Wohnen:Genossenschaften: Gemeinsam zu den eigenen vier Wänden

Wohnen: Das Wogeno-Projekt im Domagkpark.

Das Wogeno-Projekt im Domagkpark.

(Foto: Michael Heinrich)
  • In München gründen sich immer mehr Genossenschaften: neun waren es in den vergangenen drei Jahren.
  • 700 Wohnungen haben sie zwischen 2014 bis 2017 fertiggestellt.
  • Wer eine Genossenschaftswohnung ergattert, zeichnet Anteile und bezahlt Miete, ist also gleichzeitig Eigentümer und Mieter.

Von Anna Hoben

Angefangen hat es im Freundeskreis mit der Frage, die sich in München so viele stellen: Wie können wir es uns künftig noch leisten, hier zu wohnen? Die Antwort, die sie sich gaben: Wir wagen etwas und schaffen selbst bezahlbaren Wohnraum. Im März 2015 gründeten sie also eine Genossenschaft, die sie Progeno nannten, zwölf Mitglieder waren sie damals, so erzählt es die Genossin Felizitas Mussenbrock.

Mittlerweile sind es 80 Mitglieder, das Eigenkapital beträgt vier Millionen Euro. Neben Geld investierten sie "eine große Portion Mut, Zeit, Kraft und Nerven". Schon wenige Monate nach der Gründung hatten sie ein Grundstück in Aussicht. Und die Einzugsparty im neuen Haus soll noch in diesem Jahr steigen.

Das Erfolgsmodell

Wer eine Genossenschaftswohnung ergattert, zeichnet Anteile und bezahlt Miete, ist also gleichzeitig Eigentümer und Mieter - mit lebenslangem Wohnrecht. Weil die Stadt München die Wohnungsnot nicht allein in den Griff bekommen kann, setzt sie schon lange auch auf Genossenschaften. Und die entwickeln sich immer mehr zum Erfolgsmodell. Neun Neugründungen in den vergangenen drei Jahren, 700 fertiggestellte Wohnungen zwischen 2014 bis 2017. "Das hat gut Fahrt aufgenommen", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk.

Die Stadt kann also nicht ohne Genossenschaften, und die können umgekehrt nicht ohne die Stadt - weil Grundstücke auf dem freien Markt für sie viel zu teuer wären. Und so vergibt die Landeshauptstadt 20 bis 40 Prozent ihrer Bauflächen in den großen Siedlungsgebieten an Genossenschaften. Vor ein paar Jahren, so Merk, habe sie sich noch gefragt, ob es überhaupt genug gebe, die das stemmen könnten. "So vorsichtig müssen wir jetzt nicht mehr sein."

Die Player

Da gibt es zunächst die "jungen Etablierten", wie Christian Stupka sie nennt. Für die Mitbauzentrale berät er heute im Auftrag der Stadt junge Genossenschaften; vor 25 Jahren hat Stupka selbst eine mitgegründet: die Wogeno. Sie hat mittlerweile 550 Wohnungen in 21 Häusern - und 5100 Mitglieder, die zwar nicht alle in einer Wogeno-Wohnung leben, aber mit ihren Anteilen dazu beitragen, dass die Genossenschaft ihre Vorhaben verwirklichen kann.

Zu den Etablierten gehören außerdem Wagnis und Frauenwohnen. Dann gibt es eine Gruppe von 2015 und 2016 gegründeten Genossenschaften, die schon am Planen oder am Bauen sind: Progeno, Bürgerbauverein München, Kooperative Großstadt und Bellevue di Monaco. Schließlich ist da noch eine dritte Gruppe, gegründet zwischen 2016 und 2018 und also ganz frisch am Start. Dazu gehört etwa die Stadtwerkschaft, ins Leben gerufen von Angestellten der Stadtwerke. In ihren Wohnungen sollen irgendwann zum Beispiel Busfahrer und U-Bahnfahrer leben können.

Weitere Neugründungen heißen WoProm, Zinwo, Am Johannis und Raum Neuried. Ganz neu ist die 2018 gegründete Genossenschaft Bauen und Gemeinschaft, zu den Gründern gehört der ehemalige Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG, Hans-Otto Kraus. "Man könnte sagen, wir haben schon genug gemacht und sollen endlich Ruhe geben", sagt der Ruheständler Kraus und lacht. Das wolle er aber nicht, sondern: sich an der Problemlösung beteiligen, der Spekulation mit Boden etwas entgegensetzen und "absurde Wertsteigerungen verhindern". Seine Genossenschaft plant zunächst 35 Wohnungen in Freiham.

Die Projekte

Zurzeit errichten die Genossenschaften mehr als 500 Wohnungen an verschiedenen Standorten. Konkrete Planungen gibt es bereits für weitere 700 Wohnungen. Darüber hinaus haben sie Interesse an Grundstücken für mindestens 1000 weitere Wohnungen angemeldet. In allen großen Münchner Neubaugebieten werden Genossenschaften einen großen Anteil haben.

So gehen etwa in Freiham 25 Prozent der Flächen an Genossenschaften, die dort ungefähr 1000 Wohnungen errichten werden. Von diesem Freitag an ist die Bewerbung für Grundstücke möglich. Auf dem Areal der Bayernkaserne in Freimann könnten einst 1200 Genossenschaftswohnungen entstehen. Weitere 350 sollen im neuen Quartier an der Zschokkestraße in Laim gebaut werden, außerdem 140 im Kreativquartier nahe dem Olympiapark.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: