Wohnen in München:5100 Wohnungen droht die Luxussanierung

Wohnen in München: Schon aufgewertet: Ganze Straßenzüge, wie hier die Juta- und die Horemansstraße, fallen nicht mehr unter die Erhaltungssatzung.

Schon aufgewertet: Ganze Straßenzüge, wie hier die Juta- und die Horemansstraße, fallen nicht mehr unter die Erhaltungssatzung.

(Foto: Robert Haas)

Der Grund: Der Bestandsschutz fällt für diese Häuser in Neuhausen weg. Eine Entwicklung, die sich auch in anderen Stadtbezirken beobachten lässt.

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Entlassungen sind nie schön, so ist es auch in diesem Fall: Aus der Erhaltungssatzung für Neuhausen sind 5100 Wohnungen herausgefallen. Unter Schutz stehen künftig nur noch 3800 Wohnungen südlich des Rotkreuzplatzes, links und rechts der Schulstraße, und - neu hinzugekommen - ein Gebiet zwischen Hirschberg- und Richelstraße. Dort ist das Potenzial für "Aufwertung" vorhanden, ein unabdingbares Kriterium für eine Erhaltungssatzung: 60 Prozent der Gebäude wurden vor 1948 erbaut, weitere 20 Prozent zwischen 1949 und 1968.

Die Kaufkraft der dort lebenden 6300 Menschen aber liegt mit 26 800 Euro im Jahr deutlich unter den 28 900 Euro, die der Durchschnittsmünchner ausgeben kann; fast ein Drittel der Haushalte muss mit weniger als 1500 Euro monatlich auskommen. Aufwendige Renovierungen, Luxussanierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen würden die angestammten Mieter verdrängen.

Die zum 30. Juni "entlassenen" Wohnungen, so heißen sie im Verwaltungsdeutsch, liegen westlich des Rotkreuzplatzes zwischen Nibelungenstraße, Winthirplatz und Wendl-Dietrich-Straße, östlich des Rotkreuzplatzes zwischen Nymphenburger, Albrecht- und Leonrodstraße sowie nordwestlich der Leonrodstraße zur Landshuter Allee hin. Hier, so hat die detaillierte Untersuchung des Planungsreferates ergeben, leben überwiegend Menschen, deren Jahreseinkommen den städtischen Durchschnitt um 14,5 Prozent übersteigt.

Das Gebiet sei bereits seit Längerem ein hochattraktiver Wohnstandort, in dem "die besonders aufwendigen, folgenreichen Aufwertungen des Wohnungsbestandes zumindest vorerst abgeschlossen und beendet" seien, was schon zu einem Wechsel in der Bewohnerstruktur geführt habe.

Will heißen: Es gibt keine schutzwürdige Mischung mehr - zu wenige Geringverdiener und mittlerweile auch Menschen mit mittlerem Einkommen, zu wenige Alleinerziehende, zu wenige alte Menschen. Daher kann man dem Gebiet keinen Schutzmantel mehr umhängen; es wäre juristisch nicht wasserdicht bei Klagen von Hauseigentümern oder potenziellen Investoren. Die Erhaltungssatzung "funktioniert eben nur bedingt als Milieuschutz", sagt Anna Hanusch, Vorsitzende des Neuhauser Bezirksausschusses und Stadträtin der Grünen, "nicht wirklich als konkreter Schutz für einzelne Mieter oder Mieterinnen".

Sie hätte gerne zumindest einen Streifen direkt an der Landshuter Allee, von der Nymphenburger Straße nach Norden, weiter unter Schutz gesehen. Noch tost dort der Verkehr auf dem Mittleren Ring direkt an den Häusern vorbei; was aber passiert, wenn/falls hier ein Tunnel gebaut wird, kann man sich ausmalen. "Aber wir können es uns leider nicht so stricken, wie wir es gerne hätten", seufzt Hanusch.

In den vergangenen Wochen haben die Stadträte diverse Viertel unter die Lupe genommen, in denen die Erhaltungssatzungen, die jeweils fünf Jahre gelten, kurz vor dem Auslaufen standen. "Leider haben wir viele Flächen verloren", bedauert Hanusch, die als Mitglied im Planungsausschuss das Ringen um Verlängerung oder Neuzuschnitt der Schutzgebiete unmittelbar miterlebt.

Wohnen in München: SZ-Grafik, Quelle: Stadt München

SZ-Grafik, Quelle: Stadt München

Besonders groß war die Aufregung im Gärtnerplatzviertel, das ohnehin in permanenter Gentrifizierungsgefahr ist. Im Schatten des Edel-Wohnturms "The Seven" an der Müllerstraße haben sich hier gute bis beste Wohnlagen entwickelt. Rund 35 000 Euro kann der Gärtnerplatz-Anwohner im Durchschnitt gesehen jährlich ausgeben. Die Stadt kündigte zunächst an, die Erhaltungssatzung nicht mehr zu verlängern, schneiderte dann aber einen Kompromiss. Das Geltungsgebiet wurde neu abgesteckt, ganze Straßenblöcke am Gärtner- und Reichenbachplatz sowie zwischen Fraunhofer-, Rumford- und Reichenbachstraße fielen heraus.

Auch in Sendling ist das Schutzgebiet kleiner geworden. In Haidhausen wurde zwar ein Teil entlassen, das Geltungsgebiet insgesamt aber beträchtlich vergrößert. Auch in Giesing kam einiges dazu. Kein Erfolg beschieden war den Maxvorstädtern, die eine Erhaltungssatzung für das Gebiet zwischen Pappenheim-, Nymphenburger, Blutenburgstraße und Landshuter Allee gefordert haben.

Eine grenzüberschreitende Forderung, denn die Straßenzüge liegen überwiegend auf Neuhauser Flur. Doch negative Entwicklungen können ja herüberschwappen, mögen sie sich im Bezirksausschuss der Maxvorstadt gedacht haben. Auch hier aber ergab die Prüfung durch die Stadt: eine hochattraktive Wohngegend mit überwiegend einkommensstärkeren Haushalten - also nicht schutzbedürftig.

"Letztendlich ist die Erhaltungssatzung, wie auch die Mietpreisbremse, ein eher stumpfes Instrument", bilanziert Anna Hanusch. "Bei den meisten entlassenen Gebieten ist es im Grunde nicht gelungen, den Gentrifizierungsprozess aufzuhalten."

Alles ist im Fluss

20 Erhaltungssatzungsgebiete gibt es aktuell in München, in denen etwa 239 000 Einwohner in 136 000 Wohnungen leben. Dort gilt: ohne Genehmigung keine Luxussanierung, keine Aufteilung in Eigentumswohnungen und eine Neuvermietung nur an Menschen, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Nur wer Mieterschutz zusichert, kann dort Häuser erwerben; die Stadt kann notfalls auf ein Vorkaufsrecht pochen. Dieses Instrument der Wohnungspolitik schützt nicht Mieter in Einzelfällen, es kann nur versuchen, eine gewisse Struktur der Bevölkerung zu erhalten - Milieuschutz sozusagen. Weil aber alles im Fluss ist, in einigen Vierteln mehr als in anderen, muss alle fünf Jahre vor der Verlängerung einer Satzung überprüft werden, ob die Voraussetzungen noch erfüllt sind - damit die Satzung juristisch nicht anfechtbar ist.son

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