Wirte in München:Herrscher hinterm Tresen

Sie sind die Könige - nicht nur des Nachtlebens: Münchens Wirte haben große Macht. Wehe, wenn sie diese eines Tages nutzen sollten.

Lisa Sonnabend

Wer nichts wird, wird Wirt. Dies gilt sprichwörtlich - aber nicht in München. Denn die Wirte an der Isar beschränken sich nicht darauf, Bier zu zapfen und am Ende des Abends den Schankraum zu kehren. Aus zahlreichen Wirten der Stadt sind wahre Berühmtheiten geworden.

Johannis-Cafe in München, 2008

Bald König? Olaf, der Wirt aus dem Johannis Café.

(Foto: Catherina Hess)

Zum Beispiel Gerti aus der kultigen Fraunhofer Schoppenstube. Tausende Münchner haben bereits mit der resoluten blonden Frau zur Akkordeonmusik geschunkelt, mit ihr gelacht und sich von ihr trösten lassen. Die meisten verabreden sich nicht in der Fraunhofer Schoppenstube, sondern: "Um neun bei Gerti." Den Weg hat bislang jeder gefunden. Oder Charles Schumann. Der High-Society-Wirt mit den langen grauen Haaren ist nicht nur deswegen berüchtigt, weil er in seiner Bar am Odeonsplatz bedient, sondern auch, weil er das Rezept für den Cocktail Swimmingpool erfunden hat, als Model gefragt ist und Werbung für Bürostühle oder Parfüm macht.

Den größten Wirbel verursacht derzeit Ismail Yilmaz vom X-Cess. Nachdem seine Absturzkneipe an der Kolosseumstraße nach Anwohnerbeschwerden schließen musste, ist "Isi" zur lokalen Ikone geworden. Seine Anhänger belagern ihn auf Facebook, um zu erfahren, wann er nun endlich sein neues Lokal an der Sonnenstraße eröffnet. "Isi" wird ähnlich oft auf der Straße angesprochen wie ein Bastian Schweinsteiger.

Da verwundert es, dass kein Münchner Wirt auf die Idee gekommen ist, in das Rennen um die Nachfolge von Oberbürgermeister Christian Ude zu gehen. Beliebter und bekannter als die Kandidaten der SPD sind sie allemal. Im urigen Johannis Café in Haidhausen hängt ein imposantes Ölgemälde: Ein Mann in blau-weiß-rotem Gewand blickt erhaben hinunter auf die Gäste. Es ist nicht König Ludwig II., sondern Wirt Olaf mit seinem langen Kinnbart. Münchens Wirte denken offenbar bereits in weit größeren Kategorien als die lokalen Stadtpolitiker.

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