Strengere Auflagen für Bauträger:Wohnen wie in Wien

Baustelle Welfengarten in München, 2018

Bei Neubauprojekten von privaten Bauträgern wie hier auf dem Paulaner-Gelände würden die Grünen gern günstigere Mieten erzwingen.

(Foto: Florian Peljak)

Die Grünen wollen die österreichische Hauptstadt mit ihren günstigen Mieten zum Vorbild nehmen. Dort regelt der Staat die Verteilung und Nutzung des Bodens.

Von Dominik Hutter

Zwar gilt Bayerns Verfassung nicht im Nachbarland. Der langjährige Wiener Kommunalpolitiker Christoph Chorherr beruft sich aber trotzdem darauf. "Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Missbräuche sind abzustellen." So steht es in Artikel 161. Und dass Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besondere Leistung des Eigentümers entstehen, für die Allgemeinheit nutzbar gemacht werden sollen. Genau das sei seine Auffassung von Politik, sagt der Grünen-Politiker Chorherr, der mit einer rot-grünen Koalition im Wiener Rathaus eine durchaus radikale Regelung durchgesetzt hat, die Mitte März in Kraft tritt: Erteilt die Stadt einem Investor Baurecht, muss dieser zwei Drittel der neu entstehenden Wohnungen für maximal fünf Euro pro Quadratmeter vermieten. Netto - rechnet man Steuern und Nebenkosten hinzu, lande man in etwa bei 7,50 Euro. Davon können Münchner derzeit nur träumen. Zum Vergleich: Laut Mietspiegel liegt das Durchschnittsniveau pro Quadratmeter hier bei 11,69 Euro.

Ob dieser Eingriff ins Eigentumsrecht Zukunft hat, wird sich erst noch erweisen - bisher gibt es keinen Richterspruch dazu. Chorherr ist aber zuversichtlich, dass die mieterfreundliche Regelung bleibt. Wien gilt seit Langem als leuchtendes Vorbild in Sachen Wohnen. 220 000 Wohnungen sind im Besitz der Stadt und entsprechend günstig - der berühmte Wiener Gemeindebau wurde nach dem Ersten Weltkrieg forciert und seitdem fortgeführt. 180 000 weitere Wohnungen sind preisgebunden. Zum Vergleich: Den Münchner Kommunalunternehmen GWG und Gewofag gehören rund 63 000 Wohnungen. Die grüne Fraktionschefin Katrin Habenschaden spricht von münchenweit 85 000 Wohnungen mit Preisbindung.

Die Münchner Grünen wollen sich nun bei ihrer Wohnungspolitik ein Vorbild an Wien nehmen. Ob das alles in München klappen kann, ob es rechtlich zulässig ist, muss offen bleiben. Die Grünen geben zu, nicht allzu optimistisch zu sein. Weil der politische Wille weder auf Landes- noch auf Bundesebene erkennbar sei. Denn das ist ja der entscheidende Unterschied zum Bundesland Wien: München ist nur eine Kommune und daher aufs gesetzgeberische Wohlwollen des Freistaats angewiesen. "Es wird nicht die eine Lösung geben", sagt Katrin Habenschaden, die Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat. Man müsse sich vielschichtig zugunsten bezahlbarer Wohnungen engagieren, und zwar rasch. Denn viel Zeit bleibe im hochpreisigen München nicht mehr.

Es gibt in München bereits Instrumente, die von den Wiener Ideen nicht allzu weit entfernt sind. Nur geht man an der Isar längst nicht so weit wie an der Donau. Bei der sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) werden den Investoren im Gegenzug fürs neu geschaffene Baurecht Beiträge für die soziale und verkehrliche Infrastruktur abgetrotzt. 30 Prozent des Neubaus stehen dem geförderten Wohnungsbau zur Verfügung, weitere zehn Prozent sind preisgedämpft (maximal 13,90 Euro Nettokaltmiete je Quadratmeter bei Erstvermietung). Ebenfalls Einfluss auf die Mieten nimmt die Stadt, wenn sie eigene Flächen für den Wohnungsbau verkauft. Dann verlangt sie einen niedrigeren Grundstückspreis - im Gegenzug werden die Mieten begrenzt (konzeptioneller Mietwohnungsbau).

Christoph Chorherr, langjähriger Wiener Gemeinderat

"Es ist kein Naturereignis, dass die Mieten weiter steigen. Man kann etwas dagegen tun, wenn man sich nicht fürchtet."

Diese Regelungen haben für Habenschaden Vorbildcharakter - auch wenn die letzte Reform der Sobon sehr investorenfreundlich ausgefallen sei. Klar sei aber ganz grundsätzlich: "Um eine Debatte über die Bodenpreise kommen wir nicht herum." Bei Neubauten mache der Grundstückspreis inzwischen 70 Prozent der Gesamtkosten aus. Das schlägt natürlich später auf die Mieten durch. Habenschaden schlägt daher vor, nach Wiener Vorbild einen Grundstücksfonds zu gründen. Der könnte in großer Zahl für die Stadt Flächen aufkaufen. Denkbar sei aber auch, bei der Sobon nicht nur Geld, sondern auch Grundstücksteile von den Investoren einzukassieren. Die könne die Kommune dann selbst und zu sozialen Konditionen bebauen. Diesen Weg beschreite etwa die Stadt Münster, so Habenschaden. Grundidee: Je mehr die Stadt auf dem Markt mitmischt, desto größer ist ihr mäßigender Einfluss auf die Mieten.

Auch auf Landesebene wollen die Grünen Änderungen erreichen. Mindestens 50 000 Wohnungen müssten in den kommenden zehn Jahren gebaut werden, so der grüne Landtagsabgeordnete Markus Büchler. In Planung sei nur ein Bruchteil davon. Der Etat für bezahlbare Wohnungen solle von bislang 400 Millionen auf eine Milliarde Euro pro Jahr aufgestockt werden. Die Grünen wollen auch die Sozialbindung von 25 auf 40 Jahre verlängern, Genossenschaften fördern und die Mietpreisbremse rechtssicher machen.

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