Zweckentfremdung:Die mühsame Arbeit der Wohn-Detektive

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Ein sogenannter Schlüsselsafe ist oft ein Hinweis auf eine Ferienwohnung. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Seit 2015 geht eine Gruppe städtischer Sonderermittler gegen Zweckentfremdung von Wohnraum vor.
  • Die Arbeit ist sehr mühsam, da es nicht leicht ist, eine Zweckentfremdung als Ferienwohnung nachzuweisen.
  • Ein Bericht des Sozialreferats zeigt dennoch Erfolg: Durch ihre Arbeit konnten bereits 125 Gerichtsverfahren geführt werden, mehr als die Hälfte wurden zugunsten der Stadt entschieden.

Von Anna Hoben, München

Es ist eine Sisyphusarbeit. Während die Stadt gegen die illegale Vermittlung von Wohnraum als Feriendomizil oder Unterkunft für Medizintouristen kämpft, während die Ermittler ihrer mühsamen Detektivarbeit nachgehen, während sie ihr Anliegen auch vor Gericht vertreten, wird irgendwo anders längst schon wieder eine neue Wohnung so genutzt, wie sie nicht genutzt werden darf. Und der Kampf geht wieder von vorne los.

Wie mühsam er ist und wie schwierig es sich gestaltet, den Nachweis zu erbringen, dass eine Zweckentfremdung vorliegt, das zeigt ein Bericht, den Sozialreferentin Dorothee Schiwy an diesem Donnerstag im Sozialausschuss des Stadtrats präsentiert. Es läuft zum Beispiel so: Im Februar 2018 geht auf der Online-Meldeplattform der Stadt der Hinweis eines Anwohners ein, dass eine Wohnung unerlaubterweise als Ferienwohnung genutzt wird.

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Städtische Mitarbeiter recherchieren daraufhin zunächst bei diversen Portalbetreibern, ob die Wohnung dort angeboten wird. Dann, bei einer sogenannten Ortsermittlung, treffen sie Touristen in der Wohnung an. Doch im März behauptet die Eigentümerin, sie vermiete die Wohnung nur bei eigenen Abwesenheiten und wohne sonst selbst darin. Während der Faschingszeit treffen die Ermittler aber kurz darauf schon wieder Touristen in der Wohnung an. Genauso im April, diesmal sind die Touristen für ein langes Wochenende in München. Ebenso im Mai, um Christi Himmelfahrt herum, und im Juni: eine Woche Feriengäste.

Der Nachweis für eine Zweckentfremdung ist damit allerdings noch nicht erbracht. Denn für insgesamt acht Wochen im Jahr ist es erlaubt, die Wohnung weiterzuvermieten. Erst wenn dieser Zeitraum überschritten ist, wird die Eigentümerin angehört. Macht sie daraufhin weiter, bekommt sie einen Bescheid, der ihr die illegale Nutzung untersagt. Auch danach müssen die städtischen Ermittler die Wohnung immer wieder überprüfen.

Als die Sonderermittlungsgruppe Ferienwohnungen im Jahr 2015 eingerichtet wurde, sollte sie dieser Aufgabe ursprünglich nur zwei Jahre lang nachgehen. Seitdem hat die Stadt 125 Gerichtsverfahren geführt; 69 davon wurden zugunsten der Stadt entschieden, sieben nicht. 49 Fälle sind noch offen; die Stadt rechnet damit, dass sie ebenfalls in ihrem Sinne entschieden werden. Mittlerweile ist die Ermittlungsgruppe auf acht Mitarbeiter angewachsen, vier kümmern sich um Ferienwohnungen, vier um Wohnungen, die an Medizintouristen vermietet werden. Die mühsame Arbeit zahlt sich aus: 298 Wohnungen konnten allein 2017 wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden: dem dauerhaften Wohnen. Zum Vergleich: Die Herstellung von 298 geförderten Wohnungen würde 69 Millionen Euro kosten. Im Bereich Ferienwohnungen hat die Stadt von 2016 bis August 2018 Bußgelder in Höhe von 188 000 Euro verhängt, dazu knapp 900 000 Euro wegen Medizintourismus.

Seit Januar können Verdachtsfälle über die nicht unumstrittene Onlineplattform www.raum-fuer-muenchen.de gemeldet werden. 791 Hinweise gingen bis Ende August ein, 58 Prozent davon anonym. Die meisten Meldungen gibt es in den Bezirken Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (68), Neuhausen-Nymphenburg (64), Au-Haidhausen (59) und Bogenhausen (52). Noch häufiger als auf Ferienwohnungen beziehen sie sich auf ein anderes Ärgernis in einer Stadt mit eklatanter Wohnungsnot: 294 Hinweise sind zum Thema Leerstand eingegangen. In vielen Fällen stellte sich laut Sozialreferat aber heraus, dass es sich "um keinen Wohnraum handelte oder um wenig genutzte Zweitwohnungen".

Referentin Schiwy will das Ermittler-Team nun um drei Stellen erweitern. Zum einen, damit die Verwaltung der wachsenden Zahl von Hinweisen zeitnah nachgehen kann, zum anderen, weil in einer wachsenden Stadt wie München immer mehr Wohnungen potenziell betroffen sind. Zudem seien im bayerischen Gesetz dringend Änderungen nötig, etwa eine Registrierungspflicht für alle Wohnungen, die auch für Fremdenbeherbergung angeboten werden - und die Möglichkeit der Räumung im Fall einer Zweckentfremdung.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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