Wöllingers Gaststätte:Ausgefallene Kreationen

Wöllingers Gaststätte: Bäume schirmen den Biergarten vom Verkehr am Mittleren Ring ab.

Bäume schirmen den Biergarten vom Verkehr am Mittleren Ring ab.

(Foto: lok)

Wöllingers Gaststätte ist etwas für ausgefuchste Kenner Obersendlings und für Liebhaber jener bayerischen Küche, die den Schweinsbraten ehrt und die Dorade nicht schmäht.

Ivan Lende

Wer als Münchner einem Gast seine Stadt zeigen will, wird nicht unbedingt den Luise-Kiesselbach-Platz ansteuern. Wenn doch, würde er vielleicht von dem mächtigen Altersheim im Norden der Platzes schwadronieren oder von Albert Roßhaupter, welcher im 19. Jahrhundert ein verdienter bayerischer Sozialminister war und der von hier zum Harras führenden Straße seinen Namen geliehen hat. Von Wöllingers Gaststätte würde kaum die Rede sein, es sei denn, der Gastgeber ist ein ausgefuchster Kenner Obersendlings und Liebhaber jener bayerischen Küche, die den Schweinsbraten ehrt und die Dorade nicht schmäht. Zu beidem später mehr.

Es versteckt sich also hinter den mächtigen Bäumen zwischen der Abbiegung zur Garmischer Autobahn und der Sozialministerstraße eine Wirtschaft mit einem angenehm locker bestuhlten Biergarten, die einiges aufzuweisen hat, was man heute gerne als unique selling proposition bezeichnet. Dazu gehören auch Überraschungen. Das Ayinger Bier ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal mehr, es ist in der Stadt gut verbreitet und sollte aber überall so gut gepflegt werden wie in diesem Wirtshaus.

Und wenn auch von kleinen gastronomischen Sünden die Rede sein wird, so seien sie jetzt schon verziehen, weil der Wöllinger demnächst ohnehin durch ein mehrjähriges Fegefeuer wird schreiten müssen. Denn es wird der Luise-Kiesselbach-Platz ja bald zur Monsterbaustelle, da die Münchner unbedingt einen Tunnel unter ihm durchgezogen haben wollten.

Portionen für Caterpillar-Chauffeurs Aber der Wöllinger könnte diese Zeit des Staubs und Drecks überleben, wenn ihn die Bauarbeiter als Erholungsinsel und Ernährungsstation entdecken. Die Portionen jedenfalls sind allemal groß genug, um den Hunger eines Caterpillar-Chauffeurs zu stillen. Das geht schon bei der aufgeschmalzenen Breznsuppe (4 Euro) los, die nur als Vorspeise ordern soll, wer 14 Tage gefastet hat. Hier werden traditionsgemäß alte Brezn resteverwertet. Die Brezn waren alt. Der Ochs in der gleichnamigen, ebenfalls riesenportionierten Brühe (3,80 Euro) nicht, sondern angenehm zart. Hingegen lässt sich von der Gurkenkaltschale (4,50 Euro) nur sagen, dass kalt allein langweilig ist.

Ein dickes Lob gebührt den Hauptgängen, die allesamt weniger als 15 Euro Kosten. Der Rostbraten zerfiel schon angesichts des Messers, die Soße hatte einen feinen, leichten Nelkentouch, das Dekor, eine von einem Rosmarinzweig erdolchte Erdbeere, wirkte ein wenig überneckisch. Auch die Leber wies keinerlei Verhärtung auf. Das kälberne Wiener Schnitzel war, anders als in und um Wien üblich, nicht auf Papierdicke zusammengehauen, sondern nur sanft geklopft und saftig. Der Spanferkel-Tester dagegen zollte zwar Soße und Fleisch höchstes Lob, den Semmelknödel setzte er aber dem Verdacht aus, dieser könnte den Tag über im Knödelwasser verbracht haben. Nun gut, es war Sonntag.

Ausgefallene Kreationen

Zu den Überraschungen zählt die Frage der Bedienung, ob man zum Steckerlfisch denn einen Knödel ordern wolle. Man beließ es beim Steckerl, welches allerdings ebenfalls fehlte, weil die Makrele im Ofen gebraten wurde. Das hatte ihr aber gut getan, denn sie schmeckte weit besser als mancher im Ruß geschwärzte Fisch (10 Euro). Der Koch bewies also fast immer ein feines Händchen für heimische Tradition, wie beim wunderbar mürben Boeuf à la Mode oder dem überhaupt nicht langweiligen Gröstl.

"Sushi hab ich nicht bestellt" Im Internet aber wirbt der Wöllinger auch mit seinem Hang zu "ausgefallenen Kreationen". Womöglich gehört dazu auch der Brotsalat, also ein Salat mit gerösteten Brotstückchen. Nun, Lendes Nachbarin, von der Bedienung routinemäßig gefragt, ob es denn geschmeckt habe, meinte, eine La-Ola-Welle wäre übertrieben, aber sonst habe es schon gepasst.

Was man von der Dorade nur bedingt sagen kann. Sie sah perfekt aus, in Mehl gewendet und in der Pfanne dunkelbraun gebraten. Doch dann murmelte die Doradenesserin irgendwas von "Sushi hab ich nicht bestellt" und winkte die Kellnerin herbei. "Die ist nicht durch, und zwar schon gar nicht!" Fünf Minuten später kam die Dorade zurück, durch und durch durch, also etwa trocken. Im Doradenland Italien hätte man den Koch zur Strafe die Gräten essen lassen.

Doch gibt es eine phantastische Entschuldigung: die Nachspeise. Lende hat seiner Mitesserin die Hauptspeise verboten, auf dass Platz bleibe dafür. Sie dankte es ihm tausendmal. Die Crêpes mit Erdbeeren und Schokoeis waren optisch und gustatorisch ein Volltreffer. Da machte es auch nichts, dass nun plötzlich das heimelige, dunkelholzige Ambiente des Gastraums mit Musik zerstört wurde. Was heißt Musik: Es klang, als habe man von Queens "Another One Bites The Dust" nur noch Drum & Bass übrig gelassen. Zahlen, bitte!

Noch kurz zum Wein: 5.30 Euro für einen schwachen Riesling, 4.80 für einen brauchbaren Veltliner, 4.50 für einen wenig spannenden Rioja - da wartet Lende lieber auf ein gutes Fläschchen zuhause.

Wöllingers Gaststätte, Johann-Clanze-Straße 112, 81369 München, Telefon 089/7144651, www.woellinger.com. Geöffnet Mo - Fr 10-0 Uhr, Sa&So 10:30-0 Uhr

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