Hohe Aussagekraft für ihr Ranking räumen die Experten zudem der Wohnform WG ein. Aus dem Datenmaterial lasse sich ableiten, dass heute außer Studenten auch junge Berufstätige in Wohngemeinschaften leben - im teuren München seien es sogar 45 Prozent derer, die ein WG-Zimmer suchen, mehr als in allen anderen untersuchten Städten. Grund dafür sei ein Mangel an bezahlbaren Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen: Laut Studie fielen im Jahr 2014 nur knapp 95 000 der 775 000 Münchner Wohnungen in diese Kategorie.
Also ziehen viele unter 30-Jährige in WGs, woraus die Experten schließen, dass Wohngemeinschaften "ein ziemlich guter Indikator zur Prüfung der Lagepräferenzen" junger Leute sind. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter mit der These, dass WGs zum Zugpferd für die Entwicklung eines Stadtviertels werden: Siedeln sie sich zunehmend in einer Gegend an, die für junge Leute eigentlich nicht besonders attraktiv ist, können sie dort Veränderungen in Gang setzen. Stefan Brauckmann spricht von einer "Pionierfunktion".
Die Untersuchung identifiziert für München zunächst die klassischen "Szene-Lagen", in denen junge Leute leben: zentrale Viertel mit vielen Freizeitmöglichkeiten, guter Nahversorgung, einem bunten Kultur- und Gastronomieangebot und einem Nahverkehrsknoten gleich um die Ecke. Erwartungsgemäß sind das die Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (88,0 von 100 Punkten), die Maxvorstadt (86,9) und Schwabing-West (83,5).
Anhand des 500-mal-500-Meter-Rasters und der Nachfrage nach WG-Zimmern konkretisiert die Untersuchung diesen Befund. Interessante Wohnlagen sind demnach Kapuziner- und südlicher Nußbaumplatz samt Umgebung (je 91,5 Punkte), Schellingstraße und Maßmannpark (je 90), Hohenzollern- und Kurfürstenplatz (je 67,5), aber auch die Volkartstraße in Neuhausen (76,5), der Reichenbachplatz im Glockenbachviertel (77) und der Weißenburger Platz in Haidhausen (75,5).
Es sind jedoch nicht die zentralen Szeneviertel, die Stefan Brauckmanns Interesse wecken. "Besonders spannend" findet er, was an den Rändern des Kerngebiets geschieht. Die Quartiere dort seien von mehrgeschossigen Wohnhäusern aus der Nachkriegszeit geprägt, "die sich jetzt langsam aufgrund des hohen Preisdrucks zu Lagen für junge Leute entwickeln". Dazu zählt er "das nördliche Laim" und "die Randbereiche von Ober- und Untergiesing". Es werde interessant sein zu beobachten, sagt Brauckmann, ob dieser Zuzug nachhaltig sei, ob er langfristig gar Veränderungen in den Vierteln auslösen werde.
Als Beispiele für solche aufstrebenden Gegenden in Randlage nennt die Studie den Milbertshofener Platz (53,5 Punkte), den Harras mit S- und U-Bahn-Anschluss (50,5), den Bereich von der Fürstenrieder (50,5) entlang der Agnes-Bernauer- (45,5) bis zur Lautensackstraße (50,5) in Laim und die Quartiere um Winterstraße (44,5) und Wettersteinplatz (44,5), um den Walchenseeplatz (70) und den U-Bahnhof Silberhornstraße (75) in Giesing.