Süddeutsche Zeitung

Wirte zahlen zu wenig:Mit der Wiesn in die Miesen

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Während die Wirte mehr und mehr Bier verkaufen, macht München seit Jahren Verluste mit dem Oktoberfest. Denn: Die Wiesn ist offenbar ein echtes Schnäppchen. Zumindest für Wirte und Schausteller. Sie zahlen nur wenig Pacht.

Dominik Hutter

Die Wiesn ist für Wirte und Schausteller offenbar ein echtes Schnäppchen - auch was die Pachtzahlungen angeht. Nach Berechnung des Revisionsamts verlangt die Stadt als Veranstalter derart niedrige Entgelte, dass das größte Volksfest der Welt in den Jahren 2008 bis 2010 sogar defizitär war - aus kommunaler Sicht natürlich nur.

Während die Wirte mehr und mehr Bier verkauften, habe die Stadt zwischen 2002 und 2011 ihre Tarife im Wesentlichen nur an die Kostensteigerungen angepasst - für den Riesenaufwand rund um die versenkbaren Sicherheitspoller etwa. Das aber reichte insgesamt nicht aus: Allein 2008 entstand ein Minus von 212.889 Euro und 74 Cent im Stadtsäckel, steht in dem Bericht des Revionsamts, der im Juli in nicht-öffentlicher Sitzung im Rechnungsprüfungsauschuss des Stadtrats behandelt wurde.

Der zuständige Referent Dieter Reiter (SPD) räumt die Probleme ein und will die Entgelte nun neu kalkulieren. Die abschließende Entscheidung muss jedoch der Stadtrat treffen, der die Wiesn-Tarife jährlich absegnet. Das Revisionsamt hält eine Erhöhung für unerlässlich, damit zumindest keine Defizite mehr entstehen.

Dass das Oktoberfest auch künftig nicht zum Goldesel für die Stadt wird, ist für das Revisionsamt akzeptabel - es gibt seit Anfang der 1970er Jahre den Konsens, mit den Standgeldern keine Gewinne zu erzielen. Schließlich ist die Wiesn gesamtwirtschaftlich betrachtet ein Segen: Spült sie doch pro Jahr zwischen 850 und 90 Millionen Euro in die Taschen von Wirten (nicht nur auf der Wiesn selbst), Hoteliers, Taxifahrern, Karussellbetreibern und Würstlverkäufern.

Dennoch finden die städtischen Prüfer, dass die städtischen Entgelte für Wiesnwirte und Schausteller in keinem Verhältnis stehen zu dem Umsatz, der sich auf der Theresienwiese erzielen lässt. Immerhin sei der Bierausschank seit 2002 um 27 Prozent angestiegen, der Umsatz sogar um 42 Prozent. Auch die Stadt hat zwar an der Kostenschraube gedreht: Um immerhin 78 Prozent sind die Entgelte im gleichen Zeitraum angestiegen. Davon allerdings hatte das Stadtsäckel nicht viel. Das Gros der Erhöhung wurde durch zusätzlich entstehende Kosten aufgefressen oder ist auf Vorteile für die Wirte zurückzuführen: durch die Nutzung größerer Flächen beispielsweise oder die Verlängerung der Wiesn um einen Tag.

Der Umsatz spielt keine Rolle

Bezahlen müssen die Wirte der großen wie kleinen Festzelte nach Quadratmetern - der Umsatz dagegen spielt keine Rolle. Dies hält das Revisionsamt für einen großen Fehler. Würde der Verzehr von Bier, Hendl und Co. mitberücksichtigt, könnte die Stadt allein bei den großen Bierzelten mit 8,4 Millionen Euro zusätzlich kalkulieren, haben die städtischen Prüfer errechnet.

Tatsächlich zahlten die Wirte der 14 großen Zelte im Jahr 2011 lediglich 2,4 Millionen Euro Platzgeld an die Stadt. Ganz ähnlich sieht es bei den kleinen Festzelten und allen anderen Wiesn-Mitwirkenden, den sogenannten Beschickern, aus. So müsse der Betreiber einer Imbissbude lediglich 100 Euro Standgeld pro Tag an die Stadt zahlen - eine Summe, die schon durch den Verkauf von 25 Bratwürsten wieder hereinkommt.

Am Süßigkeitenstand reicht es aus, 22 Packungen gebrannte Mandeln am Tag zu verkaufen. Natürlich haben die Gastronomen auch noch andere Unkosten. Das Revisionsamt will mit solchen Vergleichen jedoch klarmachen, dass die Stadt eine Billigheimer-Rolle einnimmt.

Bei der Prüfung der städtischen Revisoren ist auch aufgefallen, dass manche Entgelte scheinbar nach Gutsherrenart vergeben werden. Die kleinen Bierzelte etwa zahlten völlig unterschiedliche Tarife - woran das liegt, sei nicht immer ersichtlich. Auch die Quadratmeterpreise der großen Zelte würden nach einem System aus dem Jahr 1951 errechnet, das mangels entsprechender Unterlagen nicht mehr nachvollziehbar sei und deshalb reformiert werden müsse.

Entgelte dürften nicht nach freiem Ermessen erhoben werden. Angesichts dieses Durcheinanders sieht sich das Revisionsamt außerstande, zu beurteilen, ob die Stadt ihre eigenen Richtlinien für Entgelte einhält.

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SZ vom 25.08.2012
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