Handel:Diese Firma will Verpackungen revolutionieren

Handel: Die Münchner Firma 3V entwickelt Verpackungen, mit denen man so wenig Material verbrauchen soll wie möglich.

Die Münchner Firma 3V entwickelt Verpackungen, mit denen man so wenig Material verbrauchen soll wie möglich.

(Foto: Stephan Rumpf)

Immer mehr Menschen sind unnötige Verpackungen aus Plastik leid - davon profitiert nun ein Münchner Unternehmen, das schon immer auf Pappe setzt.

Von Pia Ratzesberger

Die Welt von Joachim Heckler besteht aus Pappe. Er sitzt an einem Tisch aus fester Wellpappe und zieht gerade einen Karton nach dem anderen hervor. Jetzt kommt der Klassiker. 160 Millimeter lang und 130 Millimeter breit. Ein beiger Pappkarton würde bei den meisten Menschen keine großen Emotionen auslösen, bei Heckler aber ist das anders. Der Geschäftsführer sagt: "Wir lieben und wir hassen den Karton zugleich."

Joachim Heckler, 52 Jahre alt, liebt dieses Modell, weil so gut wie alles hineinpasst. Taschenbücher, Handys, Shampooflaschen, was auch immer man verschickt, die Maße des Kartons reichen meistens aus. Doch Joachim Heckler hasst dieses Modell aus dem gleichen Grund, weil so gut wie alles hineinpasst. Seine Firma namens 3V nämlich hat schon längst neue Verpackungen entwickelt, mit denen man Material sparen könnte, vor allem das Plastik in den Paketen. Im Osten von München forschen Heckler und seine hundert Mitarbeiter an den Verpackungen der Zukunft - und in den kommenden Jahren könnten die so gefragt werden nie zuvor.

Auf der einen Seite werden immer noch mehr Verpackungen hergestellt und das auch, weil so viele Menschen im Internet bestellen. Gerade jetzt, in den Wochen und in den Tagen vor Weihnachten, sieht man in den Hausfluren viele gelbe Zettel kleben, verpasste Pakete. Auf der anderen Seite aber sind immer mehr Menschen unnötige Verpackungen leid, die großen Kartons zum Beispiel, in denen dann doch nur eine Tasse geliefert wird. In keinem anderen Land in der Europäischen Union häufen die Menschen so viel Verpackungsmüll an wie in Deutschland, mehr als 18 Millionen Tonnen waren es zuletzt innerhalb eines Jahres. Das macht für jede und jeden von uns mehr als 220 Kilogramm. Die Verpackungen können sinnvoll sein, sie schützen die Waren, manchmal aber bräuchte man sie auch nicht oder zumindest in passenderen Maßen - und an dieser Stelle kommt Joachim Heckler mit seiner Pappe ins Spiel.

Die Firma 3V gibt es schon seit den Achtzigerjahren, damals begann ein Mann namens Hans Reinhart Kataloge im Auftrag von Kunden zu versenden und schon bald auch seine eigenen Verpackungen herzustellen. Der Name der Firma stammt noch aus dieser Zeit, die drei V stehen für Verpackung, Verpacken und Versenden. Das Unternehmen gehört heute noch immer Hans Reinhart, auch wenn die Geschäfte mittlerweile Joachim Heckler und sein Kollege Achim Riedel führen. Die Idee aber ist nach wie vor die gleiche. Sie wollen Verpackungen entwickeln, die sich so gut wie möglich an die Produkte anpassen - und die man dank der vielen Pappe wiederverwerten kann.

Achim Riedel steht jetzt in der Fabrik. Er ist der andere Geschäftsführer der Firma, kümmert sich vor allem um die Technik. Eine große Maschine rattert, eine Versandtasche nach der anderen faltet sie automatisch zusammen. Es riecht nach Holz. Riedel sagt: "Das ist der Duft der Pappe."

Immer mehr Verpackungen werden hergestellt

Die Pappe kommt in großen Bögen in seiner Fabrik an, dann wird sie bedruckt und gestanzt, wird gefaltet und beklebt. Am Ende werden die Kartons auf Paletten gestapelt, noch einmal gepresst und dann in die Lastkraftwagen verladen. Sieben Lkw verlassen die Fabrik an einem Tag. 70 Millionen Verpackungen stellt die Firma innerhalb eines Jahres her. In den vergangenen fünf Jahren hat sich diese Zahl verdoppelt.

Achim Riedel und seine Kollegen machen nicht viel anderes als noch vor ein paar Jahrzehnten, immer neue Verpackungen, aber noch immer Verpackungen aus Pappe. Doch jetzt kommt ihnen die Diskussion um das Plastik zugute, um den Plastikmüll. Das nütze ihnen auf jeden Fall, sagt Riedel und führt in einen hohen Raum voller gepresster Ballen. Das sind die Reste der Kartons, von Heimstetten kommen sie direkt zurück in eine Wellpapierfabrik und werden dort zu neuer Pappe verarbeitet - die irgendwann wieder bei Achim Riedel angeliefert werden wird.

Gerade haben er und seine Kollegen den deutschen Verpackungspreis in der Kategorie Logistik gewonnen, mit einem Karton mit einem extra Blatt Papier und einem Klebestreifen. Das mag unspektakulär klingen, doch Riedel hat auf diesen Karton ein Patent angemeldet. Die Ware wird in das Papier eingepackt und dann in die Mitte des Kartons geklebt, sodass sie nicht verrutschen kann. Man braucht also nur noch diesen einen Karton und kein Füllmaterial mehr. Man könnte viel Müll vermeiden - wenn man sich denn für so einen Karton entscheidet.

Das Interesse am Öko-Päckchen wird kommen

Die Verpackungen seiner Firma seien teilweise doppelt so teuer wie andere, sagt Heckler. Er rechtfertigt den Preis damit, dass die Unternehmen doch an anderer Stelle wieder Geld sparten. Wenn die Pakete nur noch so groß seien, wie sie auch wirklich sein müssen, wenn man keine Folie mehr verbraucht. Das Problem ist nur: Die meisten seiner Verpackungen vertreibt Joachim Heckel noch immer über Großhändler und die verkaufen meistens nicht nur Kartons, sondern das Füllmaterial gleich mit. Die Händler haben also wenig Interesse daran, eine ökologischere Verpackungen zu verkaufen, wenn sie an anderen Kartons zweimal verdienen können. Achim Riedel und seine Kollegen hatten vor ein paar Jahren zum Beispiel schon einmal eine ähnliche Verpackung entworfen wie die, mit der sie nun den Preis gewonnen haben. Doch niemand kaufte den besseren Karton.

Die beiden Geschäftsführer wollen deshalb nun nicht mehr nur mit Großhändlern zusammenarbeiten, sondern auch direkt mit Firmen. Der Zeitpunkt ist passend, gerade in den kommenden Monaten werden sich wahrscheinlich viele Unternehmer plötzlich für ökologischere Verpackungen interessieren. Von Januar an tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft und das sieht vor, all die Firmen finanziell zu belohnen, die Verpackungen verwenden, die man recyceln kann.

Die große Maschine rattert. Eine Versandtasche nach der anderen faltet sie zusammen. Irgendwann werden sie in einem Briefkasten landen. Oder zumindest die Nachricht, dass irgendwo ein Paket wartet.

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