Wirtschaft:Stadt ändert Regeln für Gewerbeflächen

Für die Vergabe kommunaler Grundstücke gilt ein neues Punktesystem. Wer etwa Werkswohnungen anbietetund Öko-Strom oder E-Fahrzeuge nutzt, wird belohnt. Handwerker und auch die Opposition üben Kritik

Von Heiner Effern

Die Stadt hat die Vergabe ihrer Gewerbeflächen neu geordnet. Gleichzeitig hat CSU-Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner das Handwerk wegen dessen Kritik an den nun geltenden Kriterien scharf angegriffen. Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, habe "Schmutz auf das Referat" geworfen, sagte er. Dessen Aussagen seien "sachlich unrichtig und unzutreffend". Die stete Wiederholung ändere daran nichts, sie habe ihn nur "ausdrücklich geärgert", sagte Baumgärtner im Wirtschaftsausschuss. Dieser beschloss den neuen Vergabe-Modus, doch gab es auch dort deutliche Kritik. Die Grünen, die Linke und die FDP verweigerten die Zustimmung.

Die Vergabe der knappen städtischen Gewerbegrundstücke an Betriebe erfolgt nach einem Punktekatalog. Die Grünen hatten beantragt, dass dessen drei Hauptgruppen von Kriterien neu gewichtet werden sollten. 40 der 100 Punkte sollten grob für die Zahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze pro Quadratmeter, 30 für Wirtschaftskraft und ebenfalls 30 für Umweltschutz vergeben werden. Mit diesem Vorstoß prallten die Grünen aber ab, es bleibt bei 25 Punkten für die Ökologie. Doch das Wirtschaftsreferat nutzte den Anlass trotzdem für eine Reform.

Künftig soll zum Beispiel auch der Bau von Werkswohnungen Punkte bringen. Zudem wird die regionale Verflechtung eines Betriebs, also zum Beispiel der bisherige Standort, einfließen. Auf Initiative von SPD und CSU verschwindet die Entwicklung des Umsatzes aus dem Katalog, dafür wird die Gewerbesteuer aufgewertet. Soziale Kriterien wie die Gleichstellung von Mann und Frau oder familienfreundliche Arbeitszeitmodelle fanden keinen Eingang ins Punktesystem.

Die Ökologie erhält nicht mehr Gewicht, doch gelten künftig andere Kriterien. Bisher mussten die Firmen eine Zertifizierung vorweisen, was kaum einer gelang. 94 Prozent der Bewerber um ein städtisches Grundstück erhielten laut Wirtschaftsreferat beim Umweltschutz keinen einzigen Punkt. Deshalb sollen künftig auch einzelne Projekte wie das Nutzen von Elektro-Fahrzeugen oder der Verbrauch von Öko-Strom Vorteile bieten. Für Grünen-Fraktionschefin Katrin Habenschaden bleibt das Stückwerk. "Mit unserem Änderungsantrag wären Klima- und Umweltschutz sowie die Unternehmen, die sich dafür einsetzen, in München deutlich gestärkt worden", sagte sie nach der Entscheidung. Die Linken schlossen sich dieser Sichtweise an.

FDP-Stadträtin Gabriele Neff lehnte die neue Vergabe aus ganz anderen Gründen ab. Das neue Punktesystem sei "nicht gerecht. Es schadet den kleinen und mittleren Unternehmen", sagte sie und schloss sich der Kritik von Handwerks-Präsident Peteranderl ausdrücklich an. Dieser hatte der Stadt in einer nicht minder scharfen Mitteilung bereits zuvor die bayerische Verfassung vorgehalten, die "ausdrücklich die Förderung von selbstständigen Klein- und Mittelstandsbetrieben durch Gesetzgebung und Verwaltung" vorgebe. Der Stadtrat soll das dringend beherzigen. Bei Punkten für den Werkswohnungsbau etwa würden Großkonzerne gegen Handwerker konkurrieren, das Ergebnis sei vorher festgelegt. Kleine Firmen, die München aus Platznot verlassen mussten, hätten keine Chance, zurückzukehren, sagte er. Start-ups müssten sich gleich außerhalb der Stadt niederlassen.

Dazu kritisierte Peteranderl scharf, dass die Stadt künftig Gewerbeflächen nicht mehr verkaufen, sondern nur noch auf Erbpacht vergeben wolle. Handwerker seien aber für Kredite und für die Alterssicherung auf Eigentum angewiesen. "Diese eindeutige Bevorzugung stößt dem Handwerk bitter auf. Die Wirtschaft in der Landeshauptstadt besteht nicht nur aus Dax-Konzernen und Großindustrie."

Wirtschaftsreferent Baumgärtner hält diese Kritik für Unsinn. Die städtischen Gewerbeflächen seien viel zu klein, um große Konzerne zu interessieren, sagte er. Von 2011 Firmen, die sich seit acht Jahren um Flächen beworben haben, beschäftigten 85 Prozent weniger als zwölf Mitarbeiter, heißt es in seiner Beschlussvorlage. Die Altersversorgung der Handwerker habe mit der Vergabe von Gewerbeflächen nichts zu tun, sagte Baumgärtner. Über die Erbpacht als neues Grundprinzip wird der Stadtrat noch dieses Jahr entscheiden.

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