Wohnen in München:Boom und Schatten

München platzt aus allen Nähten: Der Zuzug in die Stadt ebbt nicht ab und auch in der Region ist der Wohnraum knapp. Nirgendwo sind die Immobilenpreise so hoch wie in in München und dem Umland. Verzweifelt sucht die Politik nach Lösungen, wie mit dem Boom umzugehen ist.

Ulrich Schäfer

Der Ballungsraum München boomt - und das ist gut so. Nirgendwo sonst ist die Zahl der Arbeitslosen derart niedrig und die Zahl der Unternehmen, die dem Deutschen Aktienindex Dax angehören, derart groß wie in München. Wer hier in der Stadt oder dem Umland lebt und arbeitet, dem geht es meist besser als den Menschen in anderen deutschen Ballungsräumen: Das Einkommen ist höher, das Vermögen auch und die Lebenszufriedenheit sowieso.

Genossenschaftliches Wohnen in München, 2011

Wohnanlage in der Schwanthalerhöhe: Gibt es in München genügend Platz für den Boom?

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Ballungsraum München boomt - und das ist schlecht so. Nirgendwo sonst in Deutschland sind Wohnungen und Eigenheime derart knapp und die Preise für Immobilien so hoch. Ob im Lehel, in Sendling oder in Haidhausen, ob in Unterföhring, Poing oder Germering, überall zahlt man weit mehr als in vergleichbaren Gegenden anderer Ballungsräume. Auch für den täglichen Einkauf müssen die Menschen hier mehr ausgeben.

Der große Boom: Man kann ihn von seiner schönen Seite betrachten und sich freuen, dass München in der ganzen Welt gerühmt wird für seine Wirtschaftskraft, seine Entwickler und Forscher, die Hochschulen und Kulturgüter, und dass man vom deutschen "Silicon Valley" spricht. Man kann ihn aber auch von seiner negativen Seite her betrachten und stellt dann fest, dass die Metropole samt der Region drumherum aus den Fugen geraten ist und vieles nicht in gleicher Weise mitgewachsen ist: Schulen, Kindergärten, Neubauviertel, Verkehrsnetze.

Manch einer, wie Herbert Henzler, der Vorsitzende des Zukunftsrates der Staatsregierung, sagt, dies sei kein Problem. Bayern solle, so empfahl der Zukunftsrat in einem umstrittenen Gutachten, einfach noch stärker auf die Metropolen setzen, sie fördern und nicht so sehr den ländlichen Raum. Andere, wie der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, ziehen genau den gegenteiligen Schluss und wollen der Metropolregion München am liebsten einen Wachstumsstopp verordnen.

Doch Münchens Boom lässt sich nicht einfach stoppen, alle Prognosen besagen, dass die Stadt und ihr Umland weiter prosperieren werden und deshalb in zwei Jahrzehnten noch mehr Menschen hier leben und arbeiten werden, dass sie auf den Autobahnen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln wochentags in die Metropole drängen und an den Wochenenden hinaus, um sich an den Seen und Flüssen und in den Bergen zu erholen.

Während der Rest der Republik schrumpfen wird und die Zahl der Bundesbürger insgesamt sinkt, wird die Zahl derjenigen, die im Großraum München leben, zunehmen - so wie schon seit Jahren.

Die überwiegende Zahl der Neubürger stammt nicht aus der Region, sondern aus dem Rest der Republik und zum Teil aus der ganzen Welt. München mit seiner geringen Arbeitslosigkeit, dem hohen Lebensstandard und der schönen Landschaft zieht sie magisch an. Sie alle ziehen in einen Ballungsraum, der schon dicht besiedelt ist, dichter als jede andere Metropolregion in Deutschland.

So drängen sich in München mehr als 4300 Menschen auf einem Quadratkilometer, in neun Jahren dürften es sogar 4800 Menschen sein. Dies ist die höchste Einwohnerdichte unter allen deutschen Städten und Gemeinden, noch vor Berlin.

Gemeinsame Lösungen für Stadt und Umland

Doch nicht nur in der Landeshauptstadt herrscht Gedränge, sondern auch im Speckgürtel: Ottobrunn folgt in der nationalen Rangliste auf Rang drei, Gröbenzell auf Rang fünf, Neubiberg auf Rang 17 und Unterhaching auf Rang 28.

Diesen Speckgürtel gab es lange nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist erst einmal nur München gewachsen. Doch ab dem Ende der 50er Jahre zogen immer mehr Menschen raus aufs Land - erst recht, nachdem der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wurde. Heute macht es kaum einen Unterschied, ob man in der Stadt nach einer Wohnung sucht oder im Umland - verglichen mit dem Rest der Republik gilt: Teuer ist es überall.

Und so stellt sich die Frage: Wo sollen all die Menschen hin, die in den kommenden Jahren zuziehen? Wo sollen all die Familien leben, die in nächsten Jahrzehnten von Einheimischen und Zuagroasten gegründet werden? Und wo sollen all jene leben, die sich schon jetzt das Leben in der Stadt nicht leisten können? Wo finden sie Schulen und Kindergärten, die nicht aus allen Nähten platzen? Und wie kommen jene zur Arbeit, die im Speckgürtel leben, aber in der Stadt arbeiten?

In den kommenden Jahren werden diese drängenden Fragen die Politik im Ballungsraum beherrschen, und sie werden nur zu lösen sein, wenn die Metropole und die Städte und Gemeinden im Umland kooperieren und gemeinsam nach Lösungen suchen.

Dieter Reiter, der für die SPD der nächste Oberbürgermeister Münchens werden soll, hat die Umlandgemeinden im Frühjahr aufgefordert, doch bitteschön nicht nur Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser zu erteilen, sondern auch für Wohnblocks. Ganz so einfach allerdings wird sich das Problem nicht lösen lassen; die Forderung des Münchner Wirtschaftsreferenten, der selber im Umland lebt, im ländlichen Straßlach-Großdingharting, stieß jedenfalls bei manchen Bürgermeistern auf Unverständnis. Allerdings nicht überall.

Die Süddeutsche Zeitung wird sich in den nächsten Wochen ausführlich all diesen Fragen widmen. In einer großen Serie mit dem Titel "Wohnen - Wachstum - Zukunft: Wie bewältigt der Großraum München den Boom?" werden sich die Redakteure des Regionalteils in Analysen, Reportagen und Hintergrundstücken mit den Nöten all jener auseinandersetzen, die unter den Schattenseiten des Booms leiden: den Bürgern und Politikern, Unternehmern und Verkehrsplanern, Lehrern und Kindergärtnerinnen.

Die SZ wird mit Experten über mögliche Lösungen reden: in der Zeitung, aber auch in Podiumsdiskussionen, bei denen auch die Leser ihre Meinung sagen können. Die Folgen der Serie werden von nun an stets am Mittwoch und Samstag erscheinen. Sie werden, abhängig vom jeweiligen Thema, durch die Ressorts des Regionalteils wandern. Denn der Boom und seine Folgen für Wohnen und Leben im Großraum betrifft eben sehr unterschiedliche Aspekte.

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