Wohnen:Günstige Mietpreise in München - geht doch

Lesezeit: 3 min

Die GWG hat am Frankfurter Ring gebaut. (Foto: Florian Peljak)
  • Mit dem Programm "Wohnen für alle" will die Stadt insgesamt 3000 preisgünstige Wohnungen schaffen.
  • An manchen Standorten sind bereits Wohnungen bezogen, allerdings fehlen Investoren und Grundstücke für weitere Projekte.
  • 2017 gingen in München 30 000 Anträge auf eine Sozialwohnung ein - nur 3000 konnten vergeben werden.

Von Anna Hoben

Alex ist ein lebhaftes Kind, "er hat sehr viel Energie", sagt seine Mutter Alina Alexa. Ihr Sohn, in ein paar Monaten wird er vier Jahre alt, läuft vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Er will nämlich etwas zeigen: sein Bett, das aussieht wie ein Rennauto und auf das er mächtig stolz ist. Seine Mutter, die Alex allein großzieht, ist indes einfach glücklich, dass sie nun eine Wohnung hat. Mit zwei Zimmern, einem Bad, sogar einem Balkon. Ein gutes Jahr wohnt sie nun hier, in einem Haus direkt gegenüber dem O2-Tower in Moosach. "Wohnen für alle", so nennt sich das, was hier entstanden ist, im Zuge eines Schnellbauprogramms der Stadt.

Alina Alexa hat ihr Zuhause gemütlich eingerichtet, die Wände in Pastelltönen gestrichen. Die 41-Jährige stammt aus Rumänien, hat als Pflegerin und Putzkraft gearbeitet. Gerade wartet sie auf die Ergebnisse ihrer Deutschprüfung, sie will endlich die Sprache richtig lernen. Und wenn Alex bald in den Kindergarten geht, will sie sich wieder um einen Job kümmern.

Wohnen in München
:Was sind schon 144 Quadratmeter in Haidhausen

Seit Jahren liegt ein Grundstück in der Metzgerstraße brach. Um dort zu bauen, hat sich eine Genossenschaft gegründet, die sofort loslegen könnte - wäre da nicht die Stadtverwaltung.

Von Johannes Korsche

Insgesamt 3000 preisgünstige Wohnungen bis zum Jahr 2020, das war der Plan, als der Stadtrat im Frühjahr 2016 das Programm "Wohnen für alle" beschloss. Mehr als 9000 Menschen in München haben keine eigene Bleibe, anerkannte Flüchtlinge stecken in Heimen fest, weil sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chance haben. 30 000 Anträge auf eine Sozialwohnung gingen 2017 beim Wohnungsamt ein, jeder dritte hat höchste Dringlichkeit. Vergeben konnte die Stadt jedoch nur 3000.

"Wohnen für alle" sollte schnell und effektiv zur Linderung der Wohnungsnot beitragen. Das Pilotprojekt der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, die Parkplatzüberbauung auf Stelzen am Dantebad in Moosach, sorgte denn auch für Staunen - weil gerade mal ein Jahr verging von der ersten Idee bis zur Eröffnung. Mittlerweile sind knapp 800 Wohnungen bezogen, fast alle von den beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften realisiert.

Eigentlich wollte die Stadt für die Hälfte der geplanten Apartments private Investoren gewinnen. Doch die sind nicht leicht dafür zu begeistern, ausschließlich Sozialwohnungen zu bauen. Zu hoch sind die Grundstückspreise in München, zu niedrig wären die Renditen. Und so hat sich bisher nur ein einziger Investor bereit erklärt: das Immobilienunternehmen RMCB, mit eben jenem Projekt in Moosach, Gärtnerstraße, neben dem O2-Tower. Direkt nebenan hat die Firma bereits ein Boarding-Haus, das Grundstück für "Wohnen für alle" hat der Investor in Erbpacht von der Stadt übernommen.

Mietpreise
:Die Münchner bangen um ihre Wohnungen

Gentrifizierung, Aufwertung, Mieterhöhung: Die Wohnangst in München hat längst auch diejenigen erfasst, die eigentlich eine Wohnung haben. Die Stadt darf diesen Irrsinn nicht akzeptieren.

Von Kassian Stroh

Das Projekt sei ihrem Vater "ans Herz gegangen", erzählt Kaja Bruss, die Tochter des Investors Rudolf Muhr. Gerne würde er nun mit einem ähnlichen Projekt in München anknüpfen und weitere Sozialwohnungen bauen, sagt Bruss. Es sei ihm ein Anliegen, seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen und als Unternehmer soziales Engagement zu zeigen - allein, es fehle ein Grundstück.

143 Wohnungen gibt es in dem Haus an der Gärtnerstraße, auch 50 Kinder unter 14 Jahren leben hier. Der Mietpreis liegt bei 9,55 Euro kalt pro Quadratmeter. Die eine Hälfte der Wohnungen wird durch das Sozialreferat über die Online-Plattform Sowon an Haushalte vergeben, die berechtigt sind, eine geförderte Wohnung zu bekommen. Die andere Hälfte setzt sich aus anerkannten Flüchtlingen und Wohnungslosen zusammen. "Menschen, die einen Einschnitt hatten in ihrem Leben und wieder auf die Füße kommen wollen", fasst SPD-Fraktionschef Alexander Reißl zusammen. Er ist zusammen mit der SPD-Planungssprecherin Heide Rieke bei der Wohnungsbau-Tour im Münchner Norden dabei, um zu zeigen, wie das scheinbar Unmögliche möglich werden kann: in kurzer Zeit bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der auch noch ansprechend aussieht.

Im Gemeinschaftsraum in der Gärtnerstraße sitzen Jugendliche über Deutschaufgaben, es gibt einen Kicker und einen Kleiderflohmarkt. Ein Stück den Flur hinab befindet sich ein Wlan-Café. Zum Konzept von "Wohnen für alle" gehört auch eine soziale Betreuung. So habe man beispielsweise einer Syrerin helfen können, ihren Studienabschluss anerkennen zu lassen, berichtet die Sozialpädagogin Irena Dedic.

Ein Stück weiter nach Norden, die Schittgablerstraße in der Lerchenau. Hier hat die Gewofag gebaut, ein helles, freundliches Haus in Holzbauweise. Dabei hatte es zunächst gar nicht so freundlich ausgesehen. Die Anwohner standen den Planungen mehr als skeptisch gegenüber, eine Informationsveranstaltung sei von "Abwehr" geprägt gewesen, erinnert sich Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler. Viele befürchteten, dass hier ein reines Männerwohnheim entstehen könnte. Tatsächlich wohnen in den 46 Wohnungen nun 100 Menschen, Singles ebenso wie Familien. Die Baukosten lagen mit 2600 Euro pro Quadratmeter deutlich unter dem, was Sozialwohnungsbau sonst kostet. Die Bewohner bezahlen, je nach Förderung, zwischen 5,65 und 9,40 Euro warm.

Im November sind die ersten Mieter eingezogen, und mittlerweile gebe es hier, verglichen mit den anderen beiden Gewofag-Projekten, die "höchste Akzeptanz", berichtet Dengler. Zu einem Sommerfest kamen im August sogar mehr Nachbarn als Bewohner. "Man muss sich nicht einbilden, dass danach alle Freunde sind, aber es stellt sich diese Erkenntnis ein: Das sind alles normale Menschen", sagt Heide Rieke. Ein nachbarschaftliches Verhältnis brauche schließlich Zeit, sich zu entwickeln.

Schließlich, dritte Station, Milbertshofen. Hier, direkt am Frankfurter Ring, hat die GWG 55 Wohnungen gebaut. Einfache Gestaltungselemente haben auch hier die Baukosten niedrig gehalten. Man habe an die Erfahrungen aus den sogenannten Minimalprojekten angeknüpft, bei denen ebenfalls kostengünstig Wohnraum entsteht, berichtet GWG-Geschäftsführerin Gerda Peter. Auch hier hatte es zu Beginn Protest gegeben, Anwohner fürchteten um einen Bolzplatz. Am Ende hat man alles geschafft: neue Wohnungen, neuer Spielplatz. Und der Bolzplatz ist immer noch da.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: