Wissenschaftstage:Wie Münchner leben wollen

Stadt der Zukunft

Stolzer Blick in die Zukunft: Das Morgenstadt-Projekt, wie es sich die Wissenschaftler vom Fraunhofer Fokus ausgedacht haben. Grafik: Fraunhofer IBP

Immer mehr Menschen leben in Städten. Also fragt man sich bei den 15. Wissenschaftstagen - wie soll diese urbane Zukunft aussehen?

Von Jürgen Moises

Die Zukunft der Menschheit, die liegt in der Stadt. Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in urbanen Zentren, 2050 werden es laut Studien mindestens 70 Prozent sein. Ein Großteil der Energie und Treibhausgase wird ebenfalls dort verbraucht und ausgestoßen, weshalb die zukünftige Entwicklung in den Städten auch auf deren Umfeld Einfluss hat. Für München existieren vergleichbare Prognosen. So werden laut einem aktuellen Demografiebericht 2030 mehr als 1,7 Millionen Menschen in der Isarmetropole leben, rund 230 000 mehr als heute. Dabei gibt es schon jetzt zu wenig Wohnraum. Und wie sieht es mit den damit zusammenhängenden sozialen und ökologischen Problemen aus?

Genau um solche Fragen drehen sich die 15. Münchner Wissenschaftstage, die vom 14. bis 17. November in der Alten Kongresshalle und im Verkehrszentrum auf der Theresienhöhe stattfinden. "Städte der Zukunft" heißt das Thema. Damit reihen sich die Wissenschaftstage in einen bundesweiten Reigen aus Veranstaltungen anlässlich des "Wissenschaftsjahrs 2015 - Zukunftsstadt" ein. Dazu zählt etwa ein vom Bundesbildungsministerium ausgerufener Städtewettbewerb, bei dem die Teilnehmer aufgefordert waren, "eine nachhaltige und ganzheitliche Vision für ihre Kommune" zu entwickeln.

Das Thema "Zukunftsstadt" liegt also in der Luft. Begriffe wie "Zukunftsstadt", "Ökostadt" und vor allem "Smart City" geistern ja schon seit Jahren durchs Internet sowie durch wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Agenden. Eine genaue Definition, die gibt es nicht. "Die Smart City ist eine informierte, vernetzte, mobile, sichere und nachhaltige Stadt", liest man etwa auf der Website des "Zentrums für Smart Cities" von Fraunhofer Fokus. Damit gemeint sind "intelligente Leitsysteme", die den Verkehr regeln. "Intelligente Energieinformationsnetze", die helfen, den Verbrauch zu reduzieren. Oder "intelligente Informations- und Kommunikationstechnologien", mit deren Hilfe alle wichtigen Bereiche wie Verkehr, Verwaltung oder Gesundheit vernetzt werden.

Wer Genaueres dazu erfahren will: Am Montag wird die Fraunhofer-Gesellschaft an einem Themenabend ihre Visionen von der "Stadt von morgen" präsentieren. Zudem wird Professor Thomas Auer von der TU bereits am Samstagnachmittag um 14.45 Uhr verschiedene "Konzepte für 'Smart' Cities" vorstellen. Um Science-Fiction geht es bei alldem nicht, und auch weniger um Aufsehen erregende Planstädte wie New Songdo City in Südkorea oder die "Ökostadt Masdar". Vielmehr darum, wie man Smart-City-Technologien in bereits existierenden Städten "implementiert". Ein Vorhaben, für das zum Teil recht hohe EU-Fördergelder fließen und an dem neben wissenschaftlichen Instituten wie Fraunhofer Fokus Unternehmen wie Siemens oder Telekom beteiligt sind.

Bekannte Beispiele dafür sind "T-City-Friedrichshafen" und "InnovationCity Ruhr". Oder die vom Architekturbüro gmp - Gerkan, Marg und Partner - mit geplante "Hafencity Hamburg", die Volkwin Marg am Samstag beim Eröffnungsabend zusammen mit anderen gmp-Projekten vorstellt. Auch in München läuft seit diesem Jahr ein neues Smart-City-Projekt. So sollen bis 2018 das Neubaugebiet Freiham sowie ein bereits bestehendes Viertel in Neuaubing-Westkreuz mithilfe von Fernwärme, energetischer Sanierung oder Car-Sharing energieeffizient und "smart" gestaltet werden. Die finanziellen Mittel dafür stammen aus dem EU-Leuchtturmprojekt "Smarter Together", für das sich München gemeinsam mit Wien und Lyon als Städtetrio beworben und den zweiten Preis gewonnen hat. Das bedeutet konkret: 24,7 Millionen Euro an Fördergeldern, von denen 3,12 Millionen an die bayerische Landeshauptstadt gehen.

Was die genaue Umsetzung betrifft, da könnte München von den Erfahrungen und vor allem Fehlern der Partnerstadt "Smart City Wien" lernen. Denn dort führte die bisherige Smart-City-Politik zu einiger Kritik. So bemängelte etwa Christoph Laimer, Obmann des Wiener Vereins für Stadtforschung "Derive" und Chefredakteur des gleichnamigen Magazins, bereits vor zwei Jahren, dass man die Bevölkerung bei wichtigen Entscheidungen zu wenig einbezieht. Und er kritisierte allgemein an Smart-City-Projekten, dass bei der Planung sowie bei der Vergabe von Fördergeldern technische Konzerne einen zu großen Einfluss haben, man Kommunen teilweise unter Zugzwang setzt und die Bürger nur als Konsumenten wahrnimmt.

Trotzdem hat Christoph Laimer das Konzept "Smart City" nicht verdammt, sondern stattdessen eine öffentliche, "objektive Auseinandersetzung mit der derzeit dominantesten Planungsvision für die Zukunft unserer Städte" gefordert.

Die Münchner Wissenschaftstage bieten genau dafür die Chance. Und dass es dort neben technisch-wissenschaftlichen Aspekten unter anderem auch um die Frage gehen wird, ob die Stadt von morgen "postpolitisch und unsozial" ist, sowie um Themen wie soziale Ungleichheit und Migration: Das ist ein wichtiges Zeichen. Genauso wie die Tatsache, dass es, wie jedes Jahr, Veranstaltungen für Kinder und Schüler gibt. Denn sie werden es vor allem sein, die in den "Zukunftsstädten" leben.

15. Wissenschaftstage: Städte der Zukunft, 14. bis 17. November, Alte Kongresshalle und Verkehrszentrum auf der Theresienhöhe, www.muenchner-wissenschaftstage.de

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