Holger Kirschberger verkauft heute ein gutes Gefühl. Der Immobilienmakler steht im Eingang einer Tiefgarage in der Nymphenburger Straße und wartet. Weil es draußen regnet, ist er ein bisschen angespannt. "Ein Penthouse zeigen bei dem Wetter: schwierig", sagt der 49-Jährige und blickt skeptisch zum grauen Himmel. Er mag es gar nicht, wenn etwas nicht optimal ist und er diesen Zustand nicht ändern kann. Über das Wetter aber hat auch Kirschberger keine Kontrolle.
Dann entdeckt er den schwarzen BMW mit dem Ehepaar, das er heute erwartet. Seine Gesichtszüge glätten sich zu einem Lächeln. Er winkt und gibt seiner Mitarbeiterin ein Zeichen, damit sie das Tor öffnet. Kirschberger begrüßt die prominente Erbin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, und ihren Mann mit einem kräftigen Händedruck und geleitet sie zum Aufzug. Gemeinsam schweben sie in den sechsten Stock.
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Mit dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt, bei dem der gemietete Quadratmeter inzwischen durchschnittlich 15 Euro kostet, hat die Besichtigung des Objekts im Dachgeschoss an diesem Tag nichts zu tun. Hier kostet der Quadratmeter 15 000 Euro: 3,9 Millionen Euro soll die 260 Quadratmeter große Maisonette-Wohnung kosten. Hier kämpfen keine hundert Bewerber um eine kleine Einzimmerwohnung am Rotkreuzplatz, hier wollen sich die Interessenten eine Drittwohnung zulegen. Auch der Fakt, dass laut Immobilienverband (IVD) die Kaufpreise in München seit dem Jahr 2000 um 125 Prozent gestiegen sind, dürfte für diese Luxusimmobilie - eingerichtet mit italienischen Designermöbeln - unerheblich sein. Als Geschenk, verrät Kirschberger, gewähre der Eigentümer einen gewissen Spielraum. Falls die Käufer unschlüssig sein sollten.
Spielraum, das heißt in diesem Fall: ein Rolls Royce. "Wir verkaufen bei so einer Immobilie das Ambiente. Menschen fühlen sich meistens wohler, wenn es noch ein Geschenk dazu gibt", sagt der Makler. Bei einer Wohnung für knapp vier Millionen Euro ist die Goodie Bag dementsprechend größer: der Eigentümer hat das Luxusauto, dessen Vertretung im selben Haus sitzt, mit in den Preis einkalkuliert. Zwei Tiefgaragenstellplätze à 35 000 Euro warten schon - auch im Preis inbegriffen.
Der Interessentin missfällt an diesem Tag aber etwas ganz anderes: "Bei einer Luxuswohnung erwarte ich einen Safe und eine Klimaanlage", moniert sie, während sie mit ihren glitzernden Schuhen durch die sieben Zimmer der Wohnung mit dem opulenten Mobiliar schreitet, das sie übernehmen soll. Gebrauchte Designermöbel, das ist klar, lassen sich ganz schlecht weiterverkaufen. Der russische Wohnungseigentümer will sie deshalb gleich mit loswerden. Das Penthouse hat er nur genutzt, wenn er geschäftlich in der Stadt war. Davon zeugen noch die vergessenen Marken-Badelatschen im Schlafzimmer. Mitnehmen wird er allerdings die Skulptur aus Mammut-Horn aus dem unteren Geschoss. "Unbezahlbar", verrät sein Assistent, der die Besichtigung überwacht. Mit seinem Lächeln wischt Kirschberger die Bedenken der Interessentin hinfort: "Kriegen wir alles hin", verspricht er.
Wenn Kirschberger eine Wohnung zeigt, dann versuche er, sich nicht zu verstellen, sagt er. "Das bringt nichts", erklärt der Makler, "wenn man so verschiedene Kunden hat wie ich." Luxusobjekte wie die Maisonette-Wohnung zeigt auch Holger Kirschberger nicht jeden Tag. Im Unternehmen betreuen die Makler alles: von der Einzimmerwohnung im Hasenbergl bis zum Penthouse in der Münchner Innenstadt.
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45 Jahre existiert das Geschäft von Immobilienmakler Ingo Gerschlauer bereits. 25 Jahre ist Holger Kirschberger in der Branche. Was sich in der Zeit verändert hat, weiß Kirschbergers Chef am besten: "Die Leute verkaufen nicht mehr", sagt Ingo Gerschlauer. Aber viele Leute wollen kaufen. Ändern wird sich das erst mit einer neuen Zinspolitik. Der boomende Immobilienmarkt lohnt sich allem Anschein nach für Holger Kirschberger: Sein Anzug sitzt tadellos. Abends tauscht er ihn gerne gegen Fahrradkluft, steigt auf sein Mountainbike und radelt um den Ammersee.
"Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht draußen bin", erzählt er. Die meiste Zeit verbringt Holger Kirschberger nicht in Wohnungen, sondern in seinem Audi. Steigt er ein, legt er zunächst behutsam das Sakko in den geräumigen Kofferraum, neben die beiden Firmenregenschirme. Im Wagen spricht er über seine Freisprechanlage mit Kunden und tippt routiniert Straßennamen ein, während sein Audi durch die Münchner Straßen gleitet.
Seine Zeit teilt er dabei jeden Tag flexibel ein. Besichtigungen finden am besten statt, wenn die Leute nicht mehr arbeiten müssen. Also nach 17 Uhr und am Wochenende. Kirschbergers Tag beginnt trotzdem morgens um 6 Uhr, zu Hause im Büro am Ammersee. Früh am Morgen checkt der Immobilienmakler, "was reingekommen ist". Die meisten Anfragen kommen nachts und werden von ihm von 6 Uhr an abgearbeitet.
Kirschberger trifft eine Vorauswahl, die den Vorgaben des Eigentümers entspricht. "Das hängt nicht immer mit der Höhe des Einkommens zusammen", sagt Kirschberger. Aber oft. "Das kann auch ganz individuell sein." Oder an Haustieren liegen. An Musikinstrumenten. Manchmal tut es ihm leid, dass er sich nicht einsetzen kann für die Menschen, die ihm sympathisch sind, aber wegen ihrer Einkommensverhältnisse keine Aussicht auf die Wohnung haben, die er ihnen zeigt. Doch letztlich hat er keinen Einfluss darauf, wie der Eigentümer entscheidet.
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Kirschberger ist Mittelsmann. Als solcher passt er sich auch den Wünschen der Erbin an, die vor ihm weiter in Richtung Küche schreitet. Kirschberger bleibt ihr dabei auf den Fersen, weicht immer wieder galant zurück und gibt im richtigen Moment den Blick auf wichtige Details frei, wie den üppigen Kamin im Wohnzimmer. Er öffnet das Eisschubfach in der Küche, in dem kleine Wodka-Flaschen liegen. "Typisch Russen", sagt die Erbin und lacht. Kirschbergers Mitarbeiterin, in Weißrussland geboren, nickt zustimmend. Der Makler schiebt das Fach wieder zurück in die Kühlung .
Was Kirschberger am besten gefällt an seiner Arbeit? "Die verschiedenen Menschen und Geschichten, die ich kennenlerne", sagt er. Störend findet er vor allem, "wenn Leute sich nicht mehr melden". Kirschberger ist darauf bedacht, sich selbst und seine Dienste immerfort seinen Kunden anzupassen. Wenn sie aber sagen, es habe ihnen gefallen und sich dann nie wieder melden, ist er machtlos.
Über die klaren Worte der Interessentin, die sich Safe und Klimaanlage wünscht und schließlich gerne einen prächtigeren Eingangsbereich hätte, ist der Makler deshalb froh. Sofort beginnt er zu grübeln, wie man umbauen könnte. Vielleicht den Eingang im unteren Geschoss bauen und das ehemalige Nanny-Zimmer einreißen? Das Paar hat ja keine Kinder.
Schließlich führt Kirschberger die Interessenten noch zum Herzstück der Wohnung, das in jedem Fall überzeugen muss: die Dachterrasse mit Blick auf Frauenkirche und Alpen. Weil der Regen es unmöglich macht, sie zu betreten, öffnet Kirschberger einfach eine Tür und bringt ein letztes Verkaufsargument: "Hören Sie", sagt er, "Sie hören nichts!"