Wohnen:Die Leidens-Genossen

Wohnen: So sah die Baustelle des jüngsten Wagnis-Projekts im Prinz-Eugen-Park im Sommer aus. Auf die Bewohner älterer Projekte kommen nun Mieterhöhungen zu.

So sah die Baustelle des jüngsten Wagnis-Projekts im Prinz-Eugen-Park im Sommer aus. Auf die Bewohner älterer Projekte kommen nun Mieterhöhungen zu.

(Foto: Robert Haas)

Der Wagnis-Vorstand will die Mieten erhöhen. Es regt sich Widerstand, und alle müssen zustimmen

Von Anna Hoben

Die erste E-Mail bekamen die Wagnis-Genossen am 28. November. "Vorstand und Aufsichtsrat haben beschlossen, erstmalig die Nutzungsgebühren anzupassen, um die Wirtschaftlichkeit unserer Genossenschaft langfristig sicherzustellen", hieß es darin. Übersetzt: Die Miete wird erhöht. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Ankündigung von Mieterhöhungen Sorge auslöst - bei den Wagnis-Mitgliedern tat sie dies auch deshalb, weil sie ja ursprünglich genau deshalb in die Genossenschaft eingetreten sind: um langfristig stabile Mieten zu zahlen und von Überraschungen verschont zu bleiben. Sie haben dafür Anteile erworben, sind also zugleich Mieter und Eigentümer ihrer Wohnung.

Und nun schrieben also Vorstand und Aufsichtsrat: "Die Prüfungen durch den Genossenschaftsverband enthielten in den letzten Jahren wiederholt Hinweise auf ungünstige wirtschaftliche Kennzahlen, in der Prüfung für das Jahr 2017 wurde konkret eine Erhöhung der Nutzungsgebühren angeraten." Klingt beunruhigend, entsprechend emotionsgeladen war dann auch eine Informationsveranstaltung am vergangenen Freitag. Manche Mieter sagten, sie könnten sich die Erhöhung nicht leisten. Sie soll zwischen 0,60 und 1,40 Euro pro Quadratmeter betragen und betrifft die Projekte Wagnis 1 (2004 bezogen), Wagnis 2 (2006 bezogen) und Wagnis 4 (2014 bezogen), teils nur die frei finanzierten Wohnungen, teils auch München-Modell-Wohnungen und solche mit einkommensorientierter Förderung. Bei einer Wohnung ohne Förderung werden demnach künftig 12,50 Euro bis 14,10 Euro Miete pro Quadratmeter fällig. Das ist immer noch deutlich weniger als auf dem freien Markt, allerdings müssen die Genossen ja auch Pflichtanteile kaufen - für bis zu 70 000 Euro für eine 80-Quadratmeter-Wohnung.

Inzwischen hat die Angelegenheit eine überraschende Wendung genommen. In einer zweiten E-Mail erfuhren die Genossen, "dass einige der betroffenen Nutzungsverträge eine Passage enthalten, nach der die Mitgliederversammlung über eine Erhöhung oder Reduzierung der Nutzungsgebühren entscheidet." Also: keine Mieterhöhung ohne Zustimmung der Mitglieder. Und hier wird es ein bisschen kurios. Die Genossenschaft Wagnis hat 2600 Mitglieder, von denen aber nur 30 Prozent tatsächlich in einer Wagnis-Wohnung leben. Die übrigen 70 Prozent stehen quasi auf der Warteliste. Über die Mieterhöhungen in den Bestandsprojekten dürfen sie aber wohl mit abstimmen. Zuvor hatte niemand den Passus in den Verträgen bemerkt, der dort laut Vorstand Christoph Miller eigentlich auch "nicht hingehört, sondern in die Satzung". Aber: "So steht es im Mietvertrag, und dem werden wir uns beugen."

Bis zur Mitgliederversammlung im kommenden Juli wird der Vorstand nun Überzeugungsarbeit leisten müssen. Dann sollen die Genossen über die Erhöhungen abstimmen, die zum Oktober 2019 in Kraft treten sollen. Bleibt die Frage, warum sie überhaupt notwendig sind. Interpretationen zu angeblicher Misswirtschaft seien "Blödsinn", sagt Miller. Die ersten beiden Projekte Wagnis 1 und 2 seien unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen entstanden. Das habe es nicht erlaubt, ausreichend Rücklagen für Instandhaltung zu bilden. Bei Wagnis 4 habe es unerwartete Kostensteigerungen im Bau gegeben, die bisher nicht kompensiert wurden. Auch eine Genossenschaft sei eben abhängig von der Baubranche, so Miller, von der Zinsentwicklung und den Kosten für Handwerker. Die Erhöhungen lägen unter dem, "was von Markt- oder Gesetzgeberseite möglich wäre". Man müsse so handeln, "damit wir auch in 20 Jahren die Wohnungen in einem guten Zustand haben".

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