Wohnungsnot unter Münchner Studenten:Nicht ohne meine Matratze

In keiner deutschen Stadt sind Wohnungen so teuer wie in München - besonders für Studenten ist das ein Problem. Zum Semesterbeginn suchen Tausende verzweifelt ein Dach überm Kopf. Einige landen beinahe auf der Straße.

Laura Meschede

Wohnungsnot unter Münchner Studenten: Zum Semesterbeginn immer das gleiche Bild: Studenten suchen verzweifelt eine Bleibe.

Zum Semesterbeginn immer das gleiche Bild: Studenten suchen verzweifelt eine Bleibe.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Einen Plan B haben sie alle nicht. Wie auch? Märkte sind unerbittlich, vor allem der Wohnungsmarkt in München. "Wenn ich nicht auf diesen Betrüger reingefallen wäre, hätte ich jetzt eine Wohnung", sagt Andrea. "Wenn ich einen Bürgen hätte, wäre alles viel einfacher", findet Xenia. Wenn, ja wenn: In München eine Wohnung zu finden, ist für Menschen mit wenig Geld enorm schwierig. Zu schwierig für viele Studenten, die zum Semesterbeginn Mitte Oktober ihren Wohnsitz nach München verlagern wollen. "Ich habe schon 30 verschiedene Wohnungen besichtigt und mich bei 28 davon beworben - alles erfolglos", erzählt Xenia Richter.

Xenia Richter ist 18 und lebt in Augsburg - einerseits nah genug, um hin und wieder einmal für eine Besichtigung nach München zu fahren, andererseits zu weit entfernt, um das jeden Tag zu machen. Momentan muss sie das. "Ich pendle ungefähr dreimal die Woche zwischen München und Augsburg hin und her", sagt sie. "Wenn ich nicht das Glück hätte, häufig von meinem Schwager abgeholt zu werden, könnte ich mir das niemals leisten."

Sie hat schon öfter überlegt, sich einfach ohne vorherigen Besichtigungstermin für Wohnungen zu bewerben, "inzwischen würde ich ja sowieso jede Wohnung nehmen", doch da streiken die Vermieter. "Ich habe ein paar Mal angefragt und die Antwort war immer: Ohne Besichtigung kann ich die Wohnung vergessen."

Die 26-jährige Veronika Wagner kennt Xenias Problem zur Genüge. "Das letzte Semester bin ich zwischen Abensburg und München gependelt", erzählt sie. "Das ist zwar nur eine Stunde Fahrt - aber Bahnminuten sind dehnbare Minuten, und obendrein sind auch zwei Stunden Fahrt am Tag auf Dauer eine wirkliche Belastung."

Jetzt möchte sie eine feste Wohnung in München finden. Mitte September 2012 standen rund 5500 Studierende auf den Wartelisten für die Wohnungsvergabe des Deutschen Studentenwerkes, gegen Ende des Jahres werden es erfahrungsgemäß noch um die 1000 sein. Zudem sind Wohnungen in keiner deutschen Stadt so teuer wie in München, der durchschnittliche Preis für eine 30-Quadratmeter-Wohnung liegt bei 13,48 Euro pro Quadratmeter - doppelt so hoch wie der bundesweite Durchschnitt.

"Ich habe es einfach nicht geschafft, rechtzeitig eine Wohnung zu finden", erzählt der 24-jährige Moritz John, der seit Mitte August die Münchner Film- und Schauspielschule besucht. Kurz vor Schulbeginn bekam er kurzfristig eine Wohnung vermittelt - für zwei Wochen auf Zwischenmiete. Innerhalb dieser zwei Wochen fand er dann eine andere Wohnung, wieder ein Provisorium, wieder nur für kurze Zeit. "In der wohne ich jetzt seit letzter Woche. Was danach kommt? Ich weiß es nicht."

Schon im vergangenen Jahr führten der doppelte Abiturjahrgang in Verbindung mit der Abschaffung der Wehrpflicht zu einer massiven Wohnungsnot zu Semesterbeginn. Das Studentenwerk richtete Matratzenlager ein und verloste öffentlich Wohnungen. Und heute, ein Jahr später, ist die Lage kaum besser. Am 22. September wurden wieder Wohnungen vom Studentenwerk verlost - allerdings nur an Erstsemester, die es nach Angaben von Pressesprecher Ingo Wachendorfer auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben.

Wohnungssuchende als perfekte Opfer

Die 20-jährige Andrea Lindner hat diesen Termin knapp verpasst. Bis vor wenigen Tagen dachte sie noch, eine Traumwohnung gefunden zu haben - ein Irrtum. "Ich wollte mit einem Freund zusammenziehen, den ich in Italien kennengelernt habe. Eigentlich hatte ich schon eine sehr schöne Wohnung am St.-Quirin-Platz gefunden, aber sein Angebot klang noch besser", erzählt sie. Eine Luxuswohnung in der Maximiliansstraße hatte der vorgebliche Freund anzubieten; sie könne für 400 Euro im Monat mit ihm dort wohnen. Andrea sagt zu - und kurzerhand ihre Wohnung am St-Quirin-Platz wieder ab.

Ein Fehler, denn die Traumwohnung existierte nicht. "Nachdem ich ihm 700 Euro Kaution überwiesen hatte, hat mein Kumpel sich plötzlich nicht mehr gemeldet", erzählt die Studentin. "Dann habe ich den Makler angerufen, der für die Wohnungen unter besagter Adresse zuständig ist - und erfahren, dass sie noch saniert wird und frühestens ab Februar frei sein wird. Der Kerl hatte mich reingelegt."

Vorfälle wie dieser sind nicht selten in München. Immer mehr Betrüger versuchen, aus der desolaten Wohnungssituation Profit zu schlagen. Und Studenten, die aus anderen Städten nach München ziehen, sind dabei die perfekten Opfer: Sie wissen nicht genug über den Münchner Wohnungsmarkt, um unrealistische Angebote sofort als Betrugsmasche zu erkennen.

Zumindest am Anfang. "Nach der Zeit stellt sich eine gewisse Frustration ein", sagt Xenia Richter. "Inzwischen würde ich so gut wie alles nehmen, mit jeder Absage schrauben sich meine Ansprüche weiter herunter." Ihr Problem ist nicht zuletzt das Fehlen eines zahlungskräftigen Bürgens. "Meine Mutter ist keine Großverdienerin, das ist ein klarer Nachteil", sagt sie.

Noch desolater ist die Situation bei Veronika Wagner, deren Eltern überhaupt nicht für sie bürgen. "Ich stecke in der Zwickmühle: Ich kann keinen Bürgen vorweisen und habe in München auch noch keinen Job. Aber wie will ich mich hier auch um Arbeit bewerben, wenn ich noch gar keine Wohnung habe?" Ohne Job keine Wohnung, ohne Wohnung kein Job. Und die Verzweiflung der Suchenden wächst mit jedem Tag. "Ich habe sogar schon überlegt, einer Studentenverbindung beizutreten: Die bieten Wohnungen für 110 Euro im Monat für ihre Mitglieder an", sagt Moritz John. "Aber dann hätte ich dem Korps beitreten und Fechten lernen müssen." Also sucht er weiter.

Vielleicht wird er in den nächsten Wochen auf der Couch von Freunden schlafen, vielleicht eine weitere Wohnung zur Zwischenmiete finden. Optimistisch bleibt er trotzdem: "Ich werde schon nicht auf der Straße landen."

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