Internationales Restaurant "Witzigmann & Roncalli Bajazzo":Dinnershow im Zirkuszelt

Was haben Rollschuh-Artisten mit pochiertem Saibling zu tun? Eigentlich nichts. Doch gerade diese schräge Überschneidung garantiert den Erfolg gastronomischer Spiegelzelte.

Gottfried Knapp

Ein stimmungsvoll nostalgischer Ort, halb Zirkuszelt, halb Luxusrestaurant, Kabarett-Artistik von gutem Niveau, verschnitten mit den vier Gängen einer exquisiten Speisenfolge, das Ganze von einem Conferencier süffig aufbereitet und von einer Musikgruppe effektvoll pointiert - nach diesem Erfolgsrezept bestreitet Starkoch Eckart Witzigmann seit 2001 alle Münchner Winter. Jedes Jahr hat es ihn mit seinen Artisten und seinem Küchenteam in eine andere Ecke der Stadt verschlagen.

Internationales Restaurant "Witzigmann & Roncalli Bajazzo": Eckart Witzigmann etablierte das neue gastronomische Genre der Dinnershow,  Konkurrent Alfons Schuhbeck kopierte das Prinzip (Bild) und hat damit ebenfalls Erfolg.

Eckart Witzigmann etablierte das neue gastronomische Genre der Dinnershow, Konkurrent Alfons Schuhbeck kopierte das Prinzip (Bild) und hat damit ebenfalls Erfolg.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Und irgendwann ist ihm bei den Rochaden offenbar der ohnehin nicht recht passende Name "Palazzo" gestohlen worden. Denn eines Herbstes gab es plötzlich einen zweiten Palazzo in München, eine architektonisch wie programmatisch exakte Kopie des ersten, betrieben vom kurz vorher nach München übersiedelten Konkurrenten Alfons Schuhbeck, der in seiner Expansionslust auch schon Teile der Altstadt mit seinen Aktivitäten belegt hatte.

Am Frankfurter Ring an Schwung verloren

Was dann passiert sein muss, wird wohl Legende bleiben. Jedenfalls hat sich Witzigmann, der inzwischen in vier weiteren deutschen Städten vergleichbare Lokalitäten betreibt, einen neuen Namen und neue Partner für sein Münchner Zelt gesucht. Es heißt nun Witzigmann & Roncalli Bajazzo, schielt also nach mehreren Richtungen - und hat offenbar ein wenig an Schwung verloren. Schuld daran kann auch der unglückliche neue Standort fernab am Frankfurter Ring sein, den man mit öffentlichen Verkehrsmitteln erst gar nicht anzusteuern versuchen sollte.

An unserem Sonntag dauerte es jedenfalls einige Zeit, bis sich Laune einstellte. Auch hat man es als Besucher nicht so gern, wenn man vom Conferencier mehrfach aufgefordert wird, doch gefälligst lauter zu klatschen. Doch nach den ersten artistischen Einlagen verzog sich die Unzufriedenheit. Dass allerdings eine Band, die sich am ehesten im Rock'n' Roll auszukennen scheint, für kulinarische Finessen nicht der ideale Begleiter ist, müsste den Veranstaltern klar sein.

Witzigmann spielt mit Kokosschaum und Passionsfrucht

Da in den Spiegelzelten die Zahl der vorzubereitenden Speisen und die Menüfolge immer schon lange vorher feststehen, kann in den Großküchen ökonomisch ideal gewirtschaftet werden. Natürlich darf man von einer Speisefolge, die allabendlich bis zu vierhundertmal serviert werden muss, nicht Drei-Sterne-Leistungen erwarten. Doch sowohl bei Witzigmann als auch bei Schuhbeck kommt man den Hochleistungen, zu denen die beiden in der Restaurantküche fähig sind, immerhin ein Stück weit nahe.

Witzigmann lässt derzeit nach dem Gruß aus der Küche ein "Mosaik" aus den feinsten Teilen des Perlhuhns mit Salat aus fast rohen, beißfesten Prinzessbohnen und üppig aromatischen schwarzen Nüssen auffahren. Danach glänzt die Küche mit fein pochiertem Seesaibling, der sich geschmacklich geschickt mit dem reichlich beigefügten Forellenkaviar verbündet. Das Kalbsfilet des Hauptgangs bleibt im festen, knusprigen Brotmantel auf fast schon surreale Weise zart, schmeckt aus diesem Grund aber auch ein wenig neutral und brav.

Und so wie Schuhbeck in seinem Palazzo-Dessert routiniert das Geschmacksthema Kaffee variiert, spielt Witzigmann geschickt mit Schokolade, Kokosschaum und Passionsfrucht. (Der dreieinhalbstündige Roncalli-Bajazzo-Abend kostet in den Logen von Donnerstag bis Samstag 139, Dienstag, Mittwoch und Sonntag 129 Euro; die zum Menü empfohlenen Weiß- und Rotweine kosten zwischen 32 und 64 Euro.)

Schuhbeck grüßt mit Bratwurstsuppe

Schuhbeck eröffnet auch in seinem Palazzo die Speisefolge mit jener schaumigen Bratwurstsuppe, die als "Küchengruß" schon seit Jahren in all seinen Etablissements Dienst tut. Da müsste er sich endlich mal was Neues einfallen lassen - etwas so Originelles wie die fabelhafte Zander-Sauerkraut-Terrine etwa, die als Vorspeise fungiert, aber auch schon etwas Warmes zu bieten hat: kleine Kartoffeln in der Schale. Ähnlich anregend und interessant dann die Zusammenstellung von Gnocchetti Sardi, Stangensellerie- und Fenchelwürfeln als Einlagen in der charakteristisch schmeckenden Rahmsuppe aus bayerischen Flusskrebsen.

Und auch der Fleischgang hält das angepeilte Niveau: Die Entenbrust ist, wie auf der Menükarte versprochen, saftig rosa gebraten, das Blaukraut zeichnet sich durch eine fein differenzierende Würzung aus und das buttrige Kartoffelpüree leiht sich beim Safran nicht nur Farbe, sondern auch einen Hauch von Geschmack. (Der Abend im Palazzo kostet am Freitag und Samstag in der Loge 128,90, Dienstag bis Donnerstag und Sonntag 115,90 Euro. Wer das Getränkearrangement bucht, das freie Wahl von Aperitif, Weinen und Kaffee garantiert, zahlt zusätzlich 44 Euro.)

Die Stimmung im meist lange vorher ausgebuchten Palazzo-Zelt ist von Anfang an gut, am Ende fast ausgelassen. Das Hauptverdienst an der zirzensischen Kabarett-Atmosphäre kommt Chris zu, einem glamourösen, meist weiblich kostümierten, sein wahres Geschlecht aber geschickt im Ungewissen lassenden Sänger- und Conferencier-Wesen, das in den Pausen auch als böse alte Berta im Schlagabtausch mit der ebenfalls männlich besetzten alten Herta punktet.

Gegen Schluss setzt Hansdampf Schuhbeck dann selber einen Akzent, wenn er auf dem Weg zwischen seinen verschiedenen gastronomischen Einrichtungen im Geschwindmarsch die Manege durchquert, im Laufen zwei, drei Hände drückt und dann schon wieder in den draußen wartenden Wagen stürzt, der ihn zum nächsten Pflichttermin bringt, vielleicht zurück ins Restaurant in der Innenstadt, wo er seinen Gästen am Ausgang persönlich den hausgemachten Schmalztopf in die Hände drückt.

Witzigmann & Roncalli Bajazzo, Frankfurter Ring 143, Tickets über 01805 - 666 789.

Alfons Schuhbeck Palazzo, an der Neuen Messe Riem, Olof-Palme-Straße. Tickets über 01805 - 388 883.

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