Wirtin auf dem Oktoberfest:Unter Platzhirschen

Der Wiesnwirt ist traditionell ein Mann - hier denkt niemand an irgendeine Quote. Doch es gibt Ausnahmen: Antje Schneider leitet die Ochsenbraterei, eines der größten Zelte auf dem Oktoberfest. Nur an das Dirndl musste sie sich erst gewöhnen.

Franz Kotteder

Auch wenn es auf dem Münchner Oktoberfest Bierzelte gibt, die "Bräu-Rosl" heißen oder "Fischer-Vroni": Das Handwerk des Wiesnwirts liegt traditionell fest in männlicher Hand, und niemand denkt an irgendeine Quote. Freilich, es gibt bisweilen Ausnahmen. Antje Schneider, 45, ist eine.

Wirtin Antje Schneider in München, 2011

Bei der Wiesn kümmert sich Antje Schneider um die Ochsenbraterei. An den restlichen Tagen des Jahres dürfte ihr aber auch nicht langweilig sein. Ein Gastronomie-Imperium befindet sich im Besitz ihrer Familie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Seit 2011 ist die groß gewachsene, schlanke Frau mit dem nicht sehr bayerischen Vornamen die Chefin in der Ochsenbraterei, mit 7500 Plätzen eines der größten Zelte auf dem Oktoberfest. Bis zu hundert Ochsen werden hier während der 16 Tage über offenem Grillfeuer gebraten, ihre jeweiligen Namen und ihr Schlachtgewicht verkündet eine große Tafel im Zelt. Der Gast kennt sozusagen fast persönlich, wen er da vor sich auf dem Teller hat.

Antje Schneider ist in diesem Zelt seit ihrer Jugend zu Hause: "Nach der Schule bin ich da immer hin, sehr zum Missfallen meiner Eltern in Jeans, aber Dirndl gingen damals ja überhaupt nicht!" Ihr Vater Hermann Haberl hatte die Ochsenbraterei 1980 übertragen bekommen, da ging ein großer Traum in Erfüllung. Haberl war aus der Oberpfalz gekommen und gelernter Korbflechter. Nebenbei verkaufte er auf Volksfesten Fischsemmeln und Käsebrote, und weil sich das rentierte, baute er das Geschäft mit großem Ehrgeiz aus.

Bald war er als Festzeltwirt in Italien und Frankreich unterwegs, und zu den Olympischen Spielen 1972 bekam er den Zuschlag für die Gastronomie. Von da an ging es nur noch bergauf, ein Gastronomie-Imperium ist so entstanden, zu dem auch mehrere Münchner Ausflugslokale und Biergärten gehören, zum Beispiel der am Chinesischen Turm.

Als Haberl im Februar 2011 starb, war klar, dass die einzige Tochter seine Nachfolgerin werden würde. Nach der Schule hatte sie eine Kochlehre bei Feinkost Käfer gemacht, einem höchst erfolgreichen Kollegen des Vaters. Die Eltern übertrugen ihr früh Aufgaben im Unternehmen. Die Ochsenbraterei hat sie längst im Griff, sie hatte ja schon Jahre vor dem Tod des Vaters die Geschäfte dort mitgeführt. Trotzdem, sagt sie, werde die Wiesn nie zur Routine, das sei alle Jahre wieder etwas Besonderes, auf das man hinfiebere.

Ums Geld allein geht es dabei sicher nicht, auch wenn Wiesnwirte dem Verdacht unterliegen, jedes Jahr nach dem Oktoberfest neue Geldspeicher bauen zu müssen. Aber die Familie Haberl ist ohnehin versorgt. Vater Hermann nahm wahrscheinlich allein durch den Verkauf der Olympiapark-Gastronomie einige Jahre vor seinem Tod zig Millionen Euro ein.

Die Tochter war damals bereits verheiratet und hieß nun Schneider: "Da war es dann ganz gut, dass ich wenigstens einen ausgefallenen Vornamen hatte." Den hatte ihr Mutter Anneliese verpasst, weil sie auf die Schnelle einen Namen für das Kind brauchte, und der Vater gerade mit dem Festzelt in Italien war.

"Aber ich habe das wieder gutgemacht", sagt Antje Schneider, "meine vier Kinder heißen Louis, Quirin, Vroni und Josef."

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