Wohnen in der Region:Wie in und um München neue Wohnungen entstehen sollen

Im Stadteil Moosach wird ein Haus auf Stelzen gebaut, in Ottobrunn entstehen auf dem ehemaligen EADS-Gelände zusätzliche Wohnungen und in Fürstenfeldbruck sollen Familien und Kita einen gemeinsamen Neubau beziehen.

7 Bilder

Ruinengrundstück in Utting

Quelle: STA Franz Xaver Fuchs

1 / 7

Als 2012 an der Hauptdurchgangsstraße in Utting Teile eines Bauernhofs abbrannten, witterten Spekulanten ihre Chance: Ein gut drei Hektar großes, zentrales Quartier in der Ammerseegemeinde stand zur Disposition, etwa die Hälfte war noch unbebaut. Einige Bauvoranfragen gingen ein, die der Gemeinderat allesamt zurückwies. Im Mai 2015 beschloss er, eine Vorkaufssatzung für die sogenannten Schmucker-Grundstücke zu erlassen, damit die Gemeinde anstelle eines potenziellen Käufers zu gleichen Bedingungen in den Vertrag einsteigen könnte. Ziel war zunächst, die innerörtliche Grünfläche im Zentrum des Quartiers vor ungeordneter Zersiedelung zu bewahren.

Aber in den folgenden Monaten wurde immer klarer, dass in Utting dringend Bedarf an Wohnraum für Normalverdiener besteht. Der Gemeinderat und Bürgermeister Josef Lutzenberger (Grün-Alternative Liste) überlegten, auf einem Teil der zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke sozial orientierten Wohnungsbau zu realisieren.

Im Februar trat der Ernstfall ein: Die Erben hatten einen Käufer gefunden, der gleich den gesamten Nachlass an Grundstücken erwerben wollte. Die Gemeinde Utting ergriff die Gelegenheit und übernahm anstelle des privaten Interessenten das etwa 4,5 Millionen Euro teure Immobilienpaket. Es umfasst nicht nur das Areal des ehemaligen Schmuckerhofs, sondern auch landwirtschaftlich genutzte Flächen außerhalb des Orts - insgesamt rund 20 Hektar. Die Gemeinde Utting wurde dadurch zum Großgrundbesitzer.

Ortsschild Gemeinde Pliening

Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

2 / 7

Noch vor kurzem war auf dem knapp 4000 Quadratmeter großen Grundstück in Landsham ein Hotel geplant. Nun soll in dem Ortsteil von Pliening im Norden des Landkreises Ebersberg ein Mehrgenerationenhaus entstehen. Die Genossenschaft Maro will es errichten. In dem Bauwerk, das sein Vorbild in einem ebenfalls von der Genossenschaft betriebenen Neubau in Weilheim hat, sollen neben geförderten Wohnungen zwei Wohngemeinschaften - eine für Demente und eine für Pflegebedürftige - eingerichtet werden. Auch für geförderte Büros soll Platz sein, alles wird komplett barrierefrei.

Das Besondere daran: Die Mieter, die hier einmal einziehen werden - drei der Wohnungen haben vier bis fünf Zimmer und sind für kinderreiche Familien gedacht - zahlen nur eine geringe Miete von etwa 5,50 Euro pro Quadratmeter. Was darüber hinaus geht, übernimmt der Bezirk, also die Regierung von Oberbayern. Das gilt auch für die Büros, die besonders für Menschen gedacht sind, die wegen einer Behinderung ihren Beruf sonst aufgeben müssten. Die Genossenschaft konzentriert sich mit ihrem Mehrgenerationenkonzept speziell auf das Umland. Wird das Plieninger Vorhaben genehmigt, könnte der Landkreis Ebersberg, der sich für die Förderung des sozialen und bezahlbaren Wohnungsbaus einsetzt, eine Vorreiterrolle übernehmen.

-

Quelle: Hartmut Pöstges

3 / 7

In Geretsried entsteht das wohl größte Neubau-Projekt im Münchner Umland: Auf dem Gelände der früheren Spielzeugfabrik Lorenz sind 600 günstige Wohnungen geplant. Damit wächst die mit 24 000 Einwohnern größte Stadt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen auf einen Schlag um rund 1500 Menschen - und sie wird nach der geplanten Verlängerung der S-Bahn auch für Pendler in die Landeshauptstadt interessant.

Nach dem Vorbild der Münchner Mischung sind je rund ein Drittel geförderte, frei finanzierte und Eigentumswohnungen vorgesehen - darauf haben sich die Stadt, das Wolfratshauser Bauunternehmen Krämmel und die örtliche Baugenossenschaft geeinigt. Die Mieten sollen auch bei den frei finanzierten Wohnungen ein bis zwei Euro pro Quadratmeter unter dem Durchschnittspreis liegen, der in Geretsried bei elf bis zwölf Euro rangiert. Firmensenior Reinhold Krämmel will damit etwa Erzieherinnen, Polizisten und Verkäuferinnen die Chance auf eine bezahlbare Wohnung bieten - sie verdienten für den freien Markt zu wenig und für eine Sozialwohnung oft zu viel. Die Details stehen noch nicht fest, dennoch murrt mancher bereits über die "kasernenartige" Bebauung mit fünf Etagen sowie höheren Wohntürmen - und die Industrie fürchtet um ihre Gewerbeflächen. Die Regierung von Oberbayern hält das Projekt für mustergültig.

BGH urteilt im Streit um Kinderlärm

Quelle: dpa

4 / 7

Die Stadt Fürstenfeldbruck will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und betritt dafür Neuland: Ein marodes Gebäude, in dem bislang vor allem ein städtischer Kindergarten, ein Hort sowie ein Jugendzentrum untergebracht sind, soll durch einen Neubau ersetzt werden. In den beiden Obergeschossen wäre dann Platz für 18 Sozialwohnungen. Unten sollen wieder vier Kindergarten- und drei Hortgruppen einziehen, das Jugendzentrum wird in einem etwas abgesetzten Flügel des Gebäudes unterkommen.

Damit würden sowohl mehr Kita-Plätze als auch mehr erschwingliche Mietwohnungen geschaffen. Eine endgültige Entscheidung über das 10,5-Millionen-Euro-Projekt muss nun der Stadtrat treffen. Weil die Stadt von Fördermitteln und günstigen Krediten sowie von regelmäßigen Mieteinnahmen profitiert, lohnen sich die Aufstockung und die Investition in die Sozialwohnungen laut Kämmerin Susanne Moroff auch betriebswirtschaftlich. Drei Prozent Rendite soll das Projekt abwerfen. Die Differenz der günstigen Mieten zum Marktniveau bekommt die Stadt nach dem Bezug vom Landkreis erstattet. Einige Stadträte warfen die Frage auf, ob sich Kita und Wohnen vertragen. Die Stadtverwaltung sicherte schalldämmende Maßnahmen zu und will die Wohnungen vorzugsweise an Menschen im erwerbsfähigen Alter und an Familien vergeben.

-

Quelle: Claus Schunk

5 / 7

Wenn Investoren im Rathaus anklopfen, weil sie auf Gewerbeflächen Wohnungen schaffen wollen, schrillen bei Bürgermeistern die Alarmglocken. Trotzdem hat sich der Ottobrunner Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) in seiner Gemeinde gerne auf den Deal mit dem Unternehmer Günther Trummer eingelassen, der befand, dass sein Grundstück nur für Gewerbe zu groß sei. Er darf nun auch 112 Wohnungen bauen. Unter dem Namen "Verve Living" entsteht auf dem früherem Gelände der EADS ein Wohngebiet.

Trummer ist Geschäftsführer der Firma Astyx GmbH, die er vor knapp 20 Jahren als Ausgründung der damaligen DASA schuf. Mittlerweile läuft das Unternehmen, das Sensoren für autonomes Fahren und für Tiefseebohrungen entwickelt, prächtig. Trummer will es deshalb von 50 auf 250 Mitarbeiter erweitern. Er baut auf dem Astyx-Campus, auf dem "Verve Living" entsteht, auch neue Firmengebäude. Wohnen und Arbeiten sollen dort also Hand in Hand gehen.

Die Gemeinde hat vertraglich gesichert, dass es auch so kommt. Und sie hat auch Zugriff auf sechs Wohnungen, die sie selbst an Erzieher oder anderes Personal vermieten kann. In erster Linie sollen jedoch Eigentumswohnungen für Astyx-Ingenieure gebaut werden - zum Quadratmeterpreis von 6000 Euro. Die Firmenangehörigen haben ein Vorkaufsrecht. Der Chef selbst hat sich schon eine Wohnung gesichert.

-

Quelle: SZ

6 / 7

Über einem Parkplatz im Stadtbezirk Moosach direkt am Dantebad lässt die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag seit Juni ein Haus auf Stelzen mit 86 Apartments und 14 Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen errichten. Es ist der Auftakt des nicht unumstrittenen Projekts "Wohnen für alle", mit dem die Landeshauptstadt München über ihre städtischen Wohnungsbaugesellschaften, aber auch über private Investoren bis zum Jahr 2019 günstig, schnell und platzsparend bis zu 3000 zusätzliche Wohnungen schaffen will. Gedacht sind die Wohnungen für Geringverdiener, Studenten, Auszubildende und anerkannte Flüchtlinge.

Rund zehn Millionen Euro investiert die Gewofag in das Grundstück und den Bau. Weitere Häuser in anderen Stadtteilen werden nach diesem Prinzip folgen, wenn auch nicht unbedingt auf Stelzen. Das aufgeständerte Gebäude ist auch gestalterisch ein Novum in der Stadt. Erstellt wird es in modularer Bauweise aus Fertigteilen. Einzig die Treppenhäuser und die Laubengänge werden in Massivbauweise aus Stahlbeton hergestellt.

Gegner des Projekts entlang der Homerstraße sehen darin ein "Experiment auf Kosten der Anwohner" und sprechen von "Käfighaltung" und "bewusster Ghettoisierung". Doch die Stadt bleibt bei ihrem ehrgeizigen Ziel, den Komplex bereits Ende des Jahres fertiggestellt zu haben. Zwischen den Stelzen kann dann wieder geparkt werden.

-

Quelle: Claus Schunk

7 / 7

Die Mieter für das neue Gebäude am Ayinger Bahnhof standen bereits vor dem ersten Spatenstich fest: 50 Flüchtlinge, die derzeit noch in einer Container-Wohnanlage direkt daneben wohnen, werden Anfang August ihre neuen, wesentlich hochwertigeren Unterkünfte beziehen. Aktuell ist es eine Vorzeige-Flüchtlingsunterkunft, die die Baugesellschaft München-Land (BML) hier hochgezogen hat. Zwölf Zwei-Zimmer-Wohnungen mit einer Wohnfläche von 47 bis 59 Quadratmetern zu einem Preis von 2,6 Millionen Euro, frei finanziert durch Eigenmittel der BML und durch die Aufnahme von Darlehen auf dem freien Kapitalmarkt.

Der Verzicht auf staatliche Förderungen hat einen triftigen Grund: Wenn nach spätestens zehn Jahren der derzeitige Vermietungszweck entfällt, können die Wohnungen von der Gemeinde Aying Wohnungssuchenden aus dem Ort angeboten werden, ohne dass die Gemeinde dabei irgendwelche Förderrichtlinien beachten muss. Dafür hat sie sich ein dauerhaftes Belegungsrecht zusichern lassen. Im Gegenzug hat die Gemeinde das ihr gehörende Grundstück dem Landkreis München zum eher symbolischen Erbbauzins in Höhe von jährlich 100 Euro überlassen. In die zwölf Wohnungen könnten laut Bürgermeister Johann Eichler später einmal einkommensschwache Gemeindebürger einziehen. Sie könnten aber auch Pflegekräften und Erzieherinnen als Anreiz dienen, sich in Aying niederzulassen.

© SZ.de/ arm, aja, dac, slg, mm, anna, belo/axi
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: