Ein eigener Mietvertrag, ein eigener Wohnungsschlüssel. Für die Frauen, die schon bald in das Gebäude an der Westendstraße 35a einziehen werden, sind das keine Selbstverständlichkeiten. Sondern eine Chance, wieder Sicherheit und Ruhe in ihr Leben zu bringen. Denn hier hat die Stadt, gemeinsam mit dem Sozialdienst katholischer Frauen in München als Träger, an diesem Freitag ein neues Wohnprojekt namens Lebensplätze eröffnet. 32 ältere Frauen, die seit vielen Jahren kein eigenes Dach über dem Kopf hatten, werden dort in Apartments wohnen, mit jeweils eigener Küche und Bad, dauerhaft.
Für sie wird das eine neue Erfahrung sein. Die Frauen haben sich jahrelang von Notunterkunft zu Notunterkunft bewegt, sich unter prekären Bedingungen durchgeschlagen, auch mal auf der Isomatte in der Bahnhofsmission oder auf der Straße. „Das Leben auf der Straße ist wahnsinnig anstrengend“, sagt Simone Rübensaal, die sich beim Amt für Wohnen und Migration der Stadt um Frauen in der Wohnungslosigkeit kümmert.
Betroffene Frauen seien zwar weniger sichtbar im öffentlichen Raum, weil sie sich teilweise besser kaschierten als Männer, jedoch seien sie besonders schutzbedürftig, da sie deutlich öfter Gewalt ausgesetzt seien. Und tendenziell würden diese Frauen immer älter. Deshalb sei das neue Wohnprojekt im Westend speziell für die Gruppe der älteren wohnungslosen Frauen gebaut worden.
„Der Bedarf steigt enorm“, sagt auch Verena Dietl (SPD) bei der Eröffnung. Die dritte Bürgermeisterin ist sichtbar stolz auf das Projekt, die Stadt München habe damit eine Vorreiterrolle unter den Kommunen, sagt sie. Man leiste damit einen „ganz großen Beitrag zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit“. Außerdem würden dadurch auch dringend benötigte Plätze in der Notversorgung wieder frei.
Etwa 5300 akut wohnungslose Menschen zählt die Stadt München, Stand September 2024. Davon weist die Statistik 342 Personen als dauerhaft auf der Straße lebend aus. Hinzu kommen etwa 5000 anerkannte Flüchtlinge, die weiterhin in Flüchtlingsunterkünften leben, auch sie zählen als wohnungslos. Eine Zählung nach Geschlecht nimmt das Sozialreferat nicht vor.
Errichtet hat das Haus an der Westendstraße die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft Münchner Wohnen, sie fungiert damit auch als Vermieterin für die 32 Frauen. 19 Millionen Euro hat die Münchner Wohnen insgesamt in das Projekt investiert. Mit 4,2 Millionen Euro hat die Stadt den Bau bezuschusst. Jährlich 1,3 Millionen Euro sind zusätzlich von der Stadt eingeplant, um das Projekt laufend zu finanzieren.
28 von den 32 Wohnungen sind barrierefrei. Die Miete liege bei etwa 20 Euro pro Quadratmeter samt aller Nebenkosten, sagt Christian Müller, der Geschäftsführer der Münchner Wohnen. Allerdings werden die allermeisten Bewohnerinnen, die im Durchschnitt knapp über 70 Jahre alt sind, etwa Grundsicherung im Alter oder Bürgergeld bekommen. Die Anträge für die Hilfen seien bereits gestellt, so Carmen Schwend. Die Sozialpädagogin ist die Leiterin des Wohnprojekts an Ort und Stelle.

Gemeinsam mit einem kleinen Team wird Schwend den Bewohnerinnen in Zukunft Beratung und Unterstützung anbieten. Auch sei stets jemand an der Pforte, es gebe einen Nachtdienst, eine Hauswirtschafterin und einen Hausmeister – und eine Pflegefachkraft. Bei allen Hilfsangeboten gelte: Die Frauen entscheiden selbst, wie viel sie in Anspruch nehmen wollen.
Gerhard Mayer, Leiter des Amts für Wohnen und Migration, weiß, dass das für die Frauen manchmal nicht so einfach ist. Man wolle zwar die sozialen Schwierigkeiten nach und nach lindern, sagt er. Aber nur „soweit es die Frauen in ihrem freien Willen zulassen können“. Häufig seien sie jahrelang von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen gewesen, hätten den Kontakt zu Familie und Freunden verloren, ihre gesundheitliche Versorgung vernachlässigt.
Alle Plätze konnten sofort belegt werden. Und es hat noch mehr Bewerbungen gegeben. Ein Lebensplätze-Projekt existiert bereits seit 2011 am Lieberweg 22 im Norden der Stadt. Ein weiteres solches Wohnprojekt in Lochhausen wird voraussichtlich Ende dieses Jahres eröffnen.