Wohnen in München:Zu wenige Wohnungen: Stadt denkt über ungewöhnliche Lösungen nach

O2 Boxhaus in der Münchner Studentenstadt, 2009

Vorbild Studenten-Minibude: Der Container bietet 6,8 Quadratmeter.

(Foto: Catherina Hess)
  • Bis zu 25 000 Menschen ziehen jedes Jahr neu nach München.
  • Wegen der akuten Platznot wird im Rathaus nun über neue Ideen nachgedacht.

Von Heiner Effern

Jedes Jahr zieht eine Kleinstadt nach München. Natürlich nicht alle 20 000 bis 25 000 Neubürger in einem Aufwasch, sondern in einem steten Fluss von überallher. Sie erwarten Betreuungs- und Schulplätze für die Kinder, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr oder auch ein attraktives Hallenbad um die Ecke. Und vor allem: Sie suchen eine Wohnung.

Ein ausreichendes und erschwingliches Angebot zu schaffen, wird eine der größten politischen Herausforderungen der Zukunft sein. "Wir müssen ganz schnell, ganz viel und auch günstig bauen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Doch wie soll das angesichts der sehr begrenzten Flächen gehen? SPD und CSU haben das Bauziel auf 8500 neue Wohnungen pro Jahr erhöht. Doch mit Zahlen und der Forderung nach mehr staatlicher Förderung ist es für die Rathausmehrheit nicht getan. Neue und weniger neue Ideen werden diskutiert. Ein Überblick.

Parkett überm Parkplatz

Auf der Suche nach Baugrundstücken prüft die SPD gerade, ob über schon vorhandenen ebenerdigen Parkplätzen Wohngebäude errichtet werden können. Nicht am Straßenrand und nicht vor einer Ladenzeile, sondern insbesondere auf den oft geräumigen Teerflächen vor Discountern, die ihre Märkte häufig in Mischvierteln platziert haben. Dort wäre das Bauen von Wohnungen im Gegensatz zu Gewerbegebieten rechtlich leichter möglich. Gebaut werden könnten die Häuser zum Beispiel unkonventionell auf Stelzen über den Stellplätzen. "Nicht gerade Eins-A-Wohnen", sagt Fraktionschef Alexander Reissl. "Aber hochwertige Eigentumswohnungen, die blind vom Plan weg gekauft werden, haben wir genügend."

Mini-München

Der erste Job, Probezeit und ein überschaubares Gehalt: keine gute Basis, um in München eine bezahlbare Wohnung zu finden. Um jungen Menschen trotzdem eine Perspektive zu geben, will die SPD den Bau von sogenannten Mikro-Apartments forcieren. Etwa 25 Quadratmeter groß, voll eingerichtet mit Bad, Küchenzeile, Tisch und Stühlen, dafür ohne Parkett und Schnickschnack. So sieht die Idee aus, die hinter dem vom Bund geförderten Programm steht. Ähnlich wie bei Studentenbuden in Wohnheimen sind Mikro-Apartments für eine befristete Mietzeit angelegt. Mit dem ersten Gehaltssprung oder dem Zusammenziehen mit einem Partner sollten sich die Bewohner eine größere Wohnung leisten können.

Schlankere Standards

Je höher der Standard einer Wohnung, desto teurer der Bau oder später die Miete. Deshalb wollen SPD und CSU die Ansprüche an Neubauten zurückfahren. Als Beispiel nennen beide den Klimaschutz. Immer noch mehr Dämmen für noch mehr Geld bringe bei ohnehin schon guten Werten dem Klimaschutz zu wenig. CSU-Fraktionschef Hans Podiuk kann sich zudem vorstellen, Gewerbegebiete stärker fürs Wohnen zu öffnen. Die SPD will prüfen, ob wirklich alle öffentlich geförderten Wohnungen barrierefrei gebaut werden sollen.

Oder einfach ins Umland?

Haus und Hof

Wenn der freie Platz ausgeht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: näher zusammenrücken oder in die Höhe bauen. Im Planungsdeutsch heißt dieser Prozess Nachverdichtung und gehört zu den gefährlichen in der Politik: Alle Bürger sind dafür, wenn es nicht die eigene Umgebung betrifft. Dann kommt meist heftiger Gegenwind auf. Doch ohne Einschnitte wird es nicht gehen, das wissen CSU und SPD. Die Gartenstädte mit viel Grün sind (zumindest derzeit noch) tabu, Wohnhochhäuser noch eine Ausnahme. Die CSU kann sich eine Aufstockung an U-Bahn oder S-Bahn-Knotenpunkten vorstellen. Auch die SPD sieht noch Baumöglichkeiten in die Höhe. Aber gerade in der Innenstadt schließt sie auch urbaneres Wohnen mit Häusern bis zum Straßenrand und kleinen Höfen nicht aus. Was in Haidhausen oder Schwabing attraktiv ist, kann auch weiter draußen nicht falsch sein, meint die SPD.

Pep in der Planung

Langes Planen ist teuer, zu viele Vorschriften bremsen dringend notwendige Neubauten. Vieles liegt an Gesetzen von Bund und Land, vieles ist aber auch "selbstgestrickt", sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Er will vereinfachen, was in städtischer Hand liegt. Und vor allem hält er ein grundsätzliches Umdenken für unausweichlich. "Wir haben eine Planungskultur, die über Jahrzehnte gewachsen ist. Ausdrücklich auch die Politik hat sich das Ideal gewünscht, möglichst viel zu regeln. Heute muss man sich fragen: Braucht man all diese Regelungen?"

Umzug ins Umland

Wenn die Anziehungskraft weiterhin so stark bleibt, wird sich das Wohnungsproblem im Stadtgebiet nicht lösen lassen. CSU-Fraktionschef Podiuk hält für die kommenden Jahrzehnte 45 000 neue Wohnungen in München für realistisch. "Dann ist Ende." Beim Bauen spielen die Verwaltungs- und Stadtgrenzen noch eine große Rolle, bei der Lebensplanung der Menschen kaum. Deshalb wird auch im Umland der Druck auf freie Flächen konstant steigen. Manche Kommunen weisen aus bis zur Schmerzgrenze, manche verweigern sich. Auch weil ihnen die Struktur für professionellen Wohnungsbau in ihren Ämtern und auch schlagkräftige Genossenschaften fehlen.

All das hat die Landeshauptstadt, doch ist sie auch deshalb in den Umlandgemeinden teils gefürchtet. Die gemeinsame Busfahrt der Lokalpolitiker nach Berlin in der vergangenen Woche war möglicherweise ein erster Schritt zur Vertrauensbildung. Dis Diskussion dort zum Thema Bauen auf ehemaligen Kasernenflächen hat gezeigt, wie wichtig ein Konsens ist: Allein in der Metropolregion könnten auf den früheren Militärarealen etwa 45 000 Wohnungen entstehen.

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