Wohnen in München:Erbengemeinschaft verkauft Haus mit Gewinn für alle

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Eigentümer und Mieter im selben Haus: Thorsten Krieger (r.) mit Wogeno-Vorstand Peter Schmidt. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Einer Erbengemeinschaft ging es nicht darum, beim Verkauf ihres Mietshauses in Schwabing möglichst viel Geld herauszuholen.
  • Sie verkauften an eine Wohnungsgenossenschaft, obwohl sie einen höheren Preis hätten erzielen können.
  • Doch soziale Mieten und ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern war ihnen immer wichtig.

Von Anna Hoben, München

Thorsten Krieger öffnet die Tür zu seinem kleinen Apartment im dritten Stock, er führt den Besuch zum Tisch im Wohnzimmer. Dort haben sie sich kennengelernt - Peter Schmidt, Vorstand der Genossenschaft Wogeno, und Krieger, dem das Haus zusammen mit seinen Geschwistern gehörte.

Die Leute von der Wogeno hatten die Sache durchkalkuliert und einen Preis genannt, "passt", hatte Krieger gesagt, und danach hatten sie nie wieder über Geld gesprochen. 4,8 Millionen Euro bezahlte die Wogeno für das Haus. Auf dem freien Markt, sagen sie, wäre damals, vor zwei Jahren, locker eine Million mehr drin gewesen. Aber Krieger und seinen Geschwistern ging es gerade nicht darum, möglichst viel herauszuholen.

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Von Anna Hoben

Ein gelbes Mietshaus in der Nähe des Bonner Platzes in Schwabing, zwei Eingänge, 20 Wohnungen auf jeder Seite. Kriegers Großmutter hatte das Haus Ende der Fünfzigerjahre bauen lassen. Dafür bekam sie einen Bundeskredit, unter der Bedingung, dass Bundesbedienstete dort zu geringen Mieten wohnen können sollten. Es sei seiner Großmutter immer wichtig gewesen, dass die Mieten niedrig bleiben, sagt Krieger. Der heute 75-Jährige lebt schon lange in Nordrhein-Westfalen, hat aber eine besondere Beziehung zu München - und zum Haus seiner Großmutter.

Insgesamt 25 Jahre war München sein Lebensmittelpunkt; als Student wohnte er zur Untermiete bei einer alten Dame nahe der Universität. 300 Mark bezahlte er damals, 1970, für das Zimmer, Duschen kostete eine Mark extra. München war auch früher teuer. Später zog er in das Haus seiner Großmutter, 14 Jahre blieb er. Viele der heutigen Mieter kennt er aus jener Zeit. Heute hat er noch das 40 Quadratmeter große, schlicht eingerichtete Apartment im dritten Stock, das er nutzt, wenn er in der Stadt ist. Nun wieder als Mieter.

Zusammen mit seinen drei Geschwistern hatte er das Haus vor zwölf Jahren als Erbengemeinschaft übernommen. Sie führten es im Sinne der Großmutter weiter, mit sozialen Mieten. Ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern sei ihnen immer wichtig gewesen, sagt Krieger. Doch als vor drei Jahren ein Bruder starb, sahen sie sich gezwungen, die eine Hälfte des Hauses zu verkaufen.

Kein Gewinnstreben bei den Genossenschaften

Ein befreundeter Architekt erzählte ihnen von Genossenschaften. Sie wirtschaften nur für ihre Mitglieder, verfolgen kein Gewinnstreben, entziehen Wohnraum der Spekulation und den irren Entwicklungen am Markt, sichern ihren Bewohnern stabile Mieten und lebenslanges Wohnrecht zu. Genau das lag ihnen am Herzen: dass die Bewohner weiter sicher in dem Haus wohnen können.

"Wir waren uns als Geschwister schnell einig", sagt Thorsten Krieger. Das allein ist ja schon bemerkenswert - viele Familien zerstreiten sich über dem Erbe. Und natürlich gab es genügend alternative Angebote, immer wieder hatten Maklerfirmen sich bei ihnen gemeldet. Krieger schrieb ihnen, er sei nicht bereit, "Leuten, die nicht wissen wohin ihrem Geld noch mehr Geld in den Rachen zu stopfen".

Die Wogeno hingegen gefiel ihm und seinen Geschwistern auch deshalb, weil sie den Bewohnern viel Eigenverantwortung zugesteht. Von Anfang an wurden die Mieter in die Entscheidung mit einbezogen. "Wir haben gesagt, wir kaufen nur, wenn die Bewohner sich mehrheitlich dafür aussprechen", erzählt Peter Schmidt. Das taten sie.

Krieger ist Mieter in seinem Haus

Im Sommer 2016 ging die linke Haushälfte mit ihren 20 Wohnungen an die Wogeno über. Es war der zweite Hausverkauf von privater Seite in der Geschichte der 1993 gegründeten Genossenschaft - könnte durchaus öfter passieren, findet Krieger. Die Bewohner traten in die Wogeno ein, drei Anteile zu je 500 Euro mussten sie dafür bezahlen, teils wurde einfach das Kautionsguthaben umgewandelt. Dazu kamen Einlagen von 200 Euro pro Quadratmeter. Wer auszieht, bekommt diese wieder zurück.

Wer sich die einmalige große Zahlung nicht leisten konnte, bei dem wurde die Miete erhöht, allerdings moderat. 9,72 Euro kalt pro Quadratmeter bezahlen die Mieter nun im Schnitt. Auch Thorsten Krieger wurde Genossenschaftsmitglied. In seiner Wohnung ist er nun Mieter, auf der anderen Hausseite immer noch Eigentümer. Als nächstes wollen beide Seiten zusammen den Hof verschönern, Ideen gibt es schon viele: das Garagendach begrünen, vielleicht eine Sitzecke bauen und einen überdachten Fahrradstellplatz.

Wenn Krieger seine Nachbarn trifft, sagen sie ihm immer wieder, wie froh sie sind, dass das Haus an die Wogeno verkauft wurde. Er erlebt aber auch, dass Leute sich an die Stirn tippen: "Ihr hättet doch mehr rausholen können." Krieger sagt dann, das Erbe sei für seine Familie ein Geschenk gewesen. "Deshalb sollen andere auch davon profitieren."

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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