Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:Zu arm für eine Mietwohnung, zu reich für eine Sozialwohnung

Sie hätte gerne eine Zweizimmerwohnung mit Balkon für 850 Euro im Monat, doch Elena Ehrhardt findet nichts. So wie der alleinerziehenden Mutter geht es vielen in München: Wer eine Bleibe sucht, braucht ein hohes Einkommen - oder Hartz IV.

Franziska Brüning und Sven Loerzer

Die Eders wohnen gerne in München. Ihre Eltern leben hier, ihre Geschwister, ihre Freunde. Martin Eder ist 42 Jahre alt und angestellter Installateur, seine Frau Johanna 35 und Hausfrau. Sie sind hier eng verflochten, deswegen wollen sie auch nicht aus der Stadt weg.

Das Problem ist nur: Die Eders haben vier Kinder im Alter von 15, acht, vier und einem Jahr und keine passende Wohnung. Derzeit wohnen sie auf 60 Quadratmetern in einer 2,5-Zimmer-Wohnung im Münchner Westen. Das geht nur, weil sich die Eders einschränken, penibel aufräumen und eine Wohnküche haben. Ihre monatliche Miete beträgt trotzdem satte 900 Euro inklusive Nebenkosten.

Ihren richtigen Namen möchten sie nicht in der Zeitung lesen, genauso wenig wie sie über die Höhe ihres Einkommens sprechen möchten. Er verdiene zu viel, um Anspruch auf eine Sozialwohnung zu haben und zu wenig, um sich in der Maxvorstadt oder Schwabing eine vier bis fünf Zimmer große Wohnung leisten zu können, sagt Martin Eder nur.

In einer Schickimicki-Stadt wie München möchte kaum einer zugeben, dass er nicht über die Runden kommt. Deswegen plant Johanna Eder bald wieder zu arbeiten. So einfach sei das aber nicht, wenn man vier Kinder habe, sagt sie.

Wie den Eders ergeht es immer mehr Menschen in München: Sie suchen eine neue Wohnung - aber sie finden keine. Gerade Eltern mit Kindern haben es besonders schwer. Ob nun eine klassische Familie oder Alleinerziehende - in einem Punkt stimmen alle überein: Wer kein überdurchschnittliches Einkommen oder Hartz IV bezieht, und in der Stadt wohnen bleiben möchte, muss sich in München auf eine lange Suche nach einer adäquaten Wohnung einstellen.

So suchen die Eders seit mittlerweile sieben Jahren nach einer größeren Wohnung. Ihren Traum von einem Einfamilienhaus haben sie aufgegeben, als sie festgestellt haben, dass sie selbst mit 300.000 Euro nicht weit kommen würden. Das sei aber die oberste Grenze, die sie sich leisten könnten. "Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als nach einer Mietwohnung zu suchen", sagt Johanna Eder.

Aber auch dort gibt es Hürden zu überwinden. Die Eders können maximal 1500 Euro inklusive Nebenkosten aufbringen, und das ginge auch nur mit "Ach und Krach", sagt Martin Eder. "Wenn wir dann mit unseren vier Kindern auftauchen, hören wir Kommentare wie 'Und einen Hund haben Sie auch noch'", erzählt Johanna Eder. Wer nicht reich oder arm genug sei und trotzdem mehrere Kinder habe, finde in dieser Stadt nichts. Das sei für sie als gebürtige Münchner doppelt frustrierend, sagen die Eders.

An das München-Modell, das Haushalten mit mittlerem Einkommen günstige und familiengerechte Eigentumswohnungen in Neubaugebieten anbietet, hätten sie auch schon gedacht, aber sie wollten aus ihrem Viertel nicht wegziehen. Die Kinder seien hier in der Schule oder im Kindergarten und ihre Freunde nicht weit.

Zudem sei das München-Modell längst überlaufen und biete oft Wohnungen an der Autobahn oder in anderen hässlichen Lagen an, sagen die Eders. Und dort wollten sie nicht wohnen. Die Eders sind von der aktuellen Wohnungspolitik der Stadt München enttäuscht. Es werde einfach viel zu wenig für Münchner mit Kindern getan, sagen sie.

Eine, die das auch glaubt, ist Elena Ehrhardt. Die Anfang 40-Jährige arbeitet selbständig und ist alleinerziehende Mutter einer vier Monate alten Tochter. Sie sucht erst seit zwei Monaten nach einer größeren Wohnung in Nymphenburg, Bogenhausen oder Schwabing. Sie hat es schon über diverse Internetportale oder die Zeitung versucht, Zettel ausgelegt und sogar einen Brief an Oberbürgermeister Christian Ude geschrieben. Eine Sozialwohnung hat sie auch beantragt.

Ihre Wünsche an die neue Wohnung im Münchner Westen sind zweifellos gehoben, aber nicht übertrieben: Sie hätte gerne zwei Zimmer, wenn möglich einen Balkon und das für maximal 850 Euro. Bislang hat sie nichts gefunden. Dafür habe man ihr immer wieder offen oder durch die Blume gesagt, dass man keine alleinstehende Mutter haben wolle. Erhardt glaubt mittlerweile, dass Alleinerziehende in einer unsicheren finanziellen Situation keine Chance auf dem Münchner Wohnungsmarkt haben.

Auch Johanna Kürzinger, Geschäftsführerin des Vereins "siaf", der alleinerziehende Frauen berät und unterstützt, sagt, dass sich die Wohnungssuche für alleinerziehende Frauen mitunter schwieriger gestalte. Andererseits gebe es durchaus Makler und Vermieter, "die alleinerziehende Frauen, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, gerne nehmen, weil dann die Mietzahlung auf jeden Fall gesichert ist". Auf dem angespannten Wohnungsmarkt stünden Alleinerziehende häufig in Konkurrenz zu Doppelverdienern ohne Kinder.

Dabei habe es nicht unbedingt mit Kinderfeindlichkeit zu tun, wenn Alleinerziehende das Nachsehen haben: "Der Vermieter sucht sich den potentesten Zahler aus, um eine teure Miete langfristig abzusichern." Da schneiden Alleinerziehende schlechter ab, "weil häufig finanziell alles ziemlich knapp kalkuliert ist, der Job weg ist oder der Unterhalt nicht regelmäßig kommt".

Noch einmal anders ist es bei den Schmids. Die 34-jährige Susanne Schmid und ihr 40-jähriger Mann Peter sind beide Angestellte und haben drei Kinder zwischen zehn und 14 Jahren. Auch sie möchten wie die Eders ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Bislang wohnen die Schmids noch in einer Sozialwohnung in der Messestadt, auf die sie Anspruch hatten, bevor Susanne Schmid wieder arbeiten gegangen ist. Ihre Wohnung ist 97 Quadratmeter groß, hat vier Zimmer und kostet derzeit noch 825 Euro warm. Ihnen geht es besser, als etwa den Eders, aber auch sie träumen von einer größeren Wohnung.

"Es wäre schön, wenn jedes Kind ein eigenes Zimmer haben könnte", sagt Susanne Schmid. Wie die Eders möchten auch die Schmids das Viertel nicht wechseln. Ihre Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass sie ohne Anspruch auf eine Sozialwohnung bei einer Fünf-Zimmer-Wohnung in der Messestadt schon rund 500 Euro mehr als bisher zahlen müssten. Das aber können und wollen sich die Schmids nicht leisten.

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Quelle:
SZ vom 27.04.2012
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