Der bedruckte Sichtzaun um den Marienhof sei zum Beispiel eine Anregung des Vereins gewesen. Damit könnten jetzt alle ganz gut leben. 2008 bekam auf Initiative von City Partner das Hackenviertel nach langen Diskussionen die erste gemeinschaftliche Weihnachtsbeleuchtung. In diesem Winter werde Beleuchtung wieder ein großes Thema sein, erwartet Fischer. Auch wenn der Stromverbrauch der Hightech-LEDs nur noch relativ gering sei. Auf jeden Fall energiesparend waren die Drahtgeflechtstühle, die der Verein bereits vor Jahren für die Fußgängerzone spendete. "Es ist uns immer wichtig, die Aufenthaltsqualität dort zu verbessern", sagt Fischer.

Attraktivität hat für ihn auch viel mit flexiblen Öffnungszeiten zu tun. Bei diesem Thema wird er leidenschaftlich. Er hat sich für die Shopping-Nächte stark gemacht. 13 gab es inzwischen seit 2007 in München. Warum die knapp 30 inhabergeführten Souvenirshops in München noch immer nicht an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben dürfen, kann er nicht verstehen. "Hier ist alles tot, nicht mal Souvenirs können wir kaufen", beschwerte sich einmal eine Delegation aus Rom nach einem Sonntag, erzählt Fischer. Da hat selbst er, der sonst nie um Worte verlegen ist, um eine plausible Erklärung gerungen. Er hält die Argumente der Bedenkenträger im Stadtrat für fadenscheinig. "München mit all seinen Kirchen", sagt Fischer. Für über 550 Orte in Bayern gelte doch auch die Bayerische Ladenschlussverordnung für Tourismus- und Wallfahrtsorte. Die Zahlen sprächen für sich: Derzeit werden bis über 50000 Besucher Sonntagen in der Fußgängerzone gezählt.

Auch bei der Beruhigung des Marienplatzes hat Fischer mitgewirkt. Dass die Taxis, Busse und auch die Radler nicht mehr über den Platz fahren dürfen, habe der Verein sehr unterstützt, sagt Fischer. Grundsätzlich hat der Verein aber keine Entscheidungsmöglichkeit. "Wir können nur versuchen zu überzeugen."

Die Vereinsvorsitzende Nina Hugendubel und Fischer verstehen sich. Sie verbindet unter anderem die Lust am Buch. Er sei der Sohn eines Buchhändlers, erklärt Fischer immer mal wieder, wenn man mit ihm über Privates spricht. Wenn er als Kind mit seinen Eltern nach München kam, dann seien sie in der Regel erstmal in einen der Hugendubel-Läden gegangen. Dieser "Boxenstopp" sei ein Ritual gewesen. "Um zu sehen, wie die es dort machen und was es Neues gibt." Dass Fischer derzeit zum Lesen kommt, man kann es sich kaum vorstellen. Viele der Veranstaltungen, pandemiebedingt in den vergangenen zwei Jahren ausfallen mussten, wurden im Juni und Juli nachgeholt. Abendtermine gehören mit zu seinem Arbeitsalltag. Dann fange ich halt am anderen Morgen ein bisschen später an, sagt Fischer. Um zehn Uhr statt um acht.

An einem sommerlichen Donnerstagmorgen trifft man sich mit ihm auf der Terrasse im Café Zebra des Museums Brandhorst. Fischer wohnt nicht weit von hier, er hat den Ort vorgeschlagen. Neben der bereits ausgetrunkenen Espressotasse liegt eine Tabakpackung Gauloises. Seit er selber drehe, rauche er nicht mehr so viel, antwortet Fischer, als man ihn darauf anspricht. Er kommt aus Aalen in Baden-Württemberg. Obwohl er schon lange in München lebt, hört man den Schwaben sofort raus. Er hat Wirtschaftsgeografie und Landschaftsökologie an der TU studiert, dazu an der LMU Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften. Fischer hat bei der Münchner Beratungsfirma Cima und in der Rewe-Zentrale in Köln gearbeitet. Er war Geschäftsführer des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels und des Handelsverbands LAG-Bayern, bevor er die Führungsposition bei City Partner übernahm. Er mag das Kunstareal. Neben all den Business-Themen, die ihn beschäftigen, will er auch Schöngeist sein. In seiner Freizeit fahre er gerne Motorrad, erzählt er. In die Arbeit allerdings meistens mit dem Fahrrad (mit Helm) oder der Tram, also nicht motorisiert. So wie 92 Prozent aller Besucher und Beschäftigten, die in die Münchner Innenstadt kommen. Das 9-Euro-Ticket empfand Fischer als ein "Geschenk", das zur Belebung der Innenstadt beigetragen habe. Er bedauert es sehr, dass es nicht mehr zur Wiesn gilt. "Ich glaube, wir müssen Corona als einen Einschnitt verstehen und uns jetzt und künftig in vielen Bereichen flexibler aufstellen", sagt Fischer. Ideen hat er genug. Ein Zurück zu "alten Zeiten" gibt es für ihn nicht.

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