Wohnen in München:Diese Stadtviertel ziehen immer mehr junge Menschen an

Gäste vor einem Lokal in Schwabing, 2014

Nach der These der Forscher des Moses Mendelssohn Instituts werden sich auch Quartiere in Randlagen verändern, wenn sich dort junge Leute ansiedeln.

(Foto: Catherina Hess)
  • Eine Studie ermittelt in sieben deutschen Großstädten Wohngegenden, die von jungen Leuten bevorzugt werden.
  • Außer Studenten leben auch junge Berufstätige vor allem in WGs. Sie können die Entwicklung von Vierteln in Randlage vorantreiben.
  • In München werden Laim sowie die Gegenden um den Harras und den Milbertshofener Platz zunehmend attraktiv für unter 30-Jährige.

Von Ulrike Steinbacher

Dass junge Leute gern in Schwabing und der Maxvorstadt wohnen, ist allgemein bekannt. Dort liegen die Universitäten, dort ist abends was los. Dass aber auch der Norden von Laim und die Gegend um den Harras und den Milbertshofener Platz zunehmend attraktiv werden für unter 30-Jährige, das gehört zu den eher überraschenden Ergebnissen der Studie "Junges Wohnen".

Im Auftrag des Immobilienentwicklers GBI AG haben das Moses Mendelssohn Institut (MMI) und das Immobilienportal WG-gesucht.de in sieben deutschen Großstädten Wohngegenden ermittelt, die von Studenten und Berufseinsteigern offenbar bevorzugt werden. Das Internetportal WG-gesucht.de hat nach eigenen Angaben pro Jahr 73 Millionen Besucher, mehr als 80 Prozent davon aus Deutschland.

Zwei Drittel dieser Nutzer suchen ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG). Das MMI mit Hauptsitz in Berlin ist eine Gesellschaft der Moses Mendelssohn Stiftung; die Stiftung hält 50 Prozent Anteile am Auftraggeber der Studie, der GBI AG. Das Institut erarbeitet Studien speziell zur Stadt- und Regionalentwicklung, zu Baugeschichte, Tourismus, Verkehr und gesellschaftlichem Wandel.

Wo junge Leute wohnen, was sie sich leisten können, was ihnen in ihrem unmittelbaren Umfeld wichtig ist und was nicht, das ist für die Stadtentwicklung interessant, gerade in Großstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Stadtplaner und Immobilienentwickler können daraus Schlüsse ziehen, welche Wohnungen sie in welcher Gegend bauen sollten.

Ziel der Studie sei es, "eine unabhängige Aussage zum Wohnungsmarkt für junge Menschen zu erhalten", heißt es in der Einleitung. Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts, fasst zusammen: Einerseits seien da die Investoren, "die schauen wollen, wo sich Neubau lohnt". Andererseits könnten Stadtplaner die Informationen nutzen, um "gezielte Ansiedlungsversuche" in bestimmten Quartieren zu unternehmen und so "Veränderungsprozesse in Gang zu setzen".

Wohnen in München: SZ-Grafik

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Für ihre Untersuchung haben die Experten Daten aus amtlichen Statistiken für die Großstädte Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart ausgewertet. Ihre Tiefenschärfe erhält die Studie dadurch, dass alle Stadtbezirke in 500 mal 500 Meter große Quadrate aufgeteilt wurden. Dieses Raster ermöglicht Aussagen über kleinteilige Quartiere. Die Attraktivität der Wohnlagen werden nach einem Punktesystem bewertet. Sehr attraktive Gegenden erreichen eine Punktzahl von 75 bis 100, mäßig attraktive liegen zwischen 50 und 75.

Hohe Aussagekraft für das Ranking haben vor allem WGs

Hohe Aussagekraft für ihr Ranking räumen die Experten zudem der Wohnform WG ein. Aus dem Datenmaterial lasse sich ableiten, dass heute außer Studenten auch junge Berufstätige in Wohngemeinschaften leben - im teuren München seien es sogar 45 Prozent derer, die ein WG-Zimmer suchen, mehr als in allen anderen untersuchten Städten. Grund dafür sei ein Mangel an bezahlbaren Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen: Laut Studie fielen im Jahr 2014 nur knapp 95 000 der 775 000 Münchner Wohnungen in diese Kategorie.

Also ziehen viele unter 30-Jährige in WGs, woraus die Experten schließen, dass Wohngemeinschaften "ein ziemlich guter Indikator zur Prüfung der Lagepräferenzen" junger Leute sind. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter mit der These, dass WGs zum Zugpferd für die Entwicklung eines Stadtviertels werden: Siedeln sie sich zunehmend in einer Gegend an, die für junge Leute eigentlich nicht besonders attraktiv ist, können sie dort Veränderungen in Gang setzen. Stefan Brauckmann spricht von einer "Pionierfunktion".

Die Untersuchung identifiziert für München zunächst die klassischen "Szene-Lagen", in denen junge Leute leben: zentrale Viertel mit vielen Freizeitmöglichkeiten, guter Nahversorgung, einem bunten Kultur- und Gastronomieangebot und einem Nahverkehrsknoten gleich um die Ecke. Erwartungsgemäß sind das die Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (88,0 von 100 Punkten), die Maxvorstadt (86,9) und Schwabing-West (83,5).

Anhand des 500-mal-500-Meter-Rasters und der Nachfrage nach WG-Zimmern konkretisiert die Untersuchung diesen Befund. Interessante Wohnlagen sind demnach Kapuziner- und südlicher Nußbaumplatz samt Umgebung (je 91,5 Punkte), Schellingstraße und Maßmannpark (je 90), Hohenzollern- und Kurfürstenplatz (je 67,5), aber auch die Volkartstraße in Neuhausen (76,5), der Reichenbachplatz im Glockenbachviertel (77) und der Weißenburger Platz in Haidhausen (75,5).

Es sind jedoch nicht die zentralen Szeneviertel, die Stefan Brauckmanns Interesse wecken. "Besonders spannend" findet er, was an den Rändern des Kerngebiets geschieht. Die Quartiere dort seien von mehrgeschossigen Wohnhäusern aus der Nachkriegszeit geprägt, "die sich jetzt langsam aufgrund des hohen Preisdrucks zu Lagen für junge Leute entwickeln". Dazu zählt er "das nördliche Laim" und "die Randbereiche von Ober- und Untergiesing". Es werde interessant sein zu beobachten, sagt Brauckmann, ob dieser Zuzug nachhaltig sei, ob er langfristig gar Veränderungen in den Vierteln auslösen werde.

Als Beispiele für solche aufstrebenden Gegenden in Randlage nennt die Studie den Milbertshofener Platz (53,5 Punkte), den Harras mit S- und U-Bahn-Anschluss (50,5), den Bereich von der Fürstenrieder (50,5) entlang der Agnes-Bernauer- (45,5) bis zur Lautensackstraße (50,5) in Laim und die Quartiere um Winterstraße (44,5) und Wettersteinplatz (44,5), um den Walchenseeplatz (70) und den U-Bahnhof Silberhornstraße (75) in Giesing.

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