Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:"Ich bin nicht das Sozialamt"

  • Die Mieter eines Hauses in der Sedanstraße in Haidhausen leben teilweise seit 30 Jahren in ihren Wohnungen. Nun befürchten sie, sich die Mieten bald nicht mehr leisten zu können.
  • Das Haus wurde vor einem halben Jahr an einen Projektentwickler verkauft.
  • Der Eigentümer sagt, manche Mieter bezahlten "keine marktgerechte Miete". Er will den Dachboden ausbauen, einen Außenaufzug anbauen und dann die Modernisierungskosten legal auf die Bewohner umlegen.

Von Anna Hoben

Die Sedanstraße nahe des Pariser Platzes, idyllischstes Haidhausen. Das Haus, um das es geht, gehörte bis vor einem halben Jahr einer Familien-Vermögensverwaltung. Die Mitglieder der Familie waren sich uneinig darüber, was damit geschehen sollte; die einen wollten verkaufen, die anderen nicht. Schließlich verkauften sie, das Haus ging an einen Projektentwickler. Noch wohnten sie trotz des Verkaufs "völlig unbehelligt wie seit teilweise 30 Jahren", sagen die Mieter heute.

Doch sie fragen sich, wie lange noch. Und ob die Tatsache, dass ihr Haus in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegt, das Haus vor Spekulation und sie vor übermäßigen Mieterhöhungen schützen kann. Viele von ihnen befürchten, sich die Mieten eines Tages nicht mehr leisten zu können. Vor Kurzem ist ein Exposé aufgetaucht, das die Bewohner in Sorge versetzt hat. Ein "denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus in Bestlage" wird da beworben. Es ist ihr Haus, auch die Adresse steht dabei.

"Durch gesetzliche Mieterhöhungen und Erhöhungen nach Modernisierungsumlage ist eine Bruttorendite zwischen 1,75 und 2 Prozent möglich", heißt es. 14,8 Millionen Euro soll der Kaufpreis betragen, "inklusive Genehmigung für zwei Lifte, Balkone und Dachgeschossausbau" - fast fünf Millionen mehr als der Preis beim Verkauf vor einem halben Jahr. Das Angebot habe sie in Aufregung versetzt, sagen die Mieter. Auf dem Exposé prangt das Logo der Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-GmbH.

Der Makler von der Landesbausparkasse, der als Ansprechpartner genannt wird, reagiert auf mehrmalige Kontaktversuche nicht. Der Hauseigentümer sagt auf Nachfrage, er habe das Exposé noch nie gesehen und habe "momentan nicht" vor, das Haus erneut zu verkaufen. Dass solche Angebote auftauchten, komme aber mittlerweile häufiger vor, der Eigentümer spricht von "Trittbrettfahrern", die versuchten, sich einen Auftrag zu sichern, "damit kämpfe ich bei anderen Objekten auch".

Und was hat er vor mit dem Haus in der Sedanstraße? Vor einigen Wochen habe er einen Bauantrag bei der Lokalbaukommission eingereicht. Den Dachboden will er ausbauen, einen Außenaufzug anbauen. Solche Modernisierungskosten kann er ganz legal auf die Bewohner umlegen. Ob - und wenn ja, wann - er das Haus erneut verkaufen wolle, könne er derzeit nicht sagen, teilt der Eigentümer mit.

Er sieht das so: Keiner seiner Mieter müsse Angst haben, "ich will ihnen nichts Böses, ich werde sie nicht rausschmeißen, werde weder den Strom abdrehen noch die Heizung abstellen, um Mieter loszuwerden, und halte mich an die gesetzlichen Regelungen." Dass die Mieten so bleiben, wie sie sind, müsse indes aber auch niemand erwarten. Manche Mieter im Haus bezahlten "keine marktgerechte Miete" mehr. Und er habe schließlich viel Geld investiert. "Ich bin nicht das Sozialamt, Wohltätigkeit kann ich mir bei den heutigen Preisen nicht erlauben." Er meint die Immobilien-Kaufpreise, die in München in den vergangenen Jahren noch deutlich stärker gestiegen sind als die Mietpreise. Noch liegen die günstigeren Wohnungen im Haus bei etwa zwölf Euro kalt pro Quadratmeter, es gibt aber auch deutlich teurere.

Im März, noch vor dem Verkauf, haben die Bewohner angefangen, Briefe zu schreiben, in denen sie ihre persönliche Situation schilderten. Sie legten sie in eine Mappe mit einem Bild ihres Hauses vorne drauf, ein Kind aus dem Haus hatte es gezeichnet. Die Mappen schickten sie an den Oberbürgermeister und die städtischen Referate. Sie baten darum, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht genau prüfen möge. Der Käufer unterschrieb die Abwendungserklärung, der Verkauf ging über die Bühne. Ob sie sich ihre Wohnungen irgendwann noch leisten können, bleibt für die Mieter in der Sedanstraße ungewiss - Erhaltungssatzung hin oder her.

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SZ vom 03.11.2018/baso
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