Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt:Wohnungsleerstand verdoppelt sich trotz Wohnungsnot

  • Laut dem aktuellen Leerstandsbericht des Planungsreferats hat sich die Zahl an leerstehenden städtischen Wohnungen nun mehr als verdoppelt.
  • Ein Großteil befindet sich in Wohnanlagen, die im Zuge der Modernisierung oder Neustrukturierung von Quartieren entweder umgebaut oder gleich ganz abgerissen werden sollen.
  • Wenig Einblick hat die Stadt indes in den Leerstand auf dem privaten Markt.

Von Anna Hoben

Es war die Zahl 647, an der sich vor einigen Jahren eine Debatte entzündete. Damals, im Jahr 2013, waren 647 städtische Wohnungen nicht bewohnt. Und es wurde hitzig über die Frage gestritten, wie es sein kann, dass die Stadt ihre eigenen Wohnungen leer stehen lässt, trotz Wohnungsnot? Seitdem ist die Sensibilität in der Verwaltung für das Thema gewachsen, das Instrument der Zwischennutzung wird deutlich häufiger angewendet. In den Folgejahren gingen die Zahlen stetig zurück, bis auf 156 Wohnungen Ende 2017. Laut dem aktuellen Leerstandsbericht des Planungsreferats jedoch, der kommende Woche im Stadtrat vorgestellt wird, hat sich die Zahl nun wieder mehr als verdoppelt, auf 327. Wie ist das zu erklären?

Ein Großteil der aktuell - das heißt zum Jahresende 2018 - leer stehenden Wohnungen befindet sich in Wohnanlagen, die im Zuge der Modernisierung oder Neustrukturierung von Quartieren entweder umgebaut oder gleich ganz abgerissen werden sollen. Dies betrifft insgesamt 267 Wohnungen, deren Leerstand "unvermeidbar" sei, wie es in dem Papier des Planungsreferats heißt. Insgesamt 73 500 Wohnungen gehören der Stadt und ihren Wohnungsbaugesellschaften, neun Prozent des Bestandes in München. Mehr als sechs Monate muss eine Wohnung leer stehen, um von der Statistik erfasst zu werden - so die Definition für längerfristigen Leerstand.

Ein Beispiel ist die Haldenseestraße südlich der Maikäfersiedlung in Ramersdorf-Perlach, wo aktuell der zweite Bauabschnitt im Gange ist. In insgesamt sieben Abschnitten wird das Quartier neu strukturiert; bis etwa 2024 entstehen dort 728 neue Wohnungen. Alte Wohnblöcke mit nicht mehr zeitgemäßem Standard werden abgerissen. Die GWG spreche mit allen Bewohnern, entwickle sozialverträgliche Lösungen und biete Umzugshilfen an, erläutert Stadtdirektorin Ulrike Klar vom Planungsreferat. Die Mieter bekämen Ersatzwohnungen in der Nähe, zum Beispiel in der Maikäfersiedlung. "Aber es können nicht alle gleichzeitig umziehen, jeder hat andere Bedürfnisse", so Klar. Deshalb dauere das Ganze. Und deshalb stehen allein in diesem Viertel 93 Wohnungen leer.

Ähnlich sieht es am Harthof aus. In der Kämpferstraße saniert die GWG seit Jahren nach und nach ihre große Siedlung, was sich noch einige Jahre hinziehen wird. Auch dort werden die Bewohner in andere Wohnungen umgesetzt; 27 Einheiten sind deshalb aktuell unbewohnt. Ein drittes Beispiel ist Moosach, die Wohnblöcke an der Gubestraße und der Baubergerstraße. Dort stehen ebenfalls umfangreiche Maßnahmen an, und die GWG habe vorausschauend bereits angefangen, Wohngebäude leer zu ziehen, erklärt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Die Umstrukturierung der Siedlung werde die Verwaltung Jahre begleiten; noch vor dem Sommer soll dem Stadtrat ein Realisierungswettbewerb vorgelegt werden, es geht unter anderem darum, ob es für das neue Quartier einen Bebauungsplan geben soll. Die Maßnahmen am Harthof und in Moosach sollen spätestens Ende dieses Jahres beginnen.

Auf dem privaten Markt gab es 2014 noch einen Leerstand mit einer Quote von 5,22 Prozent

Zieht man all diese Fälle ab, bleiben noch 60 "echte" Leerstandsfälle übrig. Die meisten dieser Wohnungen stünden aus nachvollziehbaren Gründen leer, sagt Barbara Schmidt, die beim Planungsreferat für solche Fällen zuständig ist: etwa wegen statischer Probleme. Es gibt aber auch Fälle wie den einer Wohnung mitten im Glockenbachviertel: Über das städtische Portal Sowon war sie mehrmals angeboten worden, doch niemand wollte sie haben - möglicherweise auch wegen ihrer Lage im Erdgeschoss. Mittlerweile konnte sie auf anderem Weg vermietet werden.

Wenig Einblick hat die Stadt indes in den Leerstand auf dem privaten Markt. Zum Zeitpunkt der Erhebung für den jüngsten Mikrozensus 2014 hatten laut einer Hochrechnung 39 000 Wohnungen in München leer gestanden - eine Quote von 5,22 Prozent bei insgesamt rund 747 000 Wohnungen. Merk vermutet, dass sich diese Zahl seitdem verringert haben könnte; auf dem gegenwärtigen Markt sei es lukrativer zu vermieten als zu spekulieren. Man darf gespannt sein - die Ergebnisse des Mikrozensus 2018 liegen noch nicht vor.

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SZ vom 21.06.2019/smb
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