Wohnen in München:Wie sich ein Vermieter gegen Investoren schützt

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Schauspieler, Lebenskünstler und Hauseigentümer Wolfgang Fischer (rechts) hat sein verwunschenes Gebäude-Ensemble bereits testamentarisch vermacht - worüber sich Christian Stupka vom der genossenschaftlichen Immobilienagentur Gima neben ihm auf dem Dach freut. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Wenn ein Haus verkauft oder vererbt wird, bedeutet das für Investoren oft ein lukratives Geschäft.
  • Die Bewohner werden dann oft zu Opfern - sie müssen mit steigenden Mieten rechnen.
  • Doch es gibt auch andere Beispiele auf dem Münchner Wohnungsmarkt.

Von Anna Hoben

Es kommt vor, dass Spaziergänger sich zu Wolfgang Fischer verirren. Und wer sich einmal verirrt hat, der kommt wieder. Die Leute biegen in der Nymphenburger Straße in einen Hof ein, und da sind sie: im Paradies? In einer Oase? Plötzlich auf dem Land, mitten in der Stadt? Die Leute sehen das schnuckelige, geduckte Häuschen in der Mitte, die Garage mit Fischers Oldtimer. Sie sehen die Werkstatt ganz hinten. Sie sehen das Vogelhäuschen, auf dem sich Tauben tummeln. Mit Glück sehen sie einen Igel. Sie sehen die Details, mit denen Fischer über die Jahre liebevoll sein Zuhause geschmückt hat. "Das ist ja der Wahnsinn hier", sagen die Leute. "Das ist nicht der Wahnsinn", entgegnet Fischer, "das ist normal".

Wahnsinn ist für Fischer das, was draußen stattfindet. Dass die Stadt zubetoniert wird. Dass in seiner Nachbarschaft eine 80-Quadratmeter-Wohnung für anderthalb Millionen Euro zum Kauf angeboten wird. Und dass ständig diese Typen bei ihm auf der Matte stehen. Besucher sind ihm ja willkommen, Fischer ist ein Menschenfreund. Sie sind ihm willkommen, solange sie nicht der Gruppe der Makler und Vermögensverwalter angehören.

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Seit Jahren verstopfen sie ihm den Briefkasten mit ihrer Post. Man könnte das als Eigentümer ignorieren. Wolfgang Fischer, buntes Holzfällerhemd, Chucks-Turnschuhe und grauer Vollbart, greift zum Telefonhörer und sagt: "Bitte beschmutzen sie meinen Briefkasten nicht mit Ihren Hochglanzbroschüren." Man kann ahnen, dass dieser Mann dabei nicht ganz so gutmütig klingt, wie er auf den ersten Blick wirken mag.

Die Makler sind geduldig. Sie probieren es immer wieder. Sanfter Druck könnte helfen, denken sie und führen einen potenziellen Käufer auf das Grundstück, ohne Termin, ohne Einladung. Treffen sie dort auf Wolfgang Fischer, den Eigentümer, sagen sie so etwas wie: "Mein Kunde ist bereit, jeden Preis zu bezahlen." - "Ach ja?", sagt Fischer dann. "Der Preis ist eine Milliarde." Allein seine Igel kosteten ja schon 100 Millionen. Er steht in seinem Garten, als er die Episode erzählt, in seinem Gesicht breitet sich ein Grinsen aus. Er zündet sich eine dieser superdünnen Zigaretten an.

Kaltmiete für eine Wohnung in Fischers Vorderhaus: zwölf Euro pro Quadratmeter. Preis für die Igel in Fischers Garten: 100 Millionen Euro. Blick des Maklers beim Wort Milliarde: unbezahlbar.

Fischer hat einiges an Ärger und Empörung angesammelt in den vergangenen Jahren. Empörung darüber, was in seiner Heimatstadt passiert. Über überhebliche Investoren und verantwortungslose Spekulanten. Sein Grundstück in der Nymphenburger Straße soll eine Art Gegenentwurf sein. Parterre und Keller stammen aus dem Jahr 1724. Fischers Urgroßvater kaufte das Haus 1873 und baute weitere Stockwerke darauf.

Seine Mutter, die Schauspielerin Elfie Pertramer, ist hier aufgewachsen, er, der später ebenfalls Schauspieler werden sollte, ist hier aufgewachsen. Als seine Tante starb, erbte er das Familienanwesen. 2005 kehrte er nach 30 Jahren aus den USA nach München zurück, steckte viel Geld in die Sanierung und zog wieder in das Haus seiner Kindheit. Und irgendwann fing er an, sich Gedanken zu machen, was eines Tages geschehen sollte mit dem Grundstück. Eines Tages, "wenn ich drüben auf dem Waldfriedhof wohne". Im Sommer wird er 77 Jahre alt.

In den USA hat er fünf Nichten und Neffen. Das Haus an sie vererben? Unwahrscheinlich, dass jemand von ihnen nach München ziehen wollen würde; sie würden wohl meistbietend verkaufen. Das wollte Fischer auf keinen Fall. Was er wollte: dass die Mieter der fünf Wohnungen zu den gleichen Konditionen wie bisher im denkmalgeschützten Vorderhaus bleiben können. Dass der Schreiner in der Werkstatt und der Verlag in den Atelierräumen im Mittelhaus bleiben können. Dass der Garten exakt so erhalten bleibt, wie er ist.

Unterdessen seien die Angebote der Makler "immer unanständiger" geworden, erzählt Fischer. Allein für die Werkstatt im Hinterhof bot jemand 2,5 Millionen Euro. Das Grundstück wäre eine Goldgrube für Investoren, man könnte die Werkstatt abreißen und ein großes Haus mit vielen teuren Eigentumswohnungen hinbauen. Wie man das so macht in München. Aber dazu müssten sie erst mal einen Querkopf wie Fischer überzeugen. "Was glauben die eigentlich? Hier wohnen und arbeiten Menschen. Die sind keine Investition. Die haben hier ein Zuhause."

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Wenn er mit jemandem einen Mietvertrag machte, gab es keine freiwillige Selbstauskunft und solchen Firlefanz. "Ich habe die Leute gefragt, ob sie sich die Wohnung leisten können." Basta. Das Problem war nur, dass die Leute, die zur Besichtigung kamen, alle so nett waren. Wenn er es nicht konnte, ließ er seine Tarotkarten entscheiden. Heute hat Fischer ein familiäres Verhältnis zu seinen Mietern. Als das Paar im Erdgeschoss Nachwuchs bekam, wurde er der Taufpate. Jedes Mal, wenn ein Kind geboren wurde, kürzte er die Miete um 50 Euro, schließlich hatten die Familien nun ohnehin größere Ausgaben.

Irgendwann erzählte ihm jemand von Genossenschaften. Das kam ihm bekannt vor, sein Neffe hatte in Virginia einmal in einer cooperative gewohnt, einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt. Fischer zieht das Wort wie Kaugummi, wie ein Amerikaner. Genossenschaften also. Er informierte sich über die Münchner Wogeno und war begeistert über das Zusammenleben der Mieter dort. Mit Gästeapartments, die jeder Bewohner buchen kann, mit Generationenwohnen und gemeinsamen Festen. "Die Leute sind so glücklich", sagt Fischer, "ohne dass es eine Kommune ist." Es sei ein erlösender Gedanke für ihn gewesen, sagt er. "Ich gebe das Haus zurück an die Menschen." Das war im Jahr 2014. Damals gab es erste Gespräche mit der Wogeno. "Sowas von relaxt", erinnert sich Fischer. "Die haben mich zu nichts gedrängt."

Er fasste einen Beschluss. In seinem Testament steht nun, dass die Häuser nach seinem Tod der Münchner Genossenschaft Wogeno vermacht werden sollen. Rund zwei Millionen Euro wird diese bezahlen, Fischer will, dass seine Nichten und Neffen in den USA etwas bekommen. Sie sollen alle etwas haben, sagt er, "aber nicht zu viel". Wenn es um das Thema Erbe geht, fragt er sich immer wieder, "was diese irrsinnig reichen Leuten ihren Kindern und Enkeln da antun". Seine Mieter werden dann Mitglied in der Genossenschaft werden, sie werden Eigentümer und Mieter ihrer Wohnungen zugleich sein, mit lebenslangem Wohnrecht und stabilen Mieten.

Es ist nicht so, dass Wolfgang Fischer sich zum großen Wohltäter aufschwingen will. Er will einfach nur, dass der Besitz seiner Familie weiterhin mit Liebe behandelt wird. Und dass die Menschen, die dort leben, weiterhin gut leben können.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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