Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Blick nach außen

Unternehmen exportieren immer öfter in den Osten

Von Viktoria Spinrad

Die globale Wirtschaft taumelt, in Bayern denkt so manche Firma über Standortschließung und Stellenabbau nach - doch in München fühlt man sich den Herausforderungen von Konjunkturkrise, Handelskriegen und Brexit gewachsen. Der Grund: Ein breiter Branchenmix, ein starker Mittelstand - und ein zunehmender Blick Richtung Investitionen im Ausland.

So hat eine Auswertung der Münchner Hypo Vereinsbank nun ergeben, dass jeder achte Arbeitsplatz direkt am Auslandsgeschäft hängt, damit liegt der Großraum München im bundesweiten Schnitt. Besonders stark ist die Abhängigkeit vom Ausland im verarbeitenden Gewerbe, also bei Fahrzeug- und Maschinenbau, der chemischen und metallverarbeitenden Industrie und der Ernährungsindustrie: Hier wird laut der Auswertung sogar jeder zweite Euro verdient.

"Das Auslandsgeschäft ist seit vielen Jahren einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze im Wirtschaftsraum München", sagt Michaela Pulkert, Leiterin des Firmenkundengeschäfts der Hypo Vereinsbank in Bayern Süd. Ein Trend, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern bestätigt: "Dabei verleiht gerade der Europäische Binnenmarkt den Firmen eine große Stabilität", sagt Alexander Lau von der IHK.

Das Münchner Thema ist auch ein Globales: Nach Daten des Internationalen Währungsfonds wird sich der Anteil Deutschlands am weltweiten Bruttoinlandsprodukt bis 2024 auf 2,8 Prozent halbieren. Anders gesagt: Deutschlands wirtschaftliche Rolle in der Welt schrumpft. Umso mehr sind auch Münchner Firmen angehalten, in die Richtung zu schielen, wo die Märkte nicht gesättigt sind. Zum Beispiel nach Osteuropa. Laut der Auswertung der Hypo Vereinsbank haben sich die Exporte aus ganz Bayern zwischen 2013 und 2017 nach Ungarn, Rumänien, Slowenien, Kroatien und Bulgarien viermal so stark entwickelt wie die Ausfuhren in die größten Exportmärkte, zu denen zählen USA, China, Österreich, Vereinigtes Königreich und Frankreich.

Interessant sind diese Länder auch aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen - gerade weil sie als EU-Mitgliedsstaaten eine rechtliche Stabilität mitbringen. "Das ist wichtig, damit die Unternehmen entsprechend planen können", sagt Lau von der IHK. Gerade Polen sei für viele hiesige Firmen sehr interessant: "Das Land hat sich seit seinem EU-Beitritt sehr gut entwickelt", so Lau.

München ist ein traditionell wirtschaftsstarker Standort: Mit 3,5 Prozent hat München die niedrigste Arbeitslosenquote aller deutschen Großstädte, jeder Dritte ist Akademiker - ebenfalls Rekord. Zudem gibt es mit Firmen wie MTU, Siemens, Infineon und BMW so viele Dax-Konzerne wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Aber eben nicht nur - tatsächlich sind nur 0,5 Prozent der Münchner Firmen Großunternehmen. Entscheidend für die Stabilität sind auch die sogenannten Hidden Champions wie der Elektronikkonzern Rohde & Schwarz, die Sicherheitstechnologie-Firma Giesecke & Devrient oder der Chemiekonzern Wacker Chemie - sie alle machen den Branchenmix aus. "Ihre Innovationskraft wird häufig unterschätzt", sagt Pulkert von der Hypo Vereinsbank.

Dazu kommen die zahlreichen Neugründungen von Start-ups in München, die ohnehin gleich den internationalen Markt vor Augen haben. Entsprechend optimistisch schaut man auf mögliche Auswirkungen des Brexit für die Stadt: "Es wird einen Effekt haben, aber die Münchner Unternehmen sind weitgehend gut vorbereitet", sagt Pulkert. Lau von der IHK sieht das ähnlich: Gerade weil viele Münchner Firmen international aufgestellt sind, "kennen sie sich mit Zollverfahren ohnehin schon aus", sagt er.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2019
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