Zwei Stunden hat Birgit Grube überlegt. Dann entschied sie, es zu wagen. Ahmad Abbas suchte dringend ein Zimmer, davon hatte sie in der SZ gelesen. Sie hatte eines, das nicht genutzt wurde. In der letzten Zeit war das Gästezimmer in ihrer Wohnung in Trudering die meiste Zeit frei gewesen, warum sollte sie es nicht vermieten? Sie rief Abbas an, der kam am selben Abend, um es sich anzuschauen. Bevor sie zu Hause eintraf, war er schon am Plaudern mit den Nachbarn.
Er ist so ein Typ, der mit allen sofort in Kontakt kommt. Am nächsten Tag zog Ahmad Abbas bei Birgit Grube ein. Seitdem leben der Auszubildende, 22 Jahre alt, und die Rentnerin, 71, in einer WG. Der Tag des Umzugs, der 31. März, war für Abbas zugleich der fünfte Jahrestag des Beginns seines neuen Lebens. Am 31. März 2012 war er mit seiner Schwester nach München gekommen, die beiden gehörten zu den ersten syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland. In ihr Elternhaus bei Homs hatte eine Granate eingeschlagen, ein Gaskocher explodierte. Mehr als die Hälfte von Abbas' Haut verbrannte. In München erhielten die Geschwister die notwendigen, lebensrettenden Hauttransplantationen.
Abbas hat Deutsch gelernt, er spricht es mittlerweile so gut, dass er bei Gesprächen mit anderen Syrern dolmetschen kann. Im Herbst begann er eine Ausbildung zum medizinischen Fachangestellten in einer Arztpraxis in Laim. Zunächst wohnte er in einem städtischen Wohnheim für junge Flüchtlinge in Ausbildung. Doch der Vertrag war befristet, er musste raus. Dass er bei Birgit Grube einziehen konnte, war sein Glück.
Dass der Münchner Wohnungsmarkt völlig überlaufen ist, muss man niemandem erzählen. Für anerkannte Flüchtlinge aber scheint es fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, eine bezahlbare Wohnung, ja, überhaupt eine Wohnung oder ein Zimmer zu finden. Vermieter reagieren meist mit Skepsis, wenn sie hören, dass das Amt für die Miete aufkommt.
Auch Ayham Alsayed, Ahmad Alsayed und Mahmoud Albitar haben längst ihre positiven Asylbescheide. Eine Wohnung aber finden sie nicht - und sind mittlerweile ziemlich verzweifelt. Für eine Sozialwohnung habe er sich schon vor einem Jahr beworben, sagt Ayham Alysayed, außerdem etwa 100 Mails an private Vermieter geschrieben. "Es kam nie eine Antwort."
818 Euro Miete in einer Pension - pro Person
Die drei Syrer sind im August 2015 nach Deutschland gekommen, der 26-jährige Ayham und der 18-jährige Ahmad sind Cousins, Mahmoud, 22, haben sie auf der Flucht kennengelernt. Seitdem machen sie fast alles zu dritt. Über Erding, Eichstätt und Kinding gelangten sie nach München. Der Jüngste besucht eine Sprachschule und will eine Ausbildung zum Mechatroniker machen, der Mittlere macht einen Vorbereitungskurs für eine Lehre als Elektrotechniker, der Älteste hat in Syrien als Arabisch-Lehrer gearbeitet und will in Deutschland als pharmazeutisch-technischer Assistent neu anfangen.
Zurzeit leben sie in Pensionen von Betreibern, die ordentlich Kasse machen mit der Wohnungsnot. 818 Euro Miete zahlten sie in ihrer Pension beim Hauptbahnhof, sagen die beiden Cousins. In einem Viererzimmer, wohlgemerkt. Pro Person. Privatsphäre gibt es nicht, für den Deutschkurs zu lernen sei nahezu unmöglich, sagt Ayham Alsayed. Manche anderen Bewohner seien ständig betrunken oder rauchten Haschisch. Noch kommt das Jobcenter für die Mietkosten auf. Doch wie soll es werden, wenn sie ihre Ausbildungen beginnen? Sie brauchen dringend eine Wohnung.
Sofortprogramm der Stadt München
Die Kommunen im Umland gehen verschiedene Wege, um die enorme Herausforderung zu bewältigen. In der Stadt München soll vor allem das Sofortprogramm "Wohnen für alle" helfen, die Wohnungsnot zu lindern. Bis zum Jahr 2019 sollen in dem Programm 3000 neue Wohnungen für einkommensschwache Gruppen entstehen. Als Pilotprojekt überbaute die städtische Wohnungsgesellschaft Gewofag den Parkplatz am Dantebad in Moosach.
Von der Idee bis zur Eröffnung verging gerade einmal ein Jahr, im Februar zogen die ersten Bewohner ein. Eine Hälfte der Wohnungen vergab das Sozialreferat an Haushalte, die Anspruch auf öffentliche Förderung haben. Die andere Hälfte setzt sich aus anerkannten Flüchtlingen und Wohnungslosen zusammen, eine Kommission aus Sozialreferat und Gewofag wählte sie aus.