Süddeutsche Zeitung

Wohnen:Mieter in Angst: "Wir sind bloß Freiwild für die"

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Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Ein schneeweißes BMW-Cabriolet parkt vor dem Haus an der Schellingstraße 134, die Sonne leuchtet die blitzblanke Stuckfassade prächtig aus. In den Wohnungen haben die Bewohner anscheinend ein Faible für Design-Interieur. Es gibt ein holzgetäfeltes Bad, kein Staubkorn ist zu sehen in der aufwendig gestalteten Küche. "Freiwild", kommentiert Brunhilde Kübbemann diese Hochglanz-Visualisierungen, die sie im Internet gesehen hat. "Wir sind bloß Freiwild für die."

"Die", das ist die Kiefer & Remberg Immobilien Group GmbH, Eigentümerin des Hauses. Und mit "Freiwild" meint Kübbemann, sie und die anderen Mieter sehen sich als Opfer von Rendite-Interessen. Sie leiten das aus den Visualisierungen ab, die zeigen, wie sich die Firma die Zukunft der Immobilie vorstellt. Dazu der Text: "Kiefer & Remberg saniert in diesem facettenreichen Zentrum der Kunst und kulturellen Vielfalt 13 herausragende Eigentumswohnungen." Eigentumswohnungen? "Wir haben nur durch Internetrecherche erfahren, dass unsere Wohnungen verkauft werden sollen", sagt Kübbemann.

Die Bewohner sehen ihre Befürchtungen bestätigt. Sie glauben, dass das Haus von einem Investor übernommen wurde, der "unter dem Deckmantel der energetischen Sanierung die Umwandlung in Eigentumswohnungen" vorhabe, wie die Hausgemeinschaft im Juni in einem Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) formulierte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Angst vieler Menschen, ihre Wohnung zu verlieren. Der Münchner Mieterverein hat stadtweit 150 Häuser, darunter ganze Wohnblöcke, auf dem Schirm, die modernisiert werden - und in denen Bewohner fürchten, sich die Miete nicht mehr leisten zu können. Der Fall zeigt zudem, dass oft eine spezielle Investoren-Gruppe am Werk ist: "Aufteiler", zu denen die Münchner Maklerszene nach SZ-Informationen auch Kiefer & Remberg zählt.

Diese Firma hat das Haus im Mai gekauft und Sanierungsmaßnahmen angekündigt, kurz danach bauten Arbeiter ein Gerüst auf. Es folgte ein weiteres Schreiben, gemäß dem "in einem ersten Schritt" neue Fenster eingesetzt werden sollen. Jedem Mieter wurde dabei die zu erwartende Mieterhöhung von teils mehr als 20 Prozent mitgeteilt. "Wir werden entmietet", zeigte sich die Bewohnerschaft damals überzeugt.

In einem Telefongespräch mit der Süddeutschen Zeitung ließ Geschäftsführer Julian Kiefer durchblicken, wohl keine Aufteilung in Eigentumswohnungen im Sinn zu haben. Jedoch widersprach sein Anwalt der Veröffentlichung von Details aus diesem Gespräch. Nun zeigt sich: Auf dem Online-Portal Immobilienscout24 bietet Kiefer & Remberg eine Dreizimmerwohnung mit 83 Quadratmetern für 759 000 Euro an; es dürfte jene sein, die bereits leer steht und derzeit saniert wird. Eine 56 Quadratmeter große Parterre-Wohnung wird für 425 000 Euro offeriert; laut einem Bewohner zieht der Mieter angeblich bald aus.

Wie die Lokalbaukommission bestätigt, ist für das Objekt die sogenannte Abgeschlossenheitserklärung für 13 Wohnungen erteilt. Das ist die Voraussetzung, damit im Grundbuch nicht das Gebäude, sondern die 13 Wohnungen als Eigentum eingetragen sind. Das Haus ist "aufgeteilt", die Wohnung können verkauft werden - und zwar mit den Mietern. Das ist völlig legal, gedeckt durch das Wohnungseigentumsgesetz. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist geregelt, dass Mieter bei einer solchen Wohnungsumwandlung bis zu zehn Jahre vor Eigenbedarfskündigung geschützt sind.

In einem Exposé zu dem Haus, das man sich bei Kiefer & Remberg online bestellen kann, drückt die Firma ihre Pläne so aus: "Ziel unserer Arbeit ist es, für Sie ein Eigenheim zu schaffen, in dem Sie sich ein Leben lang wohlfühlen." Zur Ausstattung werden Fußbodenheizung und Bäder "mit Markenfabrikaten" angegeben. Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter sagt dazu: "Das klingt nach Luxussanierung." Mit keinem Wort, wundert er sich, werde erwähnt, dass da Mieter drin wohnen. Er nennt das "in höchstem Maße unseriös" und fügt hinzu: "Die scheinen davon auszugehen, dass das Haus entmietet wird." Rastätter vermutet, die Firma lasse die Mieter bewusst im Unklaren, "um sie mürbe zu machen".

Das sieht auch Jan Dick so, der im dritten Stock wohnt. Er schaut auf die neue Eingangstüre, die Arbeiter vor zwei Wochen eingebaut hatten. Die Türstöcke fehlen, das Mauerwerk ist offen. "Da zieht es kalt herein", berichtet Dick und fügt hinzu: "Die wollen nicht, dass wir uns hier wohlfühlen, sondern dass wir ausziehen." Vorm Haus deutet Benedikt Meier, Familienvater und Mieter im Erdgeschoss, auf das Gerüst an der Fassade, an dem eine Studentin derzeit riesige Fotos in einem Kunstprojekt präsentiert - ohne Bezug zur Situation im Haus, wie sie betont. Meier sagt: "Das Gerüst steht jetzt seit fünf Monaten, und keiner benutzt es. Wir werden hier bewusst im Unklaren gelassen."

Geschäftsführer Kiefer betont in seinem Antwortschreiben auf Bitten der SZ um Stellungnahme, dass die Kiefer & Remberg GmbH "sich selbstverständlich bei ihrem Vorgehen nach den geltenden gesetzlichen Regelungen" richte: "Sollte eine der bereits vermieteten Wohnungen verkauft werden, so besteht seitens des betroffenen Mieters ein gesetzliches Vorkaufsrecht." Dies bestehe deshalb, weil die Mietwohnungen nach dem Erwerb in Wohneigentum umgewandelt worden seien. "Durch die Umwandlung in Wohneigentum sind den Mietern keine Nachteile entstanden, vielmehr wird die Rechtsposition verbessert", behauptet Kiefer. Zudem teilt er mit, es sei aus Gründen des Datenschutzes und der Vertraulichkeit nicht möglich, Informationen zu einzelnen Mietern oder potenziellen Kaufinteressenten an Dritte weiterzugeben. Er hebt hervor, dass gegenüber keinem Mieter beabsichtigt sei, die Kündigung auszusprechen.

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SZ vom 05.11.2016
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